«  1  »

 

Landtag, 27. Sitzung vom 23.09.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 78

 

Rahmen der Espoo-Konvention einzuleiten. Auf Landesebene muss Wien, so wie andere Bundesländer auch, eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die Verletzung des EU-Rechts einbringen. Welche Maßnahmen werden Sie, Herr Landeshauptmann, ergreifen, um gegen den Ausbau des Atomkraftwerkes Mochovce vorzugehen?)

 

Bitte, Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Zunächst einleitend eine Bemerkung, die die Rechtmäßigkeit dieser Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft: Sie wissen so gut wie wir alle, dass es hier sehr verschiedene Rechtsmeinungen gibt. Letztlich hat die EU zu klären, ob das novellierte Gesetz in der Slowakei über das Verfahren im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung mit den entsprechenden Richtlinien und insgesamt gesehen mit dem „acquis communautaire“ vereinbar ist oder nicht. Das wird die EU zu klären haben.

 

Die Frau Umweltstadträtin hat schon vor geraumer Zeit den Umweltkommissar darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Landesgesetz der Slowakei hier zu erheblichen Bedenken und Kritikpunkten Anlass gibt, und ich gehe davon aus, das er diese Bedenken auch zur Kenntnis genommen hat und sie einer entsprechenden Rechtsprüfung unterzieht.

 

Ich persönlich verhehle nicht, dass insbesondere die Rechtsvorschriften in der Slowakei, wie mit einem solchen Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung umgegangen werden muss, in mir höchste Bedenken auslösen. Denn wenn diese UVP beispielsweise negativ ausgeht, dann muss sich die Behörde im Bewilligungsverfahren nicht an dieses Ergebnis halten und man hat auch keine Möglichkeit, das entsprechend einzuklagen. Das scheint mir im höchsten Ausmaß rechtsbedenklich zu sein!

 

Nichtsdestotrotz wird sich das im negativsten Fall, rechtlich gesehen, lediglich vor dem EuGH klären lassen, und jeder weiß, dass das viele Jahre dauert. Daher haben wir uns alle gemeinsam entschlossen, den anderen Weg zu gehen, nämlich aktiv an dieser Umweltverträglichkeitsprüfung teilzunehmen, also die Wiener Bevölkerung einzuladen, gemeinsam mit den NGOs aktiv daran teilzunehmen. Es scheint mir der sehr viel effizientere Weg zu sein, die österreichische Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass ein völlig veraltetes Kraftwerk, das nach Plänen der alten sowjetischen Siedewasserreaktoren geplant ist, in einer Entfernung liegt, die in anderer Richtung gesehen Amstetten entspricht. So nah ist dieses Mochovce, und daher haben wir massivste Bedenken!

 

Wenn man sich ein bisschen vergegenwärtigt, was sich dort abspielt, dann muss man sich einen Bau vorstellen, der etwa zu 70 Prozent fertig war, bevor die Bautätigkeit eingestellt wurde. Seit 20 Jahren steht diese Bauruine nun in der Gegend, und zwar mit teilweise eingebauten, größtenteils gelagerten Elementen, die sich seit 20 Jahren in Containern befinden. Nun macht man die Container wieder auf und baut diese Elemente in die Ruine ein. Das kommt zusammen mit vielen, vielen anderen Dingen. Sie kennen das. Ich brauche das jetzt nicht extra aufzuzählen.

 

Mir ist es wichtig, dass wir die Bevölkerung in diesem Zusammenhang mobilisieren und aktiv in Bratislava ebenso wie in Brüssel deutlich machen, dass die Bevölkerung diesen Reaktor in Mochovce nicht will.

 

Das ist der Kernpunkt des Ganzen, und deshalb sollten wir uns, wie ich meine, mit guten inhaltlichen Gründen vernünftig bemühen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann. Die 1. Zusatzfrage stellt Herr Abg Mag Maresch. Ich bitte darum.

 

Abg Mag Rüdiger Maresch (Grüner Klub im Rathaus): Danke schön für die Ausführungen, Herr Landeshauptmann!

 

Wir beide sind schon relativ lange mit diesen Atomkraftwerken beschäftigt. Die Slowakei ist ja durchaus mit Bedingungen in die EU eingetreten, und Österreich hat sich dafür stark gemacht, dass gerade bei der Atomkraft einiges nicht weitergebaut wird. Jetzt wird allerdings weitergebaut!

 

Sie haben zuerst gesagt, dass wir mit der Slowakei und auch mit der Bundesregierung sprechen werden. Aber es gibt ja durchaus auch andere Möglichkeiten.

 

Deswegen meine Frage: Warum setzt sich Wien nicht konkret für ein Vertragsverletzungsverfahren im Sinne der EU gegenüber der Slowakei in dieser Causa ein?

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann, bitte.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Nur die Republik kann ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, nicht aber ein Bundesland.

 

Persönlich meine ich, dass man diese Rechtsfragen natürlich klären muss und soll. Wien hat direkt bei der Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass es massive Bedenken gibt, hat aber natürlich auch die Bundesregierung in Kenntnis gesetzt. Ein formelles Vertragsverletzungsverfahren kann das Land Wien oder die Stadt Wien jedoch nicht einleiten.

 

Wie dem auch immer sei: Ich verweise noch einmal darauf, dass das Ganze letztlich, wenn man die Rechtsfragen entsprechend klären will, wahrscheinlich in vier oder fünf Jahren beim EuGH landet. Wir müssen aber jetzt die entsprechenden Aktivitäten setzen, um sowohl in Brüssel als auch in der Slowakei den Druck zu erzeugen, den man braucht!

 

Am wichtigsten, denke ich, ist es, genau wie hier auch mit der slowakischen Bevölkerung und mit den slowakischen NGOs zu kooperieren. Wenn nämlich die slowakische Bevölkerung über den tatsächlichen Zustand von Mochovce Bescheid weiß, dann wird, glaube ich, eine ähnliche Bewegung entstehen, wie das vor geraumer Zeit auch in Österreich der Fall war, als das angeblich „sicherste Atomkraftwerk der Welt“ in Entstehung begriffen war.

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular