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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 89

 

Wir haben aus diesem Grund auch immer einen Psychiatriekoordinator und die Erhöhung der Anzahl der Kassenstellen im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie natürlich auch die Anhebung des seit 1992 unverändert geltenden Tarifs für Psychotherapie auf Krankenschein gefordert.

 

Wir werden aber heute nicht diese Themen, die wir regelmäßig aufgreifen, noch einmal einbringen, sondern einen Antrag einbringen, in dem wir kurzfristige Maßnahmen vorschlagen und zwar aufbauend auf dem Antrag, der von den Regierungsparteien kommt, dem wir auch gerne zustimmen. Aber dieser Antrag geht uns nicht weit genug. Wir möchten weitergehen und bringen daher heute den Beschlussantrag für den raschen Ausbau der Bettenkapazitäten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein, für den Ausbau des ambulanten und tagesklinischen Versorgungsangebots sowie die Setzung effektiver Maßnahmen zur Forcierung der Ärzteausbildung in diesem Bereich und, so wie es auch meine Kollegin Korosec heute schon angesprochen hat, für einen Ausbau der Angebote für pflegende Angehörige von Demenzkranken zur stundenweise Betreuung in Wohnortnähe. Ich bitte Sie alle, werte Kolleginnen und Kollegen, unserem Antrag in diesem wichtigen Anliegen heute zuzustimmen.

 

Der zweite Teilbereich, den ich ansprechen möchte, ist die Mindestsicherung. Wir werden ja heute auch noch zur Genüge über die Mindestsicherung sprechen. Es ist aber nicht nur damit getan, dass wir uns überlegen, wie soll die Mindestsicherung besser geregelt werden, das werden wir heute auch noch tun, sondern was die Volksanwaltschaft aufgedeckt hat, das sind die Mängel im Vollzug. Da gibt es Vorkommnisse wie eine zu Unrecht verweigerte Mindestsicherung oder eine falsche Berechnung des Einkommens beziehungsweise der Höhe der Mindestsicherung oder eine Zurückforderung, die zu Unrecht gemacht wurde. Dann hören wir auch immer wieder, dass Anträge teilweise irrtümlich als zurückgezogen gewertet werden beziehungsweise die Kommunikation mit dem Antragsteller bezüglich fehlender Unterlagen mangelhaft ist. Die Volksanwaltschaft fordert, und wir möchten uns hier anschließen, dass die Mitarbeiter gründlich eingeschult werden, dass sie laufend weitergebildet werden. Ich glaube, das ist selbstverständlich und eigentlich auch wieder nicht, wenn im sechsten Jahr des Bestehens der Mindestsicherung immer noch diese Kinderkrankheiten zu finden sind. Wir glauben, es braucht eine tiefgreifende Reform im Vollzug, das heißt, von einer besseren Schulung bis hin zur Verkürzung der Verfahrensdauer, der besseren Kommunikation mit den Antragstellern, und so weiter. Das Thema Vollzug der Mindestsicherung werden wir ja heute noch ausführlicher besprechen.

 

Und jetzt ein dritter Teilbereich, der in unseren Diskussionen im letzten Jahr eigentlich viel zu kurz gekommen ist. Die Volksanwaltschaft weist darauf hin, und ich habe das dann auch noch in der Tiefe selber nachrecherchiert und auch sehr genau gelesen, dass Wien die Forderungen des Antifolterkomitees des Europarats eigentlich nicht sehr ernst nimmt. Ich kann Ihnen kurz zur Genese sagen, was da geschehen ist, und dann habe ich auch noch ein paar Zitate mitgebracht, die eigentlich erschreckend sind. Also worum geht es? Der Europarat hat ein sogenanntes, verkürzt ausgedrückt, Antifolterkomitee. Die korrekte und vollständige Bezeichnung dieses Gremiums lautet Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Dieses Komitee hat im Jahr 2014 Österreich besucht und zwar genau vor zwei Jahren im September, Anfang Oktober, und hat dann einen Bericht veröffentlicht, der am 6. November 2015 erschienen ist. Das war unmittelbar vor der Konstituierung des Wiener Landtages nach der letzten Landtagswahl. Vielleicht war es auch schon vor dem ersten Zusammentritt des Landtages, aber ich habe zumindest diese Diskussion nicht unmittelbar wahrgenommen, und ich glaube, wir hätten sie bereits damals schon führen müssen. Dieses Antifolterkomitee hat Einrichtungen besucht, Anstalten, wo Menschen auch zwangsweise festgehalten werden. Das sind unter anderem Gefängnisse, aber auch psychiatrische Kliniken, wo eben aus medizinischen Gründen Unterbringungen erfolgen müssen. In diesem Bericht, der ungefähr 60 Seiten hat, kommt das Otto-Wagner-Spital 26 Mal vor, und ich darf Ihnen gleich mein erstes Zitat vorlesen. Das ist nämlich, wenn es nicht so traurig wäre, beinahe lustig. Hier schreibt das Komitee des Europarats: „Während des gesamten Besuchs in Österreich erfuhr die Delegation sehr gute Zusammenarbeit sowohl von den nationalen Behörden als auch vom Personal der besuchten Einrichtungen, mit einer Ausnahme. Diese Ausnahme betrifft die psychiatrische Abteilung des Otto-Wagner-Spitals, wo die Delegation wiederholt maßgeblichen Widerständen und manchmal auch unkooperativem Verhalten des Personals begegnete. Bei Ankunft im Spital wurde der Delegation von der Spitalsleitung mitgeteilt, dass sie mit Patienten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des behandelnden Psychiaters sprechen dürfe. Es wurde offensichtlich, dass die Geschäftsführung kurz vor dem Besuch in einer internen Anweisung das gesamte medizinische Personal und das Pflegepersonal über diese Einschränkung informiert hatte.“ Wir haben gestern über den Whistleblower gesprochen. Das passt vielleicht auch recht gut zum Thema. Dann schreibt das Antifolterkomitee weiter, man habe um eine möglichst kurzfristige Liste der Patienten gebeten, die gegen ihren Willen im Spital festgehalten werden. Dazu schreiben die Delegationsmitglieder über diese Liste: „Ungeachtet unserer Bitte erhielten wir nur eine Liste aller nichtgerichtlich eingewiesenen Zivilpatienten“ - also nur eines Teils der Patienten - „und diese auch erst am späten Nachmittag, das heißt mehr als sieben Stunden später.“ Also man kann sich vorstellen, die Delegation vom Europarat sitzt da, wartet im Otto-Wagner-Spital und erfährt keine Kooperation. Dann haben sie schriftliche Informationen bekommen, die unrichtig, unverständlich und unvollständig waren. Also kurz zusammengefasst heißt es in diesem Bericht: „Die oben erwähnten Vorkommnisse stellen einen ungeheuerlichen Mangel an Kooperation von Seiten der Spitalsleitung und des Personals dar.“ Und ich sage einmal, auf Facebook gibt es

 

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