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Landtag, 13. Sitzung vom 25.05.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 62

 

Demokratie geradezu steinzeitmäßige Zustände herrschen würden und erst durch Ihre erhellende Aktivität heute würden Sie hier für Besserung sorgen. Wahr ist vielmehr, seit Jahrzehnten gibt es in der Wiener Stadtverfassung die drei wichtigsten Elemente Volksabstimmung, Volksbefragung und Volksbegehren. Volksbefragungen können allen Lamentos aus der Opposition zum Trotz auf Gemeindeebene klarerweise in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallend abgehalten werden. Vorraussetzungen sind dafür entweder ein Beschluss dieses Hauses, nämlich des Gemeinderatskollegiums oder 5 Prozent der Wahlberechtigten bei der jeweils vorangegangenen Gemeinderatswahl. An historisch bedeutsamen Volksbefragungen seien in Erinnerung gerufen, und jetzt sei noch einmal darauf hingewiesen, wie breit die Themenvielfalt war, die sehr wohl die Hürde von Volksbefragungen locker erreicht hat: 1973 Volksbefragung Sternwartepark, 1980 vier Befragungen zu den Themen Vorrang öffentlicher Verkehr, Abschaffung der Dreiecksständer - das war damals im Empfinden der Menschen zu Recht ein besonderes Ärgernis, dass vor allem in Wahlzeiten das Wiener Straßenbild von diesen Ständern ja geradezu zugepflastert war -, ebenfalls 1980 Ausbau Flötzersteig-Bundesstraße und Auflassung von Sperrfriedhöfen. Auch damals hat sich hier die mehrheitliche Meinung der Bevölkerung schlussendlich durchgesetzt und die Sperrfriedhöfe sind wieder aufgehoben worden. 1981 Beteiligung Wiens am Konferenzzentrum, Vorrang für die Stadterneuerung und im Dezember 1981 sechs Fragen, unter anderem Verbauung der Steinhof-Gründe, sozialer Wohnbau und Förderung der Altstadtsanierung.

 

1990 Beibehaltung der Linie 8 und Bebauung des Areals Körner-Schlössel im 23. Bezirk. 1991 Weltausstellung, es ging damals um die strittige Frage, macht Wien zusammen mit Budapest eine EXPO und dann schlussendlich das von der Mehrheit begrüßte Flusskraftwerk Freudenau.

 

Und interessanterweise, meine Damen und Herren von der freiheitlichen antragstellenden Fraktion, da endet Ihr historisches Gedächtnis. Auf Seite 3, auch für den Herrn Kollegen Jung, der alles besser weiß, nachzulesen, wird tatsächlich behauptet, seit 1991 gab es keine Volksbefragung mehr in Wien. Sie verschweigen geflissentlich, dass vom 11. bis 13. Februar 2010 zu fünf entscheidenden Fragen die Wienerinnen und Wiener mit einer national und international wirklich herausragenden Beteiligung von 35,6 Prozent zu den Themen neuer Hausbesorger, Nacht-U-Bahn an Wochenenden und vor Feiertagen, City-Maut, Ganztagsschule und Hundeführschein ihre Meinung zum Ausdruck gebracht haben. Offensichtlich noch unangenehmer als die Tatsache, dass diese Volksbefragung als solche stattgefunden hat, ist das Faktum, dass alle vier positiv beantworteten Fragen mittlerweile in der Stadtpolitik Realität geworden sind: StR Ludwig hat das neue Berufsbild der Hausbetreuer entwickelt, StR Oxonitsch verwirklicht das flächendeckende System der Ganztagsschulen, StRin Ulli Sima hat gegen den hinhaltenden Widerstand der Freiheitlichen und etliche Wortmeldungen und Anträge dazu, die sind uns alle noch gut in Erinnerung, den Hundeführschein sehr wohl im Konsens mit der Bevölkerung eingesetzt. Und die U-Bahn bringt seit Oktober 2010 in den Nächten an den Wochenenden und vor Feiertagen jedenfalls tausende Fahrgäste rund um die Uhr sicher an ihre gewünschten Ziele.

 

Wir können resümieren: Gerade die Volksbefragung 2010 hat bewiesen, dass der interaktive Dialog der Wienerinnen und Wiener mit der Politik dieses Hauses prächtig funktioniert. Und die Folge dieser großen Befragung war, dass das Serviceangebot der Stadt Wien um vier entscheidende Leistungselemente bereichert wurde. Auch wenn es der Freiheitlichen Partei nicht passt, auch wenn es die freiheitliche Partei in ihrem Antrag ignoriert, dieses Ergebnis der Volksbefragung und seine konkreten Auswirkungen auf die Verbesserungen in der Stadt sind herzeigbar und wir können stolz darauf sein.

 

Volksabstimmungen in Wien können sowohl vom Gemeinderat als auch vom Landtag mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Volksbegehren wiederum sind von mindestens 5 Prozent der Bevölkerung der Wahlberechtigten der jeweils letzten Landtagswahl zu unterstützen. Auch dafür gibt es pars pro toto eine ganze Reihe von Volksbegehren allein zwischen 1999 und 2011 zu den Themen Familien, Studiengebühren, Veto gegen Temelin, Sozialstaat Österreich, Abfangjäger, atomfreies Europa, Pensionen, Raus aus Euratom und schlussendlich die heute schon von anderen Rednern angesprochene Initiative zum Bildungswesen in Österreich, sprich, Reformen, die überfällig sind und die von den Konservativen dieses Landes immer wieder hintertrieben werden.

 

Zur Weiterentwicklung der demokratischen Grundstrukturen in unserer Stadt wurde die Arbeitsgruppe Wahlrecht eingerichtet. Sie ist von verschiedenen Rednern der beiden Regierungsfraktionen bereits mehrfach angesprochen worden. Sie befasst sich vor allem mit der Verstärkung des Persönlichkeitswahlrechts, ich denke, ein Thema, wo wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg einer Meinung sind. Sie befasst sich weiterhin mit einer leichteren Wirksamkeit von Vorzugsstimmen sowohl auf Gemeinderats- als auch auf Bezirksvertretungsebene und sie muss natürlich auch die Anpassungen des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2011 von der Bundesebene übernehmen. Auch hier Konsens bei allen. In der Tat gab es Missbrauch bei der Nachfrist von Briefwahlstimmen, Missbrauch, der leider auch von einer Partei zu missbräuchlichen Inseraten nach dem Wahltag 10.10.2010 verwendet wurde, allerdings am Gesamtergebnis dann nichts mehr ändern konnte. Und auch die höchstgerichtliche Entscheidung im Falle Frodl ist hier sicherlich auch im Wiener Wahlrecht zu berücksichtigen.

 

Zum Petitionsrecht. Kollege Stürzenbecher hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Begriff etwas antiquiert ist und durch eine zeitgemäße moderne

 

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