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Landtag, 15. Sitzung vom 01.10.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 26

 

mit der FPÖ nach der gestrigen Presseaussendung überhaupt noch sprechen, in der vom „rot-grünen Weg zu einem totalitären Regime“ und von „rot-grünen Despoten“ die Rede war. Nach diesen Äußerungen würde ich mir von Ihnen einmal eine Entschuldigung erwarten, bevor ich mich mit Ihnen überhaupt an einen Tisch setze! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Es ist unglaublich, wie diejenigen, die sich in den letzten 70 Jahren einen mehr oder weniger absichtlichen Versprecher geleistet haben, sich herstellen und die Demokratie in Wien in Grund und Boden reden! Wir haben heute schon viel gehört. Es wurde davon gesprochen, wie weit die Bandbreite von demokratischen Wahlsystemen ist. Ich teile nicht alle Auffassungen. Aber es gibt natürlich nicht nur ein demokratisches Wahlrecht.

 

Wir haben 2005 in Wien gewählt und die SPÖ hat damals leider – wie ich aus meiner Sicht sage – mit 49,09 Prozent mehr Prozentpunkte und auch mehr Stimmen gehabt als alle anderen im Gemeinderat vertretenen Parteien zusammen, und demgemäß hatte sie die absolute Mehrheit. Wir hatten 2010 eine Wahl, und die SPÖ hatte nicht mehr Stimmen als alle anderen Parteien zusammen, daher hat sie jetzt auch keine absolute Mehrheit hier im Wiener Gemeinderat. Dass wir uns also in der Bandbreite von demokratischen Wahlen bewegen, ist hoffentlich jedem halbwegs vernünftig denkenden Menschen klar. Ich würde mir im Hinblick darauf erwarten, dass Kollege Gudenus herauskommt und sich für seine gestrige Presseaussendung entschuldigt. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ein weiterer Punkt, der mir trotzdem auch wichtig ist: Wir GRÜNEN wollen ein Wahlrecht – und dafür treten wir nach wie vor ein –, in dem jede Stimme gleich viel zählt. Möglicherweise ist dies auch der Grund, dass wir noch nicht fertig sind mit einem neuen Wahlrecht für Wien. Und ich erlaube mir zu bemerken: Es wird in Wien vor der nächsten Wahl eine Wahlrechtsänderung geben müssen, hinsichtlich welcher wir gemeinsam eine Position finden werden. Natürlich würde ich mir wünschen, dass diese Position nicht nur die ganz maßgeblich von mir erreichten Änderungen im Briefwahlrecht beinhaltet, sondern dass zumindest die ÖVP – bei der FPÖ wage ich nicht daran zu denken – so weit geht und sagt, EU-BürgerInnen, die seit fünf oder zehn Jahren in Wien leben, sollten auf Wiener Ebene zumindest dasselbe Recht haben wie jeder Steirer und jede Steirerin, jeder Vorarlberger und jede Vorarlbergerin, jeder Kärntner und jede Kärntnerin, jeder Oberösterreicher und jede Oberösterreicherin, der oder die einen Tag vor dem Stichtag nach Wien ziehen. Dass sie nämlich mit entscheiden können, wie es mit unserer Stadt weitergeht. Wir haben nämlich die absurde Situation, dass EU-BürgerInnen, vor allem bei den Grünen, aber auch in anderen Parteien, zwar in die Bezirksvertretung aktiv gewählt wurden und die Bezirkspolitik, die oft auch Auswirkungen auf Wien hat, mitbestimmen, aber in Wien nicht wählen dürfen. Man darf sich aktiv an der Wiener Politik beteiligen, jedoch das absurde Wahlrecht, das es gibt, legt fest: Ihr dürft hier wohnen, so lange ihr wollt, aber ihr dürft nicht wählen.

 

Und ich gebe in einem Punkt auch der FPÖ recht. Es ist eine ideologische Entscheidung, wen man wählen lassen will, und im Hinblick darauf erhebt sich die Frage: Will ich, so wie die Freiheitlichen und leider auch die Wiener ÖVP, an die 200 000 bis 300 000 Menschen dezidiert vom Wahlrecht ausschließen? (Abg Mag Rüdiger Maresch: Peinlich!) So ist es! Das ist die Tragödie dahinter. Und Sie wollen das!

 

Die Position der GRÜNEN war immer und ist eindeutig: Nein, wir wollen nicht, dass in Wien lebende Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Wir wollen das nicht, und wir hoffen, dass es uns gelingt, möglichst viele Menschen von dieser Position zu überzeugen. Es wäre ein weitaus größerer Schritt zu mehr Demokratie, wenn diese 300 000 Menschen oder zumindest die EU-BürgerInnen, das sind ungefähr 120 000 Menschen, auch wählen dürften und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen wären. – Wenn man diesen Menschen ihr Wahlrecht wegnimmt, ist das im Übrigen weit mehr als die Verschiebung von ein oder zwei Mandaten.

 

Ich erlaube mir jetzt noch einen kurzen Satz und vielleicht einen zweiten zum Notariatsakt. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Der keiner war!) Ich spreche von einem Notariatsakt mit einem Menschen, der so wie seine Vorgängerin für die FPÖ kandidiert hat und niemals hier erschienen ist. Man muss überhaupt sagen: Wer auf Platz 1 für die Wiener Wahl kandidiert, sitzt mit Sicherheit danach nicht im Wiener Landtag, zumindest wenn er bei der FPÖ kandidiert. Das war so bei Helene Partik-Pablé, das ist bei Strache so. Es handelt sich auf jeden Fall um einen Notariatsakt mit jemandem, der nicht da ist. Das Phantom der Wiener FPÖ ist nicht da! (Heiterkeit bei den GRÜNEN. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Wie schaut es mit Christine Marek aus? Sie wurde von der ÖVP hinausgemobbt und ist irgendwo im Parlament verschwunden, und es würde mich wundern, wenn sich Kollege Juraczka und der ÖVP-Klub auch nur irgendwie an das Wort der Kollegin Marek gebunden fühlen würden!

 

Wie ist es bei uns? – Wir stehen zu dem, was wir gesagt haben. (Abg Mag Wolfgang Jung: Ihr liegt!) Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist … (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese Aufregung der Undemokraten: Das ist faszinierend! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich habe es vorher schon gesagt: Es hat einen Grund, warum wir uns noch nicht geeinigt haben. (Abg Mag Dietbert Kowarik: Lesen Sie einmal die Vereinbarung! – Abg Armin Blind: Sinnerfassend lesen!) Ich sehe ein Wahlrecht, das sich nicht zu einem Mehrheitswahlrecht, wie Sie es sich vorstellen, sondern zu einem fairen Verhältniswahlrecht entwickeln wird, bei dem jede Stimme gleich viel wert ist. Dafür stehen wir, aber es zeigt sich, dass mit Ihnen damit, wenn Sie solche Presseaussendungen machen, kein Staat zu machen ist. Mit Menschen, die eine abstruse Vorstellung von Demokratie haben und denen es vor allem nur darum geht, dass immer sie recht haben und alles andere böse ist, ist das tatsächlich uninteressant!

 

Jetzt komme ich zu noch einem Punkt, weil das auch immer wieder kommt. (Abg Mag Wolfgang Jung: Sie

 

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