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Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 30

 

lich schon eine schlechte Idee, aber wie, sehr geehrte Damen und Herren, kann man auf die Idee kommen, mitten in der Corona-Krise eine solche Diskussion loszutreten? Das schafft zusätzliche Verunsicherung, soziale Absicherung schafft es sicherlich nicht. Warum braucht es Geldleistungen? - Weil Sachleistungen den Nachteil haben, dass sie paternalistisch wirken. Geldleistungen, natürlich in Kombination mit Sachleistungen, stellen zumindest ein gewisses Maß von Autonomie, von Selbstbestimmung her. Es geht darum, sehr geehrte Damen und Herren, dass der Sozialstaat den Armutsbetroffenen nicht durch all seine Leistungen ausrichtet, wir wissen besser, was gut für dich ist und was nicht.

 

Es geht darum, dass Sozialpolitik nicht bevormundet, sondern ermächtigt, dass unser Sozialsystem nicht Abhängigkeiten verstärkt, sondern Emanzipation ermöglicht, und es geht darum, Armutsbetroffene nicht als Untertanen, sondern als BürgerInnen dieser Stadt zu sehen.

 

Ich habe mich ja bei der Vorbereitung zu dieser Rede gefragt: Wie passt der Liberalismus der NEOS eigentlich mit diesem Paternalismus zusammen? Wie passt das zusammen, Freiheit und Bevormundung? - Es passt zusammen, wenn man nicht die Freiheit des arbeitssuchenden Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin in den Mittelpunkt stellt, sondern wenn man viel mehr die Position der Freiheit der ArbeitgeberInnen auf der Suche nach funktionierendem Humankapital vertritt. Das ist dann halt eher ein wirtschaftsliberaler als ein solidarischer Freiheitsbegriff.

 

Wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, ist, dass die SPÖ in ihrer Sozialpolitik nicht endlich von dem Zugang abrückt, alles besser zu wissen als die Armutsbetroffenen selbst. Wir reden bei der Mindestsicherung nicht über ein bedingungsloses Grundeinkommen, im Gegenteil. Der Zugang zur Mindestsicherung wird schon jetzt viel zu restriktiv gehandhabt. Es ist de facto ein Zwang zur Sachleistung vorgesehen, jede und jeder Arbeitsfähige müssen nicht nur dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sondern auch an angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen des AMS mitwirken, um keine Bezugssperre zu bekommen. Die Zahl der Sperren hat sich seit den 90er Jahren vervielfacht, das wissen Sie. Wir ziehen den solidarischen Freiheitsbegriff dem paternalistischen Solidaritätsbegriff vor, sehr geehrte Damen und Herren. Die Mindestsicherung in Wien liegt aktuell für einen Ein-Personen-Haushalt bei 917 EUR, die Armutsgefährdungsschwelle laut EU-SILC liegt aktuell bei 1.286 EUR. Vor diesem Hintergrund wäre eher ein Ausbau der Mindestsicherung anzustreben, sehr geehrte Damen und Herren, in jeden Fall aber keine Kürzung von Geldleistungen.

 

Deshalb stellen wir den Antrag, die im Wiener Mindestsicherungsgesetz normierten Geldleistungen zu erhalten beziehungsweise auszubauen. Stimmen Sie dem Antrag zu, sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie klar, dass keine Geldleistungen gekürzt werden und es sich nur um eine Einzelmeinung handelt, dass das geplant ist.

 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke vielmals für die geschätzte Aufmerksamkeit und hoffe auf Unterstützung unseres Antrags. - Frohe Weihnachten.

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abg. Emmerling. Bitte.

 

11.55.14

Abg. Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Ja, ich wollte Ihnen ja eigentlich nicht den Gefallen tun, dass ich hier auf Zuruf noch einmal rausgehe, weil ich glaube, wir haben zum Thema Mindestsicherung in den letzten Wochen - und auch wenn ich an die Jahre zurückdenke - genug gesagt. Wir haben uns nämlich als NEOS immer schon hinter die Wiener Entscheidung gestellt, da nicht mit Ihrem Vorschlag mitzugehen, weil unsere Solidarität nicht von der Herkunft abhängig ist, nicht von den Sprachkenntnissen abhängig sein wird und auch nicht von einer Kinderanzahl, wie Sie das ursprünglich wollten.

 

Wir werden das in keiner Weise mittragen wollen und auch nicht mittragen. Es wird bezüglich Mindestsicherung - Sie haben es sicher im Koalitionspapier gelesen - einiges evaluiert und noch auf den Weg gebracht, unter anderem die Richtwertekommission. Aber weil Sie auch den Begriff der Hüter der Verfassung hier bemüht haben, Herr Kollege: Vielleicht schaffen Sie - als Bundesregierung - es auch einmal, Gesetze auf den Weg zu bringen, die der VfGH nicht gleicht aufheben muss. - Vielen Dank.

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: So, vielen Dank, es liegt nun keine weitere Wortmeldung vor. Ich erkläre die Verhandlung für geschlossen und erteile dem Berichterstatter … Der Berichterstatter verzichtet.

 

11.57.07Damit kommen wir nun zur Abstimmung über die Gesetzesvorlage. Ich bitte jene Mitglieder des Landtages, die der Vorlage einschließlich Titel und Eingang zustimmen wollen, die Hand zu heben. - Das ist mit Stimmen von Grün, SPÖ, NEOS, FPÖ und ÖVP einstimmig beschlossen. Das Gesetz ist somit in erster Lesung angenommen.

 

Es liegen Resolutions- und Beschlussanträge vor.

 

Antrag 1, eingebracht von den Freiheitlichen zum Thema Änderung des Wiener Mindestsicherungsgesetztes. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das ist die F und sonst niemand, damit ist dieser Antrag abgelehnt.

 

Antrag 2, eingebracht von der neuen Volkspartei, betreffend Umsetzung Ausführungsgesetz Sozialhilfe. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind ÖVP, FPÖ gegen SPÖ, NEOS und Grüne. Der Antrag hat nicht die notwendige Mehrheit.

 

Antrag 3, eingebracht von den GrüneN, zum Thema keine Kürzung von Geldleistungen aus dem Wiener Mindestsicherungsgesetz. Wer für diesen Antrag ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind die Grünen und sonst niemand gegen ÖVP, FPÖ, NEOS und SPÖ. Dieser Antrag ist abgelehnt.

 

Das Gesetz ist in erster Lesung wie gesagt angenommen, ich schlage vor, die zweite Lesung dieser Gesetzesvorlage sofort vornehmen zu lassen. Ich bitte daher jene Mitglieder des Landtages, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen mit der Hand. - Das ist einstimmig so beschlossen.

 

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