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Landtag, 43. Sitzung vom 12.03.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 14

 

Wien mit falschen Vorbehauptungen zu besudeln. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Präsident Ernst Woller: Als nächster Redner hat sich Herr Abg. Stürzenbecher zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

10.48.27

Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

 

Das Einzige, wo ich dem Herrn Wiederkehr zustimme, ist, dass ich auch der Meinung bin, dass die Organe der Legislative auch in schwierigen Zeiten, wie wir sie derzeit haben, funktionsfähig bleiben müssen, und dass sie grundsätzlich natürlich auch tagen sollen, wenn es notwendig und richtig ist. Aber das ist schon das Einzige, wo ich dem Kollegen Wiederkehr zustimmen kann, sonst muss ich sagen, dass er von allen bisherigen Rednern eher das weitaus höchste Unwahrheitsverständnis und den weitaus größten Unwahrheitsgehalt in seiner Rede gebracht hat, wobei ich schon davon ausgehe, wenn er als Hauptredner seiner Fraktion auftritt, dass er eigentlich die Gelegenheit gehabt hätte, sich einzuarbeiten. Und deshalb muss ich diese groben Unwahrheiten gleich einmal pauschal auf das Schärfste zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Ich finde es auch sehr sonderbar, dass man implizit - teilweise ist es ja auch in einigen Medien gestanden - den Organen der Stadt Wien hier indirekt rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Rothschild’schen Stiftung vorwirft. Dazu möchte ich auch ganz eindeutig sagen, dass die Organe der Stadt Wien in dieser Sache sowohl historisch als auch in jüngerer Zeit immer außerordentlich korrekt vorgegangen sind, sich sehr bemüht haben, im Sinne des Stifters vorzugehen. Und dafür ist den Organen unser Dank auszudrücken. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Es ist auch so, dass wir mit dem historischen Erbe sehr verantwortungsvoll umgegangen sind. Wir gehen als Stadt Wien generell mit dem jüdischen Erbe dieser Stadt sehr verantwortungsvoll um - dafür sind wir auch schon von den entsprechenden Organisationen oft genug gelobt worden -, und wir gehen auch außerordentlich ehrenvoll und würdig mit dem historischen Erbe der Familie Rothschild um, auch, dass man das 1956 - ich werde dann noch genauer die Geschichte darlegen - überhaupt wiedergegründet hat. Es wäre ja damals vielleicht das Einfachste gewesen, das praktisch gar nicht mehr wiederzugründen, und dann hätte man überhaupt keine Stiftung mehr gehabt. Aber man ist den schwierigeren Weg gegangen, auch im Interesse des Erbes der Familie Rothschild, dass wir sie wiederbelebt haben. Und schon damit haben wir erst möglich gemacht, dass sie weiterexistiert und dass überhaupt Prozesse, wie sie jetzt da sind, möglich sind. Ich glaube, das war die richtige Vorgangsweise der Stadt Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Jetzt doch ein bisschen zum Historischem, weil manches einfach so falsch war, was hier vorgebracht worden ist - wie gesagt, am weitaus meisten vom Kollegen Wiederkehr, bei den anderen Vorrednern hat sich das teilweise abgewechselt beziehungsweise mit Kollegen Margulies kann ich weitgehend übereinstimmen. Man muss Folgendes ja wissen: Die Stiftung ist am 28. Februar 1907 gemäß der letztwilligen Anordnung des Stifters Nathaniel Freiherr von Rothschild errichtet worden. Das Stammvermögen waren 20 Millionen Kronen. Nach den Auskünften der Nationalbank sind das 124 Millionen EUR, und da will ich mich jetzt nicht darauf einlassen, ob es 150 Millionen sind, wie der Kollege Wiederkehr gesagt hat, das wäre noch die geringste Abweichung von der Wahrheit, die man ihm vorwerfen kann. Aber es ist dann auch festgelegt worden, dass das aus den jährlichen Zinserträgnissen kommen soll, und das war damals in der Monarchie natürlich im Wesentlichen auf Anleihen der Staatsbanken aufgebaut. Naturgemäß, als dann nur noch die Republik da war, haben diese Anleihen - von 50 Millionen auf 6 Millionen - nicht mehr die Bedeutung gehabt, und schon in den 1920er Jahren war das Stiftungsvermögen ein wesentlich geringeres als noch in der Monarchie. Das muss einfach der Wahrheit halber gesagt werden. Während des nationalsozialistischen Verbrecherregimes ist die Stiftung aufgelöst worden, sie hatte damals noch ein Geldvermögen von umgerechnet 7,3 Millionen EUR gehabt. Also es ist zu diesem Zeitpunkt schon von 124 Millionen auf 7,3 Millionen abgesunken, bis dann die Nationalsozialisten dem endgültig ein Ende gesetzt haben.

 

1956 hat man das Wiener Stiftungs- und Fondsorganisierungsgesetz gemacht. Das Gesetz sah eine Ermächtigung zur Abänderung der Bezeichnung, Zweckbestimmung und Organisation der Stiftung vor. Durch diese Ermächtigung wurde überhaupt dem Umstand Rechnung getragen, dass natürlich die beiden Weltkriege auf das Kuratorium und die Stiftung, auf die gesamten Rahmenbedingungen und die Vermögensverhältnisse einen großen Einfluss gehabt haben. Deshalb war es natürlich logisch, dass man beim Rückstellungsverfahren ab 1956 berücksichtigen musste, dass die Stiftung damals bei Weitem nicht mehr über ausreichend Kapital verfügte, um die Nervenheilanstalten Rosenhügel und Maria-Theresien-Schlössel gemeinnützig zu betreiben. Das wäre unmöglich gewesen. Man hat ja auch schon in den 1920er Jahren, vom ursprünglichen Stiftungszweck abweichend, Gebühren verlangt - das muss man ja auch wissen -, weil es vom Stiftungszweck nicht mehr möglich gewesen wäre, das anders zu betreiben. Und die Stadt Wien hat im Jahr 1956 in Ehren des Stifters beschlossen, die Stiftung wiederherzustellen und den Betrieb der Nervenheilanstalten durch Zuwendungen der Stadt Wien sicherzustellen. Die Stadt Wien hat in der gesamten Geschichte dieser Stiftung außerordentlich viele Zuwendungen gemacht. Also da herzugehen und zu sagen, sie hätte sich Vermögen aus der Stiftung einverleibt, ist eine Unwahrheit, die ich in diesem Haus in dieser Schärfe und mit diesem Vorsatz noch nicht erlebt habe! (Beifall bei der SPÖ.) Das an den Herrn Wiederkehr.

 

Gehen wir in der Geschichte weiter. 1962 kam es dann zur Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Hier wurde ein Vergleich zwischen der Stiftung und der Stadt Wien geschlossen. 1963 wurde ein Übereinkommen zum Fortbetrieb der Krankenanstalten abgeschlossen, wonach „die beiden Nervenheilanstalten dem Stiftungszweck entsprechend

 

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