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Landtag, 46. Sitzung vom 25.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 79

 

Uns liegt heute der Tätigkeitsbericht der Umweltanwaltschaft vor. Die Umweltanwaltschaft ist an und für sich eine sehr segensreiche und lobenswerte Einrichtung, und wenn man sich den Bericht durchgelesen hat, dann sieht man, dass er genau, informativ und umfangreich ist, sodass man als vernünftiger, naturbewegter Mensch einem solchen Bericht natürlich positiv gegenüber stehen sollte.

 

Schauen wir uns die Schwerpunkte an, die darin erwähnt werden: Die Beratung der Bevölkerung ist natürlich wichtig. Die Sensibilisierung in Richtung Klimakrise ist natürlich auch ein Thema, das die Bevölkerung interessiert, wenn man etwa die Niederschlagsdefizite betrachtet, die es in Österreich zweifelsohne gegeben hat.

 

Zur Stellungnahme gegen die Atomindustrie: Das ist eine alte freiheitliche Forderung. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als wir Freiheitlichen die einzige Partei waren, die dieses Thema gespielt haben. Damals waren die Sozialdemokraten noch auf der Linie, dass der Bundeskanzler zurücktritt, wenn es kein Atomkraftwerk in Österreich gibt. Ich kann mich noch im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über Zwentendorf an die Autobusse der Gewerkschafter mit Parolen erinnern wie: „Atomkraft gegen Überwintern bei Dunkelheit mit kaltem Hintern.“ - Das war damals noch die SPÖ-Ideologie, und auch von der ÖVP wurde die Atomenergie damals anders gesehen.

 

Weitere Themen sind die Lichtverschmutzung sowie die Stadtökologie und der Grünraum. Man muss aber erwähnen, dass es nebst diesen positiven Aspekten der Umweltanwaltschaft auch negative gibt, und zwar muss man da von Feigenblattpolitik und von Heuchelei in der Umweltpolitik der grün-roten Stadtregierung sprechen.

 

Warum? - Ich werde das ausführen. In Bezug auf die Umweltanwaltschaft hat man sich, so segensreich sie ist, zwei Einschränkungen zu vergegenwärtigen.

 

Erstens: Ich habe des Öfteren mit Wienerinnen und Wienern über die Umweltanwaltschaft geredet und sie gefragt, ob diese auch wahrgenommen wird und welchen Geldbetrag eine Umweltanwaltschaft als maßgebliches Organ des Umweltschutzes in einem Ballungsraum pro Kopf bekommen sollte. Darauf wurden mir Zahlen genannt: 5 EUR, 10 EUR, 50 EUR, 100 EUR und mehr. - Führen wir uns das jetzt vor Augen: Es handelt sich um einen Betrag in der Größenordnung von 10 Cent, der im Ballungsraum für die Umweltanwaltschaft ausgegeben wird. Diese Summe wird als Feigenblatt verwendet, um klarzulegen, wie grün die Stadtregierung ist. - Das kann man nur als Feigenblattpolitik darstellen!

 

Die zweite Einschränkung der Umweltanwaltschaft ist der ideologische Hintergrund: Das ist jetzt keine Kritik an der Umweltanwältin, die gute Arbeit macht, und auch nicht an der Institution. Aber die Umweltanwaltschaft ist eingebunden in die rote und grüne Politstruktur Wiens, womit natürlich festgelegt ist, was berichtet werden darf und was nicht.

 

Ich bringe Ihnen dafür jetzt ein kleines Beispiel: Eine Kritik an Windrädern im Zusammenhang mit Vogelschutz wird man nicht finden, weil die GRÜNEN sozusagen eine Alternativenergie betreiben.

 

Der eigentliche Grund für die Umweltproblematik in Wien, die eine große ist, liegt natürlich in der sogenannten Verdichtung der Stadt, wie die Umweltanwaltschaft das selber bezeichnet. Der andauernde Zuwachs von Bevölkerung und die höhere Konzentration der Bevölkerung, die Bevölkerungsexplosion, ist die eigentliche Ursache der Umweltproblematik.

 

Gehen wir die Punkte im Einzelnen durch: Die Beratung der Bevölkerung wird nichts bringen, wenn immer mehr Menschen hier wohnen. Das Problem ist die Klimakrise. Heute hat der Herr Stadtrat gesagt, dass Schwechat wieder hochgefahren wird. Dann gibt es wieder mehr Verkehrsbewegungen. - Natürlich treten wir für eine weltoffene Stadt ein und verteidigen das Recht zu fliegen. Wir haben auch bezüglich der dritten Startbahn in Schwechat lange diskutiert. Wenn die Bevölkerungszahl in Wien um etwa 25 Prozent angestiegen ist, dann ist klar, dass auch die Zahl der Flugbewegungen weiter ansteigt und sich dadurch natürlich eine erhöhte Schadstoffbelastung ergibt. Vor diesen Problemen, sehr geehrte KollegInnen von den Grünen und Roten, verschließen Sie jedoch die Augen, diese Probleme kennen Sie nicht.

 

Betreffend Lichtverschmutzung werden Maßnahmen von der Umweltanwaltschaft gesetzt, das ist in Ordnung, das ist eine sehr löbliche Tätigkeit. Sie geben aber selber zu, dass es bei der Lichtverschmutzung einen Zuwachs von 6 Prozent pro Jahr gibt. - Wenn man das ungefähr berechnet in Hinblick auf den Zuzug, mehr Menschen, mehr Autos, dann werden all diese Initiativen jedoch ein Feigenblatt bleiben und nicht mehr.

 

Bei der Stadtökologie zeigen sich die Fehlstellung der grün-roten Stadtregierung und die Feigenblattpolitik am deutlichsten. Ich habe jetzt einen konkreten Fall in der Nachbarschaft erlebt: Eine grüne Insel, ein begrünter Innenhof wird abgerissen und betoniert: Es müssen neue Wohnungen geschaffen werden, und dort kommt ein Supermarkt hinein. Ich habe unter anderem mit jugendlichen Anwohnern geredet, die gesagt haben, dass sie das erhalten wollen. Zufällig war auch der Bauführer der Abrissfirma anwesend, ein ehemaliger Schulkollege, und der hat als hartgesottener Abreißer gesagt: Das ist wirklich ein Wahnsinn, schade um dieses grüne Paradies! Aber da kann man nichts machen, dahinter ist das Kapital, die Dinge sind längst entschieden, und der Wohnraum wird gebraucht. Warum wird der Wohnraum gebraucht? - Weil Wien eine verdichtete Stadt ist und immer mehr Menschen hier herkommen und natürlich Wohnraum nachfragen.

 

Um einmal den Grund herauszuskizzieren: Im Prinzip lassen wir Menschen aus dünn besiedelten Gebieten, wo ökologische Belastbarkeit vorhanden wäre, in überbevölkerte Regionen in Europa zuziehen, und das ist ökologisch unsinnig, davon gehen sie aber nicht runter. Wenn wir uns diese Probleme hier vergegenwärtigen, dann kommt mir die Umweltanwaltschaft, der ich persönlich ja sehr positiv gegenüber stehe, vor wie die Anwälte im ehemaligen Ostblock, in der DDR, die als Feigenblätter des Systems tätig waren und sich auch bemüht haben, an den grundlegenden Problemen aber nichts ändern

 

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