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Landtag, 42. Sitzung vom 21.09.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 25

 

erleben mussten, kann niemanden, niemanden kalt lassen: Unendliches Leid vieler Menschen, die auf der Flucht sind und die um ihr Leben laufen. Dank an den Herrn Bürgermeister, rasches Handeln war gefragt. Und, Herr Bürgermeister, Sie sind zwar heute nicht da, was zu bedauern ist, aber Sie haben in der Situation, wie es notwendig war, nicht gezögert. Dank der Zivilgesellschaft, die unglaublich erstarkt ist, Dank allen Hilfsorganisationen, Dank der Polizei, dem Bundesheer, den Mitarbeitern in den Ministerien, Dank an die Innenministerin Mikl-Leitner. Hier wird hervorragende Arbeit geleistet. Aber bei allem sozialen Druck muss klar sein: Es ist nicht möglich, jeden Menschen, der zu uns will, aufzunehmen. Ein klares Ja zu allen tatsächlichen Kriegsflüchtlingen, aber ein klares Nein für all jene, die im Windschatten der Kriegsflüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen nach Wien kommen wollen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

 

Es ist notwendig, dass die EU rasch handelt. Sie hat etwas vorzugeben und nicht auf der Stelle zu treten, und das gilt auch für die Bundesregierung. Ich bin sehr froh, dass es hier Ansätze gibt, gerade von der Frau Innenminister. Hier sind klare Maßnahmen zu setzen. Und damit komme ich auf den Beginn meiner Rede zurück. Da ist natürlich die Flüchtlingsfrage ein wichtiger Faktor. Für alle Fraktionen, die hier im Land Wien vertreten sind, muss es selbstverständlich sein, dass es für die Bevölkerung in Wien eine gesetzliche Garantie auf soziale Sicherheit geben muss. An Eckpfeilern unserer Gesellschaft darf und kann jetzt und auch in Zukunft nicht gerüttelt werden! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächste zum Wort gemeldet hat sich Frau Abg Hebein. Bitte, Frau Abgeordnete.

 

10.53.52

Abg Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus)|: Werter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch auf der Galerie!

 

Das Allerallerwichtigste vielleicht gleich vorweg: Es ist im Grunde völlig, völlig unbedeutend, was FPÖ-Politiker hier von sich geben, weil das Land sich gerade so dermaßen verändert, weil wir einen Sommer der Solidarität erleben, weil wir einen Sommer des Aufbruchs an Menschlichkeit erleben, und da gibt es kein Zurück mehr. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Es mag sein, dass die Stimmung wieder kippt und irgendwann die Angst vor dem Fremden da ist oder die Angst vor dem, was auf uns zukommt, weil so viel in Bewegung ist. Es mag sein, dass das irgendwann überwiegt und kippt. Es mag sein, dass die FPÖ-Politiker in ihrer Angst es schaffen, mit völlig hetzerischen Parolen diese Angst zu fördern. Es mag sein, dass sich das noch nicht beim Wahlergebnis am 11. Oktober zeigen wird, mal schauen. Aber diese Menschlichkeit über Parteigrenzen hinweg, die dieses Land und diese Stadt hier in den letzten Wochen erlebt hat, ist von so einem unvorstellbaren Ausmaß, dass ich wirklich glücklich bin, in so einem Land zu leben. Was heißt das konkret? Es gab und gibt vor Ort, und nicht nur auf den Bahnhöfen, in den ganzen Flüchtlingseinrichtungen, in den Notquartieren HelferInnen aus der Zivilbevölkerung, die einfach tun. Und hier fragt niemand, woher kommt er oder sie. Oft wissen wir nicht einmal die Vornamen der Menschen, mit denen wir hier zusammenarbeiten. Es sind Menschen, die nicht nur dolmetschen, sondern Soziales übernehmen, Rechtliches, Begleitung, Menschen auffangen. Es sind Menschen hier aktiv, die reichen von einer alten Frau, die Socken strickt, bis zu Polizisten und Polizistinnen, die sagen, um Himmels willen, das sind Menschen, jetzt halten wir alle zusammen. Es reicht von dem Geschäft am Westbahnhof um die Ecke, dem Penny-Markt, der plötzlich sein Geschäft länger offen hält, damit wir noch genügend Lebensmittel und Wasser holen können. Es reicht bis zu ÖBBlerInnen, die sagen, in der Freizeit tu ich noch übersetzen. Da passiert was in diesem Land. Da passiert was, weil viele Hunderte, Tausende Menschen auf der Flucht sind, auf der Flucht vor Krieg, Terror und Not. Und es schafft nur eine FPÖ, sich dann hierher zu stellen und das mit Sozialem zu verbinden, zu vermischen, alles durcheinanderzuwirbeln, zu hetzen und gleichzeitig auf die Wahlen zu schielen.

 

Es stimmt, ich bin jetzt öfters gefragt worden, ob es stimmt, dass ich das gesagt habe. Ja, es stimmt, ich habe vor ein paar Tagen in einem Interview gesagt, die FPÖ ist menschlich eine Lulu-Partei, aus dem einfachen Grund: Wenn die FPÖ hier immer und immer wieder Menschen auseinanderdividiert, auf Kosten der Ärmsten Politik macht, egal, ob Obdachlose, Suchtkranke, Sexarbeiterinnen, wenn eine FPÖ es nicht einmal schafft, in Wien den ärmsten Kindern die Kindermindestsicherung zu vergönnen, auch die ÖVP nicht, dann braucht es manchmal nicht viele Worte. Und jetzt diese humanitäre Tragödie, diese Katastrophe noch mit Falsch- und Fehlinformationen nützen zu wollen und über alle Kanäle hier eine Stimmung aufzuheizen, dann werden die Menschen hier in Wien letzten Endes auch entscheiden müssen: Sind wir eine Stadt der Menschlichkeit oder bauen wir wieder Mauern und Zäune? Die Frage ist aber auch, wie die verantwortlichen Regierungen, die Verantwortlichen der Europäischen Institutionen jetzt handeln werden. Monatelang, jahrelang haben sie sehenden Auges nichts getan, im Gegenteil, Kriegsschiffe dort eingesetzt, wo tausende Menschen auf ihrer Flucht ertrinken. Sie haben es nicht geschafft und zögerlich geschafft, Sondergipfel zu beantragen, diese Menschenrettung ernst zu nehmen. Sie haben es noch nicht geschafft, legale Fluchtmöglichkeiten zu schaffen.

 

Sie haben es noch nicht geschafft, legale Fluchtmöglichkeiten zu schaffen, gerade im Gegenteil, man hat alle Lager von der UNHCR an den Grenzen finanziell ausgehungert. Hier überwiegt scheinbar noch diese nationale Selbstherrlichkeit. Wir haben es die letzten Wochen erlebt, Grenzen auf, Grenzen zu. Es ist völlig unklar, wie sich jetzt die Europäische Union, die Regierungschefs gemeinsam morgen und übermorgen entscheiden werden. Sie haben es nicht einmal geschafft, die Flüchtlinge auf 28 EU-Länder zu verteilen, diesen Juncker-Vorschlag umzusetzen.

 

Das heißt, wir sind auch hier auf einem Scheideweg, ob Europa noch zusammenhalten wird. Das wird sich auch in den nächsten Tagen zeigen. Wir haben einen

 

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