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Landtag, 47. Sitzung vom 31.08.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 40

 

Debatte über die Kürzung dieser Leistungen auch noch bringen soll. Was soll das den Menschen bringen? - Wir sind in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und da jetzt darüber zu diskutieren, dass wir den Menschen noch zusätzliche Probleme bereiten wollen, indem wir sie aus den untersten sozialen Sicherungssystemen rausschmeißen, das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Das widerspricht im Übrigen auch einem Antrag aus der letzten Sitzung im Gemeinderat Ende Mai - also nicht der letzten Gemeinderatssitzung, aber der Sitzung Ende Mai -, den wir gemeinsam formuliert haben, gemeinsam auch beschlossen haben, nämlich auch mit dem Team HC Strache, in dem wir uns dafür ausgesprochen haben, dass das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des Letzteinkommens erhöht werden soll. Das ist eine Forderung, die viel Sinn gemacht hat und die nach wie vor viel Sinn hat. Es ist traurig, dass die Österreichische Bundesregierung diesen Gedanken nicht aufgegriffen hat, sondern stattdessen eine Einmalzahlung gemacht hat, die wir heute ja auch noch im Landtag als Beschlussfassung haben, um das Wiener Mindestsicherungsgesetz so zu adaptieren, dass wir diese Einmalzahlung wenigstens den Menschen, um die es geht, zusprechen können.

 

Das Problem dabei ist aber, dass es ja nur Arbeitslosenbezieher und Notstandshilfebezieher sind, die Mindestpensionistin hat gar nichts davon und die Dauerleistungsbezieher haben gar nichts davon. Das halte ich für problematisch. Schade, dass die Bundesregierung unseren gemeinsamen Antrag, den vier Parteien hier im Haus beschlossen haben, nämlich um Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, nicht entsprochen hat. Ich denke, wir müssen auch sehen, dass ein einziges Bundesland eine, wie ich finde, merkwürdige Regelung gefunden hat im Sinne Ihres Antrages, nämlich Menschen mit humanitärem Bleiberecht von der Sozialhilfe auszuschließen. Das klingt so unglaublich burschikos - das verstehe ich schon -, das klingt so: Wow, wir sind wirklich toll! Aber was ist denn die Konsequenz davon? - Die Konsequenz davon ist, dass diese Menschen von den Grundelementen unseres sozialen Absicherungssystems ausgeschlossen sind, von einer Krankenversicherung ausgeschlossen sind, von einer Unfallversicherung ausgeschlossen sind, von den Grundbasisfragestellungen der Existenzsicherung ausgeschlossen sind, von einer Wohnungslosenhilfe ausgeschlossen sind, vom gesamten sozialen System ausgeschlossen sind. Aber sie sind trotzdem hier! Sie sind aber nicht nur einfach hier, sondern nach den österreichischen Gesetzen wurde entschieden, dass sie auch hier sein dürfen.

 

Und ich sage es ganz offen, ich halte überhaupt nichts davon, dass man, wenn das Innenministerium mit seinen Spielregeln über die Fragen des Zuzugs und über die Fragen des Asylrechts beschließt, dass Menschen richtigerweise in unserem Land sein dürfen, diese auch vollkommen sinnloserweise aus den sozialen Sicherungssystemen ausschließt. Die Phantasie, dass sich diese Menschen dann in Luft auflösen, teile ich nicht. Ich glaube, ich kann für meine Fraktion, aber auch für die GRÜNEN als Regierungsparteien sagen: Wir teilen diese Idee nicht, dass sich Menschen in Luft auflösen. Es geht darum, das soziale Miteinander in unserer Stadt, das soziale Miteinander in unserem Land aufrechtzuerhalten. Dazu gehört es, dass wir den Menschen, denen es ganz schlecht geht, die existenzielle Probleme haben, jeden Tag die Hand reichen, die Hand reichen und ihnen helfen, dass sie in unserer Stadt eine Absprungbasis auf ein selbstständiges Leben haben. Das ist die Kernfunktion von sozialen Hilfeleistungen.

 

Das funktioniert ja auch, denn wir haben es in den letzten zwei Jahren geschafft, dass die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher jedes Jahr zurückgegangen ist. Jetzt sehen wir natürlich einen Ansprung nach oben. Wenn die Kurzarbeitsregelungen zu Ende sind und wenn bei den Firmen, bei denen sämtliche Abgaben aufgeschoben wurden, dieses Aufschieben zu Ende ist, dann ist ja zu befürchten, dass es kein großes Wiederaufflammen der gesamten Wirtschaft gibt. Wenn die wirtschaftlichen Hilfen nicht kommen, dann ist zu befürchten, dass viele Firmen in Konkurs gehen und damit Arbeitsplätze endgültig verloren sind, dann ist zu befürchten, dass die Arbeitslosigkeit noch einmal dramatisch steigen wird, denn sie ist schon dramatisch gestiegen, und dann wird es erst recht wichtig sein, ein soziales Hilfenetz zu haben.

 

Wir sehen das schon an der Mindestsicherung, die Mindestsicherung steigt bereits - noch nicht sehr stark, weil wir, wie gesagt, im Augenblick in einem Timeshift sind. Wir sind in einer Verschiebung der Konsequenzen des Shutdowns aus dem heurigen Frühjahr, aber diese Konsequenzen werden ganz zweifelsohne zu uns kommen, wenn es nicht gelingt, die Wirtschaft sehr rasch wieder in Schwung zu bringen.

 

Letzter Gedanke zu dieser Illusion, die sich ja auch so nett spricht, dass hohe Sozialhilfeleistungen den Zuzug von Menschen ins Sozialsystem fördern: Den Rhabarber höre ich jetzt seit Jahren, das ist wissenschaftlich mehrfach untersucht und jedes Mal widerlegt worden. Das ist natürlich super für die Schlagzeile im Alltagsboulevard, ja, aber jeder Tag ist eine Widerlegung dieser Hypothese, weil Wien nicht das Land mit den höchsten Sozialleistungen ist. Im österreichischen Durchschnitt sind wir erst auf Rang 4 in der Höhe der Sozialleistungen. Also wenn Sie schon sagen, es gibt einen Zuzug ins Sozialsystem, weil dort besonders viel Sozialhilfe ist, dann sind es drei andere Bundesländer, die gerade von Wiener Mindestsicherungsbeziehern überlaufen werden müssten. Diese Diskussion, dass Sozialhilfeempfänger dort hinziehen, wo das Sozialsystem am besten ist, zeigt nur, dass derjenige, der das behauptet, keine Ahnung vom dramatischen, demütigen, furchtbaren Leben von Menschen hat, die darauf angewiesen sind, von uns soziale Unterstützungsleistungen zu kriegen. - Danke.

 

Präsident Ernst Woller: Danke. Die 1. Zusatzfrage wird von Frau Abg. Korosec gestellt. Ich erteile ihr das Wort.

 

9.35.10

Abg. Ingrid Korosec (ÖVP): Guten Morgen, Herr Landesrat!

 

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