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Landtag, 13. Sitzung vom 25.05.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 62

 

nicht so eng sein, dass man sagt, in allen Fragen und wir überstimmen uns nicht. Ich meine, eine Koalition, wo jeder jeden ständig überstimmt, die wird nicht funktionieren. Aber man könnte ja von vornherein am Beginn einer Periode gleich ein paar Themenbereiche festlegen, in denen man eine direktdemokratische Entscheidung letztendlich auch vorsieht, so wie es früher im Parlament den koalitionsfreien Raum gegeben hat. Das ist natürlich für das Vertrauen zwischen Regierungsparteien wahrscheinlich nicht unbedingt das Beste. Aber man könnte von vornherein sagen, es gibt gewisse Dinge, die zieht man gemeinsam durch, und in anderen Fragen setzt man auf Elemente der direkten Demokratie. Das ist durchaus etwas, was möglich sein sollte, noch dazu vor dem Hintergrund, dass in genügend anderen Ländern über viele Jahre Minderheitsregierungen mit wechselnden Mehrheiten sehr wohl auch regieren können. Es ist natürlich im Endeffekt genau eine Nagelprobe für die GRÜNEN, die früher immer so für Bürgerbeteiligung gewesen sind. Von direkter Demokratie wird, wenn man sich das semantisch anschaut, überhaupt nicht mehr gesprochen. Es wird nur mehr so von Einbindung, von Information gesprochen. Also das, worum es geht, ist Mitbestimmung und Mitentscheidung und nicht eine gefilterte Information. Das hat eigentlich mit Einbindung überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Und vielleicht ein Letztes noch. Man muss sich auch überlegen, wer schützt eigentlich jene Bürger, die ein Volksbegehren, das nicht übertrieben erfolgreich war, davor, dass es nicht umgesetzt wird wie das letzte Bildungsvolksbegehren, das auf massive Unterstützung der Sozialpartnerorganisationen und vieler Medien, die wahrscheinlich auch inseratenmäßig gut bedacht worden sind, setzen konnte. Ich meine, 400 000 Unterschriften sind ein respektables Ergebnis. Aber wenn man bedenkt, dass da Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und eine Medienarmada dahinter waren, es wurde sogar ein Extraausschuss im Parlament gegründet und einer der Initiatoren, der ehemalige Vizekanzler Androsch, wird jetzt schon ganz nervös und ungeduldig und verlangt vom Nationalrat, man möge doch sein Volksbegehren umsetzen. Jetzt frage ich mich ehrlich, ich kann nur hoffen, dass die Parlamentarier das nicht machen, weil wie wehren sich die vier, fünf, sechs Millionen, die das nicht unterschrieben haben? Die können sich dann, wenn das umgesetzt wird, gar nicht dagegen wehren. Auch da sollte man im Endeffekt den Gesamtzusammenhang haben. Das Volksbegehren zur Bildung war nicht schlecht, war aber auch nicht so erfolgreich, dass man daraus einen Arbeitsauftrag für das Parlament ableiten kann.

 

Ich fasse zusammen: Eine Debatte über die Demokratie ist etwas ausgesprochen Wichtiges, die sollte man auch emotionslos und sachlich führen. Zwischen direkter und indirekter Demokratie gibt es keinerlei Widerspruch. Es geht nur um die Frage einer sinnvollen Ergänzung. Das Schweizer Modell ist eben das Schweizer Modell, das ist auch ein anderes politisches System, das über viele Jahrhunderte ganz anders gewachsen ist. Also das eins zu eins oder annähernd umzusetzen, ist genauso schlecht, wie andere Modelle nachzumachen. Ich glaube, wir haben eine sehr gute Verfassung und diese gute Verfassung bietet mehr als genug Möglichkeiten, noch besser zu werden. Das sollte eigentlich ein gemeinsames Anliegen aller Parlamentarier sein, weil im Endeffekt niemand von uns etwas von Demokratie- und Politikverdrossenheit hat. Genau das sollte eigentlich der gemeinsame Gegner sein, dass die Menschen nicht verdrossen sind, sondern wir sollten nachdenken, wie können wir die Bürgerinnen und Bürger entsprechend in unser demokratisches System einbinden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Stürzenbecher. Bitte, Herr Abgeordneter.

 

14.14.22

Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrter Präsident! Geschätzte Frau Landesrätin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Es ist ja jetzt durchaus auch eine Grundsatzdebatte geworden und es ist auch sinnvoll so, weil man sich auch im Anschluss an das, was mein Vorredner gesagt hat – wo ich nicht alles teilen kann, aber durchaus einige Sachen –, schon überlegen sollte, ob man einen grundsätzlichen Systemwandel dahin gehend will, ob man durch Plebiszit generell die bisher verfassungsmäßigen Organe der repräsentativen Organe von der Gesetzgebung aushebeln kann. Also das ist schon etwas, was wir überlegen müssen. Wenn wir uns international die erfolgreichsten demokratischen Modelle anschauen, ich kann nicht alle aufzählen, dann zählen da sicher Großbritannien, Frankreich, Deutschland, seit 1945 Westdeutschland und dann die vereinigte Bundesrepublik, dann Skandinavien und durchaus auch Österreich und natürlich von der Macht her die Vereinigten Staaten von Amerika dazu. Alle diese Länder, die ich aufgezählt habe, die ich schon als sehr erfolgreiche Demokratien bezeichnen will, haben einen ganz klaren Schwerpunkt bei der repräsentativen Demokratie und haben als Ergänzung, und ich sage durchaus als Bereicherung, auch plebiszitäre Elemente. Das Gleiche haben wir derzeit und ich und meine Partei sind durchaus diskussionsbereit, darüber zu diskutieren, wie man die plebiszitären Elemente ausweiten kann. Es ist auch eine Möglichkeit, um zu mehr Demokratie zu kommen, aber sicher nicht die einzige. Beispielweise was Bruno Kreisky damals gemeint hat mit „alle Lebensbereiche mit Demokratie durchfluten“ oder Willi Brandt mit „Mehr Demokratie wagen“, da ist es eher darum gegangen, dass man die Lebensbereiche der Menschen demokratisiert hat. Das ist ja damals auch geschehen, die Schule demokratisiert, in den Universitäten Mitbestimmungsmodelle eingerichtet, beim Bundesheer Mitbestimmungsmodelle der Soldaten eingerichtet, ohne dass die jetzt über Details des Operativen abstimmen könnten. Aber dass man die Arbeitswelt demokratisiert, dass die Sozialpartner eine wesentliche Rolle spielen, dass die Tarifhoheit gewahrt

 

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