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Landtag, 50. Sitzung vom 28.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 15

 

aus diesem System beziehen, wir haben jene Menschen auch im Fokus, die dieses System aufrechterhalten und finanzieren. Österreich ist ein wunderschönes Land, Wien ist eine wunderschöne Stadt, und wir wollen Gerechtigkeit für jene Menschen, die jeden Tag hart daran arbeiten, sehr geehrte Damen und Herren. - Vielen Dank.

 

Präsident Ernst Woller: Für die nun folgenden Wortmeldungen möchte ich bemerken, dass die Redezeit für den Erstredner jeder Fraktion 20 Minuten beträgt, die Redezeit jedes weiteren Redners ist mit 15 Minuten begrenzt. Als nächste Rednerin gelangt Frau Abg. Korosec zu Wort. Ich erteile es ihr.

 

9.15.18

Abg. Ingrid Korosec (ÖVP)|: Herr Präsident! Herr Landesrat! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

 

Wir befinden uns allein in diesem Jahr zum dritten Mal hier, um über das Mindestsicherungsgesetz zu debattieren. Mit 1.1.2020 hätte es zu einer Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes kommen müssen. Die Stadt hatte sieben Monate Zeit für ein Ausführungsgesetz, Wien ist hier allerdings weiterhin säumig und begeht damit einen Verfassungsbruch. Bereits im März haben wir einen Initiativantrag zur Mindestsicherung debattiert, eine vollständige Umsetzung des Ausführungsgesetzes war hier nicht zu finden. Einzig der Behindertenbonus sowie die Pflicht zum persönlichen Erscheinen wurden im Sinne des Sozialhilfe-Grundgesetzes geregelt. Und auch Ende August hatten wir einen Antrag zu debattieren, bei dem es um die Nichtanrechnung der zusätzlichen Einmalzahlung des Arbeitslosengeldes ging, eine rechtskonforme und vollständige Umsetzung war eine Fehlanzeige.

 

Die Probleme im Wiener Sozialsystem bleiben aber weiterhin bestehen, das hat ja StR Wölbitsch sehr ausführlich angeführt. Ich möchte dazu auch einige Worte sagen: 1,8 Millionen pro Tag ist ja kein geringer Betrag, den wir in Wien für die Mindestsicherung ausgeben, ein Zehntel davon in Niederösterreich mit 180.000 oder in Oberösterreich mit knapp 100.000 pro Tag. Und man kann es gar nicht oft genug erwähnen: Der VfGH hat nicht das gesamte Sozialhilfe-Grundgesetz aufgehoben, sondern drei Punkte davon, und dies hat den Arbeitsqualifizierungsbonus, also die Verknüpfung von Deutschkenntnissen und einen zusätzlichen Bonus die Kinderstaffelung sowie Regelungen betreffend die Erhebung von Statistiken betroffen. Aber das ändert nichts daran, dass das Rahmengesetz des Bundes weiterhin in Geltung ist. Und die Stadt Wien setzt dieses aber weiterhin nicht um und begeht damit einen Verfassungsbruch. Gleichzeitig - und das wurde auch von meinem Vorredner gesagt - ist Wien immer noch der Sozialmagnet Österreichs und die Mindestsicherung ist immer noch kein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt, was es aber sein sollte.

 

Ein kurzer Überblick, welche konkreten Regelungen hier im Sinne einer rechtskonformen Umsetzung fehlen: Niedrigere Richtsätze für Erwachsene, Beschränkung der Leistung für subsidiär Schutzberechtigte, eine grundsätzliche Befristung der Anträge und ein verpflichtendes Kontroll- und Sanktionssystem sind immer noch nicht im Gesetz verankert. Bei der Verpflichtung zu Deutsch- und Wertekursen fehlt der Verweis auf die B1-Integrationsüberprüfung. Gerade Deutsch - und das ist uns ja allen klar und das wird ja auch von allen in Sonntagsreden immer und immer wieder gesagt - ist wichtig für die Integration, das ist ein ganz, ganz wichtiger Faktor für die Integration. Auch ein Sachleistungsvorrang findet sich nicht im Wiener Mindestsicherungsgesetz, wäre aber laut dem Grundsatz vorgegeben.

 

Gleichzeitig möchte ich auch wieder das Vorurteil widerlegen, wenn immer wieder behauptet wird, dass es zu so starken Kürzungen kommt. Es ging uns immer um die Gerechtigkeit für die Leistungswilligen, um Kürzungen ging es uns dabei nie. Im Rahmengesetz sind ja auch zahlreiche Vorteile für besondere Personengruppen vorgesehen und spezielle Regelungen sollen das bestehende System auch gerechter machen. So ist beispielsweise der Bonus für Alleinerzieher weiterhin nicht umgesetzt, und wir alle wissen, dass gerade Alleinerzieher es ja nicht gerade leicht haben.

 

Ein erhöhter anrechnungsfreier Freibetrag würde im Vergleich zum Wiener Modell, welches Sonderzahlungen als Freibeitrag sowie einen Beschäftigungsbonus kennt, ebenfalls Vorteile bringen. - Macht man nicht! - Es fehlt auch weiterhin die Regelung betreffend Erhöhung des Schonvermögens und auch zum längeren Zeitraum bis zum Zugriff auf unbewegliches Vermögen. All diese fehlenden Regelungen sind ein Verfassungsbruch. Herr Landesrat, was Sie hier betreiben, ist Populismus in Reinkultur und völlig antidemokratisch. Wenn Ihnen Regeln gefallen, dann passt das für Sie, wenn Ihnen Regeln nicht gefallen, dann stellen sie sich über das Gesetz.

 

Gerade jetzt im Zuge der Covid-19-Pandemie kommt der Sozialhilfe eine ganz besondere Bedeutung zu. Das ist das letzte soziale Netz. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten wollen wir den bedürftigen Menschen helfen, im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen es schaffen, dass die Mindestsicherung zu einem Sprungbrett wird, damit die Betroffenen wieder auf eigenen Beinen stehen können. Wir wollen keine Abhängigkeiten schaffen, sondern Unabhängigkeiten ermöglichen.

 

Wir wollen diese Fehler im System beseitigen, die mein Vorredner ebenfalls kurz angerissen hat. Es kann nicht sein, das eine arbeitende Familie weniger erhält als eine Familie, die in Wien Mindestsicherung erhält. Es ist nicht nur die böse ÖVP - Kollege Wölbitsch hat das gesagt -, sondern es war eben auch Sepp Schellhorn, der - ich glaube, 2016 - das mit einem sehr klaren Beispiel aufgezeigt hat, dass Wien hier eben der Sozialmagnet ist. Es ist interessant, dass die NEOS trotzdem diesem Gesetz nicht zustimmen wollen. Das ist mir nicht ganz klar, denn Schellhorn bringt mit seinem Beispiel eigentlich so logisch viel Hausverstand auch dabei mit, dass es mir eigentlich verständlich ist. Aber das ist nicht mein Problem. Schellhorn spricht in dem Zusammenhang auch von einer falschen Beratungsleistung und einer falschen Erwartungshaltung. Das ist nämlich auch der Fall. Die Menschen, die dann nach Wien kommen, glauben, sie haben das Paradies. Das ist es ja auch nicht.

 

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