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Landtag, 4. Sitzung vom 18.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 251

 

eine Gesellschaft und eine Gemeinschaft, wenn man den Ärmsten der Armen nicht hilft, sondern hergeht und sagt, die Stärksten setzen sich durch? Dafür brauchen wir Sozialdemokraten keine Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft ist dann stark, wenn man den Schwächsten hilft.

 

Jetzt will die ÖVP in diesem Bereich sparen. Zu welchem Preis, meine sehr geehrten Damen und Herren? Zum Preis, mehr Obdachlosigkeit zu produzieren? Wie sollen sich die Menschen, wenn man ihnen die Bedarfsorientierte Mindestsicherung wegnimmt, noch eine Wohnung leisten? Zum Preis, dass mehr Menschen betteln müssen? Wo sollen sie denn sonst das Geld herbekommen, das sie brauchen? Oder zum Preis von hungernden Kindern? Auf jeden Fall würde das der Preis für mehr menschliches Leid sein, und diesen Preis, meine sehr geehrten Damen und Herren, den sind wir Sozialdemokraten nicht bereit zu zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wenn Sie auf dieser Schiene weiterfahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, dann hat Heinrich Neisser nicht ganz unrecht, wenn er bei einem Interview meinte, die Etikette „christlich-sozial“ darf sich die ÖVP nicht mehr geben. Darüber sollten Sie nachdenken, Heinrich Neisser hat Ihnen das via Zeitung ausgerichtet, und er hat damit nicht so unrecht.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten stehen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Wir stehen dazu, dass man den Armen in der Gesellschaft hilft. Sparen wir nicht bei den Ärmsten der Armen, arbeiten wir gemeinsam gegen einen Sozialabbau! - Danke. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Ornig. - Bitte, Herr Abgeordneter.

 

10.24.07

Abg. Markus Ornig, MBA (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Es freut mich sehr, dass Frau StRin Wehsely da ist, um sich das Thema Mindestsicherung anzuhören. Bis jetzt haben wir leider relativ wenig zur Mindestsicherung gehört. Die Verhandlungen zum Finanzausgleich stehen an, und ich will diese Chance vor allem nutzen, um Vorschläge näherzubringen, um die Mindestsicherung zu reformieren.

 

Was wären die wichtigsten Reformen? - Es wurde schon kurz angesprochen, es geht um die fehlenden Erwerbsanreize - die größte Baustelle, meiner Meinung nach, bei den Mindestsicherungen. Denn nach der momentanen Regelung wird MindestsicherungsbezieherInnen bis auf geringe Freibeträge der Verdienst aus der Erwerbstätigkeit eins zu eins abgezogen, und das darf nicht sein. Ich möchte Ihnen ein kurzes Beispiel nennen: Ich habe mich vor zwei Wochen mit einem Unternehmer getroffen, der eine Promotion-Agentur hat und folgende Problemstellung genannt hat: Er hat den Auftrag eines Unternehmens, welches Haushaltsgeräte herstellt, bekommen, im Elektrohandel diese Produkte anzupreisen. Dies bei vereinzelten Wochenstunden, teilweise am Freitagnachmittag oder am Samstag zu Stoßzeiten. Dafür sucht er Mitarbeiter. Er hat es ausgeschrieben und bekommt vom AMS Leute geschickt. Sein Idealbild, wer diese Produkte verkauft, ist die klassische Mutter, die sich damit auskennt, wie man eine Waschmaschine bedient. Letztendlich machen zwar jetzt hauptsächlich Männer den Job, was auch gut funktioniert (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Die geschlechtsneutrale Aufgabe, richtig!), aber er sagt, es ist sehr, sehr schwierig, dafür Leute zu finden. Er zahlt über dem Kollektivvertrag, er macht extrem hohe Boni bei diesem Job, aber es ist trotzdem sehr schwer, da viele, vor allem Frauen, sagen, ich kann den Job nicht annehmen, da es erstens zum Teil nichts bringt und zweitens gibt es für mich überhaupt keinen Anreiz, das zu machen, denn mir bleibt unterm Strich nicht mehr übrig.

 

Das sehe ich als sehr, sehr großes Problem. Es braucht stärkere Anreize, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und einer Erwerbstätigkeit im höheren Stundenausmaß nachzugehen. Die Erfahrung bei diesem Beruf hat gezeigt - der Kollege macht das schon seit drei Jahren -, dass vor allem die Elektrohandelsketten diese Leute dann sehr, sehr gerne abwerben, denn diese haben bereits eine gute Ausbildung bekommen und könnten dann Vollzeit quasi sofort wieder in den Job eintreten. Aber wenn sie sich die Ersthürde schon nicht leisten können, weil es eben einen Unterschied machen muss, ob man jetzt 500 oder 700 EUR im Monat verdient, ist es klar, denn nach der momentanen Regelung bleibt genau der gleiche Betrag übrig.

 

Wir fordern daher ein dynamisches System mit einer Einschleifregelung, die höhere Freibeträge vorsieht. Es braucht auch dringend eine einheitliche Bundeskompetenz. Nach der aktuellen Rechtslage legt zwar die 15a-Vereinbarung zur bundesweiten Bedarfsorientierten Mindestsicherung fest, welche Mindestwerte nicht unterschritten werden dürfen, es ist aber sehr wohl möglich, dass Bundesländer höhere Auszahlungsbeträge und zusätzliche finanzielle Leistungen in Form von Zuschüssen gewähren. Ein Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2014 zeigt auch klar auf, dass einer Person mit Betreuungspflichten gegenüber einer minderjährigen, unterhaltspflichtigen Person bei geringfügigem Einkommen nach der bundesweiten 15a-Regelung 530 EUR zustehen. Dieselbe Person würde jetzt aber in Tirol 1.290 EUR und in Vorarlberg wiederrum 934 EUR bekommen. Der Föderalismus macht es möglich. Deshalb muss die Zuständigkeit für Geldleistungen in Bundeskompetenz übertragen werden.

 

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch ganz klar betonen, denn es gibt da oft Missverständnisse, dass wir NEOS keine Deckelung und keine Kürzungen fordern. Wir sollten aber weg von den Geldleistungen kommen und verstärkt auf Sachleistungen setzen. Mit Sachleistungen kann nicht nur die Nachhaltigkeit der Leistungen sichergestellt werden, es kann auch sichergestellt werden, dass Leistungen der Mindestsicherung dort ankommen, wo sie gebraucht werden. In welchen Bereichen? - Zum Beispiel ist das sehr, sehr wichtig in der Bildung. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sollen auch als Sachleistungen bereitgestellt werden. Damit einhergehend soll natürlich die Pflicht dazu bestehen, an Aus- und Fortbildungen teilzunehmen, um die Chance auf Erwerbstätigkeit zu verbessern.

 

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