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Landtag, 33. Sitzung vom 19.12.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 46

 

Unsicherheit und diese Angst, die Sie aber bewusst zusätzlich noch schüren, ist gleichzeitig auch der Treibstoff Ihrer Politik. Und genau das ist der Punkt, und genau deshalb ist dieser Diskurs auch im Wiener Landtag so wichtig! Die Frage, wohin steuert dieses Europa, wird sich nämlich an genau dieser Antwort messen. Die ursprüngliche Idee der Europäischen Union, das wissen Sie alle, war in erster Linie vor allem nach den verheerenden Kriegen die Friedenssicherung durch politische, soziale, aber auch wirtschaftliche Integration. Nationalistische Ideologien, man kann es gar nicht oft genug wiederholen, lösen nicht die Herausforderungen, die sich jetzt aktuell stellen, sondern sie messen sich daran, wie schnell sie dieses Europa, dieses Friedensprojekt jetzt unterwandern.

 

Und das ist genau unsere größte Herausforderung Nummer 2, nicht nur ein sozial gerechtes Europa, nicht nur ein ökologisches Europa, nicht nur ein menschenrechtswürdiges Europa zu schaffen, sondern auch noch die Konfrontation mit den Rechtsautoritären, mit den Antieuropäern aufzunehmen, die dieses Europa zerstören wollen und die keinerlei Antworten darauf liefern, und das haben wir in den Reden gehört, sondern nur verkürzte Populismen an den Tag legen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Kommen wir kurz auf die Performance Österreichs bei der EU-Ratspräsidentschaft zurück. Da ging es tatsächlich nur und fast ausschließlich um Effekthascherei, und diese Effekte sind aber für die gesamte Europäische Union verheerend. Unser sozialer Kurs der Bundesregierung in Österreich wirkt sich nämlich genauso auf die Schwächung der Sozialunion aus, die wir gerne ausbauen würden. Schwarz-Blau hat sich hier während der EU-Ratspräsidentschaft als Brückenbauer zwischen den Mitgliedsstaaten verkauft, war aber de facto und sehr oft nur Sprengmeister. Der Schutz der Beschäftigten vor Armut, Ausbeutung oder Sozialdumping hat in den letzten sechs Monaten während dieser EU-Ratspräsidentschaft überhaupt keine Rolle gespielt. Besondere Tiefpunkte wären noch zu erwähnen wie zum Beispiel die Familienbeihilfenindexierung, der Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, der Kniefall vor Autokraten wie Putin oder Orbán, aber natürlich auch ein Totalversagen in der Klimapolitik. Türkis-Blau will weiters die EU durch ein abgemagertes Budget schwächen. Gleichzeitig soll die Rüstungsindustrie in den nächsten Jahren 13 Milliarden EUR erhalten. Zum Vergleich: Bis 2020 fehlen in der Klimapolitik 7 Milliarden EUR. Hier hat sich Österreich nicht dafür stark gemacht, im Gegenteil. Wir wissen, dass in dieser Regierung sogar Klimaleugner in Funktionen sitzen.

 

Der Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt, auch das war heute Thema, geehrte Herren - ich sehe in Ihren Reihen keine Damen -, während der EU-Ratspräsidentschaft, ich wiederhole, während einer EU-Ratspräsidentschaft, wurde auch nicht nur vom Rest der Welt überhaupt nicht verstanden, sondern Sie müssen sich schon damit konfrontieren, dass diese Kritik nicht nur von Rot-Grün kam, sondern auch von einem Franz Fischler, ÖVP, auch von den Liberalen in der EU, auch von einer CDU! Mit denen sollten Sie vielleicht auch einmal auf europäischer Ebene reden, bevor Sie sich weiterhin als Österreich einigeln. Jedenfalls war die Sprache von engstirnigem Egoismus, der die Position der EU schwächt, und genau das ist auch ein wichtiger Punkt. Wir werden uns als Europäische Union gegenüber China und USA nur behaupten können, wenn wir uns auf gemeinsame Lösungen einigen. Und das boykottieren Sie! Die ganze Zeit boykottieren Sie das und versuchen, über Populismen politisches Kleingeld in Österreich zu schlagen. Das ist das Problem von Ihnen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich nenne Ihnen dafür gerne ein Beispiel. Sie haben sich nämlich nicht um die Migration und Bildung auf europäischer Ebene gekümmert, aber haben immerhin in Österreich ein Kopftuchverbot in Kindergärten eingeführt, zwar eben nicht europaweit, aber immerhin für die acht Mädchen, die es in Österreich betreffen könnte. Das ist deshalb ein gutes Beispiel, weil es so symbolträchtig für Ihre Politik ist und weil es Ihnen nicht darum geht, dieses Europa gemeinsam zu gestalten, sondern weil Sie sich einen Rückfall in alte Nationalismen wünschen. Das ist die große Gefahr für dieses Europa (Aufregung bei Abg. Mag. Manfred Juraczka.) und - ja, Sie können sich dann gerne zu Wort melden - ich denke schon, dass die FPÖ langsam ihre Positionierung in Bezug auf Europa überdenken müsste. Wenn man sich nämlich im Regierungsprogramm zu diesem Europa bekennt, auf der anderen Seite aber mit Marine le Pen und den Antieuropäern gemeinsame Politik macht, dann geht sich das einfach nicht aus. Dann ist das schizophren, dann ist das widersprüchlich und das ist auch nicht glaubwürdig, was Sie hier machen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Europas Versprechen erneuern, ist etwas, was wir tun wollen. Wir müssen diese Herausforderungen nicht nur aussprechen und ernst nehmen, sondern wir müssen dieses Versprechen auf Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat genauso wie auf sozialen Ausgleich, Gleichberechtigung und die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen in Europa, spätestens rund um die Europawahl erneuern. Gelingt uns das nicht, dann wird sich dieses Friedensprojekt leider rückentwickeln, und das ist weder für Österreich gut noch für die anderen Mitgliedsstaaten. Wir wissen nämlich, dass die Herausforderungen, die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Krieg, Frieden, ein wildgewordener Kapitalismus, der uns in seinen Ausprägungen bedroht, weil wir darüber keinerlei Kontrollen mehr haben, größer sind als die nationale Steuerkompetenz ist. Dann müssen unsere Antworten transnational sein, und auch Sie werden das nicht verneinen. Und die Macht der multinationalen Konzerne wird immer wieder ins Treffen geführt: Unfaire Dumpingwettbewerbe auf Kosten von Kleinunternehmen, ArbeitnehmerInnen oder Verbrauchern. Auch da wissen Sie, dass man das nur lösen und eindämmen kann, wenn wir dafür hier überstaatliche Lösungen finden und nicht nationalistisch geprägte Ideologien hier im Vordergrund stehen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ein weiterer Punkt ist die Armut in Europa. Auch da werden Sie mir recht geben müssen, auch die Kollegen

 

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