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Landtag, 30. Sitzung vom 25.03.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 34

 

Ich glaube, dass es auch richtig und notwendig und ein richtiger Schritt ist, dass die Kinder- und Jugendhilfe nicht über die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten verfügt, Kinder und Jugendliche, aus welchen Intentionen immer, einzusperren. Und ich denke, es ist gut so. Die historischen Untersuchungen, nicht zuletzt jene, die uns hier im Wiener Landtag, aber auch natürlich im Gemeinderat schon sehr oft beschäftigt haben, zeigen, welche Auswirkungen Einsperren und Isolation auf Kinder haben.

 

Ich glaube, daraus ist die Jugendwohlfahrt auch gut beraten, die entsprechenden Lehren zu ziehen. Zwangsmaßnahmen jeglicher Art lassen sich grundsätzlich nicht mit dem Selbstverständnis einer modernen Kinder- und Jugendhilfe vereinbaren. Insofern ist die Idee beziehungsweise das Ansinnen, Kinder – wenn sie noch nicht strafmündig sind –, die Straftaten begehen und diese auf Grund ihrer Strafunmündigkeit strafrechtlich noch nicht verantworten müssen, über Interventionen der Kinder- und Jugendhilfe zu maßregeln, entsprechend abzulehnen. Natürlich plant die Stadt Wien auch keinerlei entsprechende gesetzliche Maßnahmen, die Zwangsmaßnahmen gegen Unmündige, Minderjährige in der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen sollen.

 

Kinder, die sich problematisch entwickeln – und selbstverständlich, solche gibt es, und dafür kann durchaus auch delinquentes Verhalten ein Indiz sein –, brauchen ein intensives Beziehungsangebot und eine kompetente Betreuung. Dies kann aber durch eine entsprechende Zwangsmaßnahme eben so wenig gewährleistet werden, wie durch eine mögliche Untersuchungshaft.

 

Meine Äußerung, die sich im Pressetext zumindest missverständlich in der Überschrift darstellt, bezieht sich durchaus aber natürlich auf den Umgang mit problematischen Fällen, die nicht strafmündig sind. Ich denke, dass wir gerade in Wien, nicht zuletzt zum Beispiel durch das vor wenigen Tagen ja auch in der Presse sehr gut und zutreffend beschriebene Projekt der psychiatrischen Wohngemeinschaften sehr bewährte Angebote haben – nämlich im Sinne von intensiven Angeboten, die nicht nur zu Gemeinschaftsangeboten in Form von Wohngemeinschaften oder Ähnlichem führen, sondern durchaus auch zu intensiven Einzelbetreuungsangeboten. Denn es geht maßgeblich gerade bei Kindern und Jugendlichen um intensive Beziehungsarbeit – die ist notwendig und nicht der entsprechende Zwangskontext.

 

Für uns und für mich ist ein großes Anliegen, dass Kinder in Wien nicht Opfer von Gewalt und Vernachlässigung werden, sondern im Bedarfsfall von der Kinder- und Jugendhilfe geschützt werden. Ich habe schon gesagt, wir setzen hier auf Beziehungsangebote, und in Extremfällen können durchaus auch – und das ist auch immer wieder eine Diskussion – sehr teure Einzelbetreuungsangebote mit den Kooperationspartnern der Wiener Jugendhilfe maßgeschneidert angeboten werden. Selbstverständlich gibt es bei Bedarf eine enge Kooperation mit den Kinder- und Jugendpsychiatrien des Wiener Gesundheitssystems, und in Zukunft will die Wiener Kinder- und Jugendhilfe verstärkt auch therapeutische Angebote, insbesondere für gewaltbereite junge Burschen, bereitstellen, um weitere Taten zu vermeiden.

 

Für uns gilt der Grundsatz: Therapie statt Einsperren. Ich denke, das ist auch im internationalen Kontext gesehen der richtige Weg, ungeachtet der Tatsache, dass ich denke, dass durchaus auch die Justiz gut beraten ist, sich zu überlegen, wie mit Jugendlichen, die bereits strafmündig sind, adäquat umgegangen werden kann. Wir alle wissen, dass die Abschaffung des Jugendgerichtshofes ein wirklich schwerer Fehler war – das bestätigen uns alle, die sich auch in der Praxis mit diesem Thema beschäftigen. Ich denke, dass man gut beraten ist, hier auch auf das Wissen der Kinder- und Jugendhilfe aufzubauen, welche therapeutischen Angebote auch im Zuge einer allfälligen Zwangsmaßnahme bei strafmündigen Jugendlichen gesetzt werden müssen. Dafür war der Jugendgerichtshof ein Musterbeispiel weltweit, ein anerkanntes Beispiel, leider ist es ja bekanntermaßen damals von Schwarz-Blau abgeschafft worden. Es gibt hier keinen entsprechend adäquaten Ersatz.

 

Ich stehe immer wieder zu der Aussage: Selbstverständlich ist die Kinder- und Jugendhilfe bereit, mit ihrem Wissen, mir ihrer Erfahrung, mit ihrem therapeutischen Ansatz hier auch der Justiz zu helfen. Aber, und das ist mir ganz wichtig, ich glaube, es ist notwendig, eine klare Trennung zu halten zwischen Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe und der Justiz. Wir handeln hier in zwei verschiedenen Fällen, die eng kooperieren müssen, wo der eine vom anderen, und vor allem die Justiz, denke ich, von der Jugendhilfe sehr viel lernen kann. Daher ist die Justiz gut beraten, auf dieses Wissen auch zurückzugreifen. Das ist, glaube ich, der richtige Weg. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Stadtrat. Die 1. Zusatzfrage stellt Herr Abg Dr Aigner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 

9.26.00

Abg Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Grüß Gott, Herr Stadtrat!

 

Vielen Dank für die Beantwortung, obwohl sie mich nicht wirklich zufriedenstellt. Denn im Endeffekt läuft gar vieles darauf hinaus, dass man sagt, man macht gar nichts. Und wenn ich in meiner Frage von Zwangsmaßnahmen gesprochen habe, geht es ja nicht darum, jemanden einzusperren. Es könnte ja auch die Verpflichtung oder den Ansatz geben, Jugendliche, die zur Begehung von Straftaten missbraucht werden, aus einem problematischen Umfeld herauszulösen. Das ist ja auch eine Art von Verpflichtung. Das nur auf der Angebotsschiene zu machen – ich weiß nicht, ob man, wenn Zwölfjährige zum Stehlen ausgeschickt werden, da mit der Psychiatrie weit kommt. Das hat ja mit Psychiatrie relativ wenig zu tun, sondern damit, dass es Formen von Kriminalität gibt, die bestehende Lücken ausnützen. Wir haben das ja auch beim Betteln mit Kindern gesehen. In dem Moment, wo das Betteln mit Kindern verboten wurde, findet es nicht mehr statt. Das heißt also, von Einsperren ist überhaupt keine Rede. Wir sind hier als Landtag zuständig für die Kinder- und Jugendwohlfahrt und nicht für das Strafrecht, aber kann man aus Ihrer Sicht hier auch irgendwelche innovativen Ansätze, außer einem bloßen Angebot, entwickeln, um Kinder, die sol

 

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