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Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 62

 

sourcen, an Möglichkeiten, dass hier die Kriminalpolizei aktiv vorgehen kann. In der Schweiz ist es zum Beispiel so – das hat man mir bestätigt –, dass sie gar nicht gegen Menschenhandel vorgehen könnten, wenn sie nicht regelmäßig genau mit dem NGO-Bereich, mit Menschen, die Bezugspersonen zu bettelnden Menschen sind, zusammenarbeiten würden. Sie könnten gar nicht ihre Arbeit machen, denn es ist extrem schwer, hier vorzugehen, weil viele von Menschenhandel Betroffene sich nicht als Opfer sehen.

 

Wie viele Anzeigen und Verurteilungen gibt es? Wir machen bezüglich Menschenhandel jedes Jahr eine parlamentarische Anfrage. 2010, 2011 gab es keine. Die aktuellste Zahl, die mir zur Verfügung steht, ist vom Sommer. Es gibt 400 Anzeigen wegen organisierter Bettelei. Achtung! Ein Anwalt hat mir bestätigt, organisierte Bettelei ist laut Anzeige selbst, wenn mehr als zwei Menschen in Blick- und Augenkontakt miteinander stehen.

 

Schützen Bettelverbote vor möglicher Ausbeutung? Meiner Einschätzung nach nicht. Sie haben sowieso eine schwierige Situation, und dadurch erschwert man nur zusätzlich die Lebensumstände. Es ist etwas zynisch, sage ich einmal, und es schaut so aus, als würde das nur eine moralische Rechtfertigung sein, um das Vorgehen gegen Bettelnde durch Verbote zu rechtfertigen.

 

Warum liest man oft von dieser Bettelmafia und warum wird das auch immer wieder von der FPÖ herangetragen? Empirisch nachgewiesen ist es nicht, aber es stimmt, dass hier mit Stereotypen, mit Pauschalierungen gearbeitet wird. Ich selbst habe im Februar eine Anzeige gegen den Herrn Mölzer gemacht, den „Zur Zeit“-Herausgeber, der generell Betteln mit Zigeunern verbindet. Die können nur die Infrastruktur zerstören, schlagen ihre Frauen und trinken. Also diese Bilder werden immer wieder aufrechterhalten. Bis heute habe ich noch keine Rückmeldung, was aus der Anzeige geworden ist. Staatsanwalt Kronawetter ist zuständig, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

 

Ist Betteln ein gewinnbringender Bereich für organisiertes Verbrechen? Da gehen die Meinungen wirklich auseinander. Laut Polizei ist das meist verknüpft mit vielen anderen Strafdelikten. Ob 15 bis 25 EUR lukrativ ist? Also hier muss man wirklich trennen.

 

Wo sind die vielen Mercedes-Autos und die Busse, die vorfahren? Das frage ich mich auch. Alle reden davon, aber nirgendwo, trotz Handy, sieht man irgendwo ein Bild. Das ist auch so ein Bild, das sich hartnäckig aufrechthält.

 

Antiziganismus, warum bringen Sie das immer wieder ins Spiel? Das ist sehr ernst, meine Damen und Herren. Ich habe es Ihnen schon anhand des Beispiels der Zeitung „Zur Zeit“ gezeigt. Das ist so ein Rassismus gegen Menschen, sie als fremd, als Zigeuner zu pauschalieren. Man signalisiert damit ein Bild der Parasiten, die sich an der Gesellschaft hier nur bereichern wollen. Sprachlich sind das verheerende Entwicklungen. Man liest von Einzelfällen in den Medien. Ich kenne auch diesen Fall, der kürzlich zu einer Verurteilung geführt hat, und weiß, dass dahinter auch eine massive Suchtproblematik steckt. Das heißt nicht, dass ich jeden einzelnen Fall verurteile.

 

Ich möchte Ihnen aber parallel dazu auch von einem anderen Fall erzählen, von dem Sie weniger erfahren. Das heißt, ein Bettler hat sich – Zitat vom Anwalt – hingestellt und den Menschen beharrlich eine Rose entgegengestreckt. Wegen massiver Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wurde die Person mit einem fünfjährigen Aufenthaltsverbot bestraft.

 

Was macht die Polizei? Ich habe es schon angedeutet. Einerseits braucht sie mehr Ressourcen, was Menschenhandel anlangt, andererseits erleben wir immer wieder auch willkürliche Entscheidungen und Hunderte von Strafanzeigen, vor allem wegen gewerblicher Bettelei.

 

Die Wohnungssituation ist eine schwierige, auch wegen der Spekulantenfrage. Ja, es stimmt, dass BettlerInnen schlechten Unterkünften mit hoher Miete besonders ausgeliefert sind.

 

Was kann man dagegen tun? Das ist auch keine einfache Frage. Im Grunde müsste man mittelfristig überlegen, ob wir nicht günstigeren Wohnraum in Richtung Arbeiterwohnheime auch hier brauchen.

 

Kann armen Menschen nicht durch unser Sozialsystem geholfen werden? Achtung! Eine Falle. Ich habe es in den letzten Tagen schon gesagt. Die Hürden sind extrem hoch, dass man Zugang zu unserem Sozialsystem erhält. Aufenthaltsrecht ist Bedingung. Das bekommt man nur, wenn man Arbeit hat, Arbeit kriegt man nur, wenn man ein Aufenthaltsrecht hat. Bitte schauen Sie sich hier die Fakten genau an.

 

Welche Hilfsangebote gibt es? Die BettelLobby, die sich sehr engagiert, Familien zu unterstützen, auch juristisch, die Caritas-Rückführhilfe, die Opferschutzstelle, sehr viele Einzelpersonen. Medizinische Versorgung gibt es im Amber-Med, im Neunerhaus und bei den Barmherzigen Brüdern.

 

Was mache ich, wenn ich bettelnden Menschen begegne? Das ist eine Frage, die sehr, sehr oft kommt. Und ich sage – das gilt auch für die nächste Frage: Wie viel soll ich geben? –, machen Sie, was Sie für richtig halten. Geben Sie, wenn Sie geben wollen. Es ist die einzige Möglichkeit oder eine der wenigen Möglichkeiten, freiwillig, ohne staatliche Einmischung tätig zu sein und Hilfsangebote zu setzen.

 

Das schlechte Gewissen ist die nächste Frage. Ja, das stimmt, das löst immer wieder ein beschämendes Gefühl aus, auch Ärger, dass es so etwas gibt in dieser Stadt.

 

Was können Sie machen, wenn die Polizei bettelnde Menschen aufhält? Sie könnten sehr wohl fragen, ob hier Unterstützung notwendig ist. Bitte vergessen Sie nur eines nicht – das werden sie auch selten in den Medien lesen –: Auch Polizisten und Polizistinnen – es gibt einige davon – finden diese Aufgabe alles andere als angenehm, und auch sie haben oft den Eindruck, dass die Politik die Armutsbekämpfung im Grunde an sicherheitspolitische Maßnahmen delegiert.

 

Warum sind gerade jetzt so viele sichtbar? Das stimmt, das ist immer zur Weihnachtszeit so. Das ist die

 

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