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Landtag, 36. Sitzung vom 29.03.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 52

 

Zum zweiten Teil Ihrer Anfrage: In Bezug auf weitere Fälle hat man mir mitgeteilt, dass im Pflichtschulbereich in den letzten fünf Jahren keine Lehrkraft wegen Mobbing entlassen wurde.

 

Ich möchte das aber zur Gelegenheit nehmen, auf zwei sehr grundsätzliche Entwicklungen zu sprechen zu kommen, zwei Diskurse um Themenbereiche herum, um Vorstellungen herum, die, wie ich glaube, sehr negativ sind für die Entwicklung unserer Kindergärten, unserer Schulen, unseres Bildungssystems.

 

Zum einen ist es die wachsende Vorstellung Einzelner in dieser Republik, dass es Kinder oder Jugendliche gibt, die nicht passen, die man nur herausfinden muss, damit man sie dann hinaushauen kann, entweder indem man Testmodelle häufiger stattfinden lässt und noch enger schraubt, um dann segregative Bildungsräume zu schaffen, wo man sozusagen diejenigen, die nicht passen, hinschieben kann. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass jedes Kind passt und dass jedes Kind und jeder Jugendliche das Recht haben zu lernen und auch das Recht haben, dabei bestmöglich gefördert zu werden. So, wie es sich die Lehrerinnen und Lehrer in unseren Schulklassen nicht aussuchen können, welche Kinder passen und welche Kinder nicht passen, sondern den Auftrag haben, jedes einzelne Kind zu fördern und jedes einzelne Kind dabei zu unterstützen, ob es sein oder ihr Potenzial auch wirklich ausschöpfen kann, kann es sich auch ein Bildungspolitiker oder eine Bildungspolitikerin, auch der Bildungsminister, nicht aussuchen, ob Kinder passen oder nicht.

 

Das zweite Thema, das mir in diesem Diskurs sehr wichtig ist, ist, und darauf weise ich jetzt noch einmal hin, dass man Konflikte in Schulen, die es selbstverständlich gibt, weil Schulen sind Teile der Welt und auch Konflikte sind Teile der Welt, nicht aus politischen Gründen hochstilisieren soll zu Kämpfen Lehrer gegen Schüler, Schüler gegen Lehrer, Lehrer gegen Eltern. Vor ein paar Wochen waren es die gewalttätigen Schülerinnen und Schüler. Jetzt wird ab und an unreflektiert auf Lehrkräfte hingehaut. In ein paar Tagen fürchten sich sicherlich wieder alle vor kleinen Mädchen, die Kopftuch tragen. Im Anschluss übertreffen sich dann dieselben Personen mit Forderungen nach noch härteren Strafen, noch strengeren neuen Vorschriften, höheren Geldstrafen für Eltern und Sicherheitsschleusen an den Schulen. Dabei ist doch allen klar, besonders denen, die an den Kindern, an den Jugendlichen dran sind, Konflikte müssen gelöst werden, man kann sie sich nicht wegwünschen.

 

Daher haben wir in den letzten Wochen und Monaten sehr viel getan, um die Lehrerinnen und Lehrer noch mehr dabei zu unterstützen. Wir haben die neuen Schulkooperationsteams auf die Reise gebracht, die sich an der Schnittstelle zwischen Schule und Sozialarbeit bewegen und dafür da sind, eine Hilfestellung zu bieten, eine Hilfestellung für die Pädagoginnen und Pädagogen, aber natürlich auch eine Hilfestellung für die Schülerinnen und Schüler.

 

Genauso wie die Hotline für LehrerInnen in der Bildungsdirektion, die sicherstellen soll, dass der Ruf nach Hilfe, der Ruf nach Rat, keinen Dienstweg kennt, das offene Ohr keinen Dienstweg kennt und dass unbürokratisch bei Konflikten im Klassenzimmer auch geholfen werden kann. Selbstverständlich, und das zeigen auch die Anrufe dieser Hotline, richten sich auch viele Eltern an diese Nummer, um Unterstützung zu bekommen, Rat zu bekommen, in Situationen, wo sie glauben, es geht ihren Kindern nicht gut.

 

In die gleiche Kerbe schlägt die Bildungsombudsstelle in der Kinder- und Jugendanwaltschaft, die neu geschaffen wurde. Damit gibt es eine neue oder eine zusätzliche unabhängige Anlaufstelle für Eltern und Kinder und Jugendliche. Die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendanwaltschaft können auf Wunsch auch direkt in den Bildungseinrichtungen aktiv werden, können im Sinne einer Mediation mit allen Beteiligten an Konfliktlösungen arbeiten.

 

Natürlich sind diese drei geschilderten neuen Initiativen Hand in Hand gehend mit den vielen Einrichtungen und vor allem auch den vielen Menschen, die jetzt schon daran arbeiten, dass Konflikte eben gelöst werden und nicht zu Kämpfen hochstilisiert werden. Das sind die Psychagoginnen und Psychagogen, die Begleitlehrerinnen und Begleitlehrer, die viele Peer-Mediationsschwerpunkte an einzelnen Schulen, Rahlgasse zum Beispiel, und natürlich auch viele Dinge im Umfeld der LehrerInnenfort- und -weiterbildung.

 

Ich bin überzeugt, und das sage ich hiermit sozusagen zuletzt noch einmal, weil ich glaube, das ist die Klammer in dieser ganzen Diskussion, dass Konflikte in Bildungseinrichtungen nicht gelöst werden können, wenn man sie hochstilisiert oder medial ausschlachtet, sondern eben, wenn man vor Ort aufeinander zugeht und gemeinsam für das Wohl des Kindes arbeitet. Ich weiß aus vielen Gesprächen und aus meiner eigenen Erfahrung in der Bildungsverwaltung und in der Bildungspolitik, das ist harte Arbeit. Deshalb möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, allen Beteiligten im Bildungswesen einen wirklich großen Dank und den vollen Respekt dieses Hauses dafür auszusprechen, für die Arbeiten, die sie leisten, diese tagtägliche Arbeit in den Wiener Schulen und Kindergärten! Dafür ein Dankeschön! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN sowie von Abg. Christoph Wiederkehr, MA.)

 

Präsident Ernst Woller: Die 1. Zusatzfrage wird gestellt von Frau Abg. Schwarz. Ich erteile ihr das Wort.

 

9.34.47

Abg. Sabine Schwarz (ÖVP): Guten Morgen, Herr Stadtrat!

 

Wir lesen auch aus der Anfrage von Herrn Wiederkehr, dass das erste Bekanntwerden 2013 war. Also wir reden von einer sehr langen Dauer der Mobbingvorwürfe.

 

Meine Frage ist: Gibt es eine Erhebung, wie lang sozusagen im Durchschnitt bei anderen, es gibt ja mehrere oder öfters, nicht zu oft, aber doch immer wieder, Mobbingvorwürfen - ich bin jetzt immer sehr vorsichtig mit der Sprache - so ein Prozess dauert, von dem ersten Vorwurf des Mobbings bis zum Handeln der Bildungsdirektion? Gibt es hier eine Erhebung? Und warum dauert das so lange?

 

Präsident Ernst Woller: Bitte, Herr Landesrat.

 

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