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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 89

 

haben wir immer wieder einen Mangel genau in diesen Berufsgruppen.

 

Ich muss nur eines dazusagen, und das ist mir sehr aufgefallen: Der PSD hat im Sommer diesen Versorgungsplan ganz groß im Rathaus extra präsentiert, und es war erstaunlich, wie wenig von unseren eigenen Mandatarinnen und Mandataren aus allen Fraktionen sich dafür interessiert haben und dazu auch Fragen gestellt haben.

 

Was das Gesundheitssystem alleine nicht bewerkstelligen kann, ist, auch im öffentlichen Bewusstsein dafür zu sorgen, dass diese Erkrankungen von dem Stigma befreit werden. Es darf nicht sein, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung nicht darüber reden dürfen, nicht an ihrem Arbeitsplatz darüber reden dürfen, weil sie Gefahr laufen, unter Umständen Nachteile dadurch zu erleiden.

 

Um noch einmal ganz kurz auf diese spezielle Situation von traumatisierten, geflüchteten Menschen zu kommen: In Migrantinnen- und Migrantenberatungen, in Flüchtlingsberatungen, in Flüchtlingsunterkünften muss es eine psychische Betreuung geben, um bereits im Vorfeld darauf zu achten, wenn Menschen durch Traumatisierung in eine psychische langfristige Erkrankung rutschen.

 

Um Ihnen die Sorge zu nehmen, dass der Prozess der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung aus dem Ruder laufen könnte: Ein gut aufgesetztes Monitoring, transparente Strukturen und transparente Finanzierung sind eine Selbstverständlichkeit. Dafür braucht es neben dem guten Willen Geld. Dieses Geld ist die einzig wirklich richtige Investition, um diesen Versorgungsplan zu unterstützen. - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Präsidentin Veronika Matiasek: Danke. Als Nächster ist Herr Abg. Dr. Koderhold zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.

 

10.55.25

Abg. Dr. Günter Koderhold (FPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich freue mich an sich sehr über diese Aktuelle Stunde, weil sie eine grundsätzliche Thematik beinhaltet und auch den Unterschied zwischen bürokratischer Theorie und medizinischer Praxis. Einleitend noch zur Psychiatriereform: Ich habe sehr gute Bekannte, die maßgeblich daran mitgearbeitet haben, auch etwas persönlich erlebt. Es ging ja nicht nur um extramurale Behandlung, sondern vor allem um Selbstkritik, um Offenheit, um die Möglichkeit, jede Behandlung, jede Begutachtung eines psychiatrischen Patienten jederzeit zu hinterfragen und offenzulegen.

 

Bei den psychiatrischen Erkrankungen, deren Behandlung wir großen Respekt abverlangen, gibt es wohl wie bei keinem anderen medizinischen Bereich eine Dissonanz zwischen der Logik der Ökonomie und der Logik der Medizin. Wir haben, ich sehe das selber in der Onkologie, in der Krebsmedizin, in der Medizin Bereiche, die sehr erfolgsorientiert sind: Man hat eben einen Patienten mit einem Leiden, mit einem schweren Leiden, man behandelt ihn, das Leiden ist weg, der Patient ist geheilt. Es ist eine sehr enge Korrelation zwischen der Möglichkeit, eine Leistung zu verrechnen, und den Benefit des Patienten zu dokumentieren. Dies findet sich bei psychiatrischen Erkrankungen nicht.

 

Wir haben nun einmal bei medizinischen Berufen die Logik der Fürsorge, die Logik, sich mit den Patienten zu konfrontieren, die mit der Logik der Ökonomie nicht in Einklang gebracht werden kann. Jetzt ist es grundsätzlich sinnvoll und auch notwendig, den Spitalsbetrieb auch kostenbewusst zu führen. Wenn man mit Hochpreismedikamenten oder teuren Großgeräten arbeitet, wird es auch gar nicht anders gehen. Nur kann man die Fürsorge, und gerade bei psychiatrischen Erkrankungen ist die medizinische Fürsorge ein wichtiger Punkt, sicherlich nicht leistungsgerecht dokumentieren.

 

Ich persönlich sehe es als großen Fehler, psychiatrische Erkrankungen - das betrifft auch die neuen Dokumentationen im PSD - leistungsgerecht dokumentieren zu wollen. Man kann diesen Bereich nicht leistungsgerecht dokumentieren, und die ursprüngliche Abrechnung - das war ja ursprünglich eine retrospektive Abrechnung - ist sicherlich sinnhafter.

 

Dieses Missverhältnis zwischen Logik der Ökonomie und Logik der Medizin führt beim Personal, vor allem beim Personal, das mit psychiatrischen Patienten zu tun hat, zu einer emotionalen Dissonanz, zu einer, fast möchte ich sagen, Art Gehirnwäsche. Die ursprüngliche Zuwendung zum Patienten wird in eine kostenbewusste Überlegung umgesetzt.

 

Das wird vor allem durch die ELGA, die erhebliche Ausnahmeregelungen bei der Dokumentation hat, die natürlich zeitaufwändig sind, weiter verstärkt. Eine Kollegin hat mir gesagt, durch diese Ausnahmeregelungen muss sie in fast drei Viertel der medizinisch-ärztlichen Zeit Dokumentation führen.

 

Grundsätzlich haben wir in der gesamten Medizin die Problematik einer totalitären Bürokratie, die sich in manchen Bereichen richtiggehend gefräßig gibt und die die wertvolle direkte medizinisch-ärztliche Zeit an Patienten weiter einschränkt. Das heißt, wir haben an sich bei dieser totalitären Bürokratie ein Doppelphänomen. Wir haben auf der einen Seite ein Fressen von Ressourcen, von Zeit, die wir an sich für die direkte Arbeit an Patienten brauchen. Einerseits haben wir eine Änderung des Berufsbildes, eine Reduktion der Logik der Medizin zu einer Logik der Ökonomie. Das heißt, wir haben ein doppeltes Problem bei dieser ausufernden Bürokratie, die sich eigenartigerweise gerade jetzt bei psychiatrischen Erkrankungen durch die ELGA noch weiter verstärkt.

 

Grundsätzlich wäre das auch kein Problem, wenn die Gesundheitspolitik auch bei diesen Dissonanzen zuhören würde. Leider ist es ein Zeichen der Gesundheitspolitik der Gegenwart, eben nicht zuzuhören, was sich natürlich in entsprechenden Aufruhrszenarien darstellt. Auch der Neigung der Bürokratie, in der gegenwärtigen Gesundheitspolitik zu simplifizieren, steht natürlich die immer kompliziertere Entwicklung der Medizin entgegen. Man kann das komplexe biologische System Mensch nicht mit der …

 

Präsidentin Veronika Matiasek (unterbrechend): Bitte um den Schlusssatz.

 

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