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Landtag, 26. Sitzung vom 28.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 84

 

17.226 Verfahren sind neu anhängig gemacht worden. 8.724 Verfahren wurden aus dem Jahr 2016 übernommen. Die Gesamtbelastung ist um 10 Prozent gestiegen.

 

Beim Thema Justizverwaltung findet sich auch ein Hinweis auf eine gewisse Reibung mit dem Präsidenten. Da wird daran erinnert, dass der Präsident ja seit dem Jahr 2016 Dienstbehörde ist, und dieser Präsident entscheidet über die Anrechnung von Vordienstzeiten und über den Vorrückungsstichtag. Es sind in einer Reihe von Verfahren bereits Beschwerden vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig.

 

Die Anzahl der Erledigungen ist ebenfalls gestiegen, sowohl bei den Richtern als auch bei den Rechtspflegern. Trotzdem ist es in 311 Strafverfahrenssachen zur Verjährung gekommen.

 

Der Ausblick, den uns das Gericht gibt, ist wenig erfreulich. Es ist damit zu rechnen, dass die Verfahren noch weiter zunehmen werden, insbesondere bei den Themen Niederlassungs- und Aufenthaltsverfahren, Staatsbürgerschaftsverfahren und Mindestsicherungsverfahren.

 

Es werden nun die Doppelstaatsbürgerschaften geprüft, österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaften. Es ist zu befürchten für den Fall, dass sehr viele Feststellungsverfahren so ausgehen, dass die österreichische Staatsbürgerschaft verloren wird, dass es dann aufwändige Beschwerdeverfahren auch vor dem Verwaltungsgericht geben wird.

 

Zu guter Letzt gibt es noch einmal eine Kritik an der monokratischen Justizverwaltung. Die Richter sagen, dass den Richtern ein Vorwurf aus den verjährten Verfahren gemacht wird. Wörtlich heißt es da, auch in einer ungewohnten Klarheit und Deutlichkeit: „Bedauerlicherweise wird seitens der monokratischen Justizverwaltung versucht, die durch die strukturelle Überlastung des Gerichtes verursachten Verfahrensverzögerungen und Fristüberschreitungen in Verfahren einzelnen Richtern zum Vorwurf zu machen und mit nie dagewesenen dienstrechtlichen Maßnahmen unter Einleitung von Disziplinarverfahren zu reagieren. Über diese Maßnahmen und die daraus resultierenden Eingriffe in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird detailliert im nächsten Tätigkeitsbericht informiert werden.“

 

Also, das sind schon starke Worte! Wir haben seit vielen Jahren diesen Hilfeschrei der Richter vernommen, dass es mit den Planstellen eigentlich nicht mehr zu schaffen ist und dass jetzt mit nie dagewesenen dienstrechtlichen Maßnahmen reagiert wird und mit Disziplinarverfahren.

 

Ich glaube, was man jetzt versuchen müsste zu erreichen, das ist eine Planstellenaufstockung. Denn natürlich ist es für das Verwaltungsgericht Wien nicht so leicht wie für die Wiener Feuerwehr - das haben wir ja auch schon beim Bericht des Stadtrechnungshofes debattieren können -, über den Dienstpostenplan hinaus Personal zu beschäftigen. Bei der Feuerwehr haben wir festgestellt, dass im Dienstpostenplan zwar nur 44 Mitarbeiter vorgesehen, aber 47 beschäftigt waren.

 

Herr Präsident, so leicht wie die Wiener Feuerwehr werden Sie es nicht haben! Bedauerlicherweise ist dort die Magistratsdirektion großzügiger. Aber vielleicht probieren Sie es auch einmal mit 88 Richtern, was da der Magistratsdirektor zu Ihnen sagen wird, und sagen Sie: Es gibt schon ein sehr positives Beispiel dafür im Bereich der Wiener Feuerwehr. Aber Spaß beiseite, die Angelegenheit ist eigentlich zu ernst. Es wird Ihnen nicht gelingen, es wäre aber dringend notwendig.

 

Es wäre dringend notwendig, die Unabhängigkeit, die das Verwaltungsgericht Wien braucht, auch sicherzustellen, in personeller und in finanzieller Hinsicht. Das ist eine unglaublich wichtige Aufgabe, die dort passiert, und ich glaube, dass dieses Gericht Anspruch darauf hat, dass es eine entsprechende Unterstützung vom Land gibt. Ich denke mir, sehr lange wird man jetzt nicht mehr zuwarten können. Das ist der dramatischste Aufschrei in diesem Tätigkeitsbericht, aber wir haben die Aufschreie auch schon in den Tätigkeitsberichten davor gehört.

 

Auch wenn das Rederecht der Kinder- und Jugendanwaltschaft jetzt beim letzten Tagesordnungspunkt etwas ambivalent beurteilt wurde, bekenne ich mich dazu, dass der Herr Präsident des Verwaltungsgerichtes jetzt sein Rederecht auch hier im Landtag bekommt. Vielleicht wird dann seine Stimme so laut, dass es auch die Magistratsdirektion vernimmt. Denn so ein papierener Bericht ist hier vielleicht etwas unauffälliger als das gewichtige Wort eines Gerichtspräsidenten. Wir stimmen daher dem geplanten Rederecht des Präsidenten zu.

 

Dem Initiativantrag werden wir nicht zustimmen; nicht deshalb, weil da nicht grundsätzlich auch etwas Vernünftiges drinsteht, aber in dieser Situation, wo die Richter derart belastet sind, wo sie befürchten, dass man disziplinär gegen sie vorgeht, obwohl sie gar nichts dafür können - in dieser Situation die Disziplinargewalt von den Richtern wegzunehmen, woanders hinzugeben und dem Präsidenten Rechte einzuräumen (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Das hat der Verfassungsgerichtshof vorgegeben ...), das ist etwas, was von mir in dieser Situation zum jetzigen Zeitpunkt nicht mitgetragen wird.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Hören Sie den Aufschrei und den Hilfeschrei des Verwaltungsgerichtes Wien! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Ellensohn.

 

Ich erlaube mir noch die kurze Anmerkung, weil ich es zuvor vergessen habe: Selbstverständlich sind die Punkt 9 und 10 der Tagesordnung ebenfalls Bestandteil dieser Diskussion. So haben wir es in der Präsidiale vereinbart. Die Abstimmungen selbst erfolgen dann getrennt.

 

Herr Kollege! Sie sind nunmehr am Wort. - Bitte.

 

17.00.30

Abg. David Ellensohn (GRÜNE)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident des Verwaltungsgerichts!

 

Uns liegt im Vergleich zu den Vorjahren ein schmaler Tätigkeitsbericht für das Jahr 2017 vor. Das hat, glaube ich, weniger damit zu tun, dass Sie zu wenig zu tun haben, worüber Sie berichten können. Das Gegenteil ist der Fall: Im Jahr davor gab es 15.995 Fälle, im Jahr

 

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