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Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 62

 

mit der Autotür und dem Ganzen, das ist alles verboten, das ist eindeutig verboten und wird auch vollzogen. Auch das gewerbsmäßige Betteln wird bestraft – 36 Mal, wie ich es irgendwo gelesen habe, hat es in diesem Jahr Anzeigen gegeben –, das organisierte Betteln ist verboten und natürlich das Betteln mit Kindern.

 

Alle fünf Tatbestände werden verfolgt. Ob Sie ausreichend verfolgt werden, ist eine andere Sache. Aber das liegt wiederum an der Innenministerin, wie viele Polizisten sie uns zur Verfügung stellt und wie die natürlich dann auch die Schwerpunkte ihres Einsatzes sehen. Denn es ist sicher so, dass, wenn irgendeine schwere Straftat aufzuklären oder zu bekämpfen ist, werden sie wahrscheinlich die Kräfte eher dort einsetzen. Aber wir fordern von der Innenministerin nach wie vor, dass sie die im Sicherheitsübereinkommen mit der Stadt Wien unterschriebenen Verpflichtungen endlich zur Gänze einhält. Das wäre ein dringender Wunsch, den wir an die Innenministerin hätten.

 

Aber, wie gesagt, die Rechtslage – das hat Kollege Ulm auch richtig gesagt – im landesgesetzlichen Bereich ist ausreichend. Und wir haben eindeutig eine Verfassungsrechtslage, die uns aufträgt, zu Recht aufträgt – und ich bin froh, dass es so ist –, das stille Betteln zuzulassen, wie es der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat: „Das stille Betteln an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten“, sagt er, „ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.“ Deshalb hat er auch das Salzburger Landesgesetz aufgehoben, das steirische Landesgesetz aufgehoben, und wenn wir jetzt machen würden, was die FPÖ vorschlägt – was wir natürlich gar nicht wollen, aber wenn wir es machen würden –, würde das genauso aufgehoben werden. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Es geht um ein sektorales Bettelverbot!) Zum sektoralen komme ich noch. Aber das ist einfach die verfassungsrechtliche Lage.

 

Herr Klubobmann Gudenus, Sie haben es heute nicht gesagt, und ich nehme an, das war bedacht, weil Sie inzwischen Fortschritte gemacht haben, aber in einer Aussendung haben Sie noch gesagt: „Auch dürfe man nicht zu feig sein, um ein generelles Bettelverbot und eine damit verbundene Verfassungsänderung zu diskutieren.“

 

„Verfassungsänderung“ würde im gegenständlichen Bereich allerdings heißen, wir müssten die Europäische Menschenrechtskonvention abschaffen, denn aus dem Art 10 der EMRK geht dieses sozusagen Grundrecht auf stilles Betteln hervor, und die Europäische Menschenrechtskonvention ist die Garantie der Grundrechte, die jeder Mensch hat. Es ist das Fundament unserer Rechtskultur und im weitesten Sinne sogar ein wichtiger Bestandteil dessen, was Sie vielleicht als europäische Zivilisation bezeichnen würden. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist nicht verhandelbar. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Oh ja, sie ist auch verhandelbar, so wie jedes Gesetz!)

 

Die EMRK ist einfach eine Errungenschaft, die wir erkämpft haben und wo wir uns sehr anstrengen, dass sie auch in jenen Ländern hoffentlich langsam real durchgesetzt wird, die sie auch unterschrieben haben, in Ländern, in die Sie gerne hinfahren. Es gibt dort Fortschritte, das muss ich durchaus sagen, da will ich gar nicht polemisieren. Sie ist das Fundament, und wenn sie abgeändert würde, könnte man das nur gemeinsam machen, aber wenn man sie abändert, ist es in der Regel meistens so, dass ein höheres Niveau kommt und nicht ein schlechteres.

 

Also insofern freue ich mich, dass Sie das in Ihrer heutigen Rede nicht gesagt haben, und deshalb bin ich zuversichtlich, dass Sie das ohnehin nicht aufrechterhalten.

 

In unserem Landes-Sicherheitsgesetz ist die Gewerbsmäßigkeit enthalten, und es hat durchaus den Versuch gegeben, auch das anzufechten, doch diese Anfechtung hat der Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen. Also wir haben vor dem Verfassungsgerichtshof standgehalten, im Gegensatz zu anderen Landesgesetzen.

 

Im Zusammenhang mit der Gewerbsmäßigkeit bringt der Kollege Ulm immer etwas, was nicht ganz stimmt. Es stimmt, das ist im § 70 Strafgesetzbuch definiert und geregelt, aber erstens einmal ist die Frage, ob eine Regelung des Strafgesetzbuches, das ja für gerichtlich strafbare Taten gilt, automatisch vollkommen gleich auch bei Landesgesetzen gilt. Zusätzlich aber wissen Sie wahrscheinlich, dass diese strenge Interpretation der Gewerbsmäßigkeit inzwischen von allen, vor allem von Rechtsanwälten, kritisiert worden ist und dass jetzt schon eine Vorlage im Parlament ist, die die Gewerbsmäßigkeit lockern wird, damit eben diese von den Richtern gegen den historischen Gesetzgeber zu strenge Auslegung der Gewerbsmäßigkeit gelockert wird. Aber das nur nebenbei.

 

Wir haben also dieses Landes-Sicherheitsgesetz, das übrigens auch Niederösterreich zeitnah fast wörtlich übernommen hat und das offenbar wirklich als gesetzgeberische Maßnahme okay ist.

 

Wir haben auch – weil das oft angesprochen wird – im Eisenbahngesetz Regelungen, dass das Betteln dort verboten ist, was auch für die Wiener Linien gilt, und dass die Organe befugt sind, Personen hinauszuweisen, was das betrifft. Und es ist auch so, dass es, wie ich schon vorher ausgeführt habe, überhaupt nicht stimmt, dass das Gesetz nicht vollzogen wird. Immerhin hat es insgesamt 1 224 Anzeigen vom 1. Jänner bis 31. Oktober 2014 gegeben.

 

Also die stille Bettelei ist ein Menschenrecht und ein Grundrecht und soll bleiben. Das ist ein unverrückbarer Grundsatz. Gleichzeitig kämpfen wir – und das darf man eben nicht vermischen – gegen Ausbeutung und organisierte Kriminalität. Und die gibt es natürlich. Diese wegzureden, wäre natürlich weltfremd und blauäugig, und das ist etwas, was auch nicht korrekt wäre. Es ist diese irrsinnig schwierige Gratwanderung zu gehen, dass wir die Probleme, die es real gibt, bestmöglich bekämpfen, aber nicht andere Sachen hineinziehen und beispielsweise das stille Betteln gleichsetzen mit Menschenhandel. Menschenhandel wird gemäß § 104a eindeutig bestraft, und in § 104a Abs 3 steht auch drinnen, dass Ausbeutung auch die Ausbeutung zur Bettelei umfasst.

 

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