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Landtag, 23. Sitzung vom 27.11.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 40

 

dass die Leute nicht ertrinken. (Abg Godwin Schuster: Mehr als die Hälfte der Betroffenen geht arbeiten!) Denn das ist es, was passiert: Sie bekommen so viel, dass dieser alte Satz „Zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben" genau zutrifft. Sie schwimmen alle mit Müh und Not und sind knapp vorm Ertrinken, aber so viel bekommen sie, dass sie gerade noch ein bisschen weiterschwimmen. Das ist zu wenig, und das ist keine Vision von einer armutssicheren Stadt!

 

Sie leisten es sich, dass Sie sagen: Es werden mehr, tun wir eben ein bisschen irgendwie irgendwo, dann werden es immer mehr und mehr (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Es wird nicht wahrer, wenn Sie es öfter sagen!), und schuld ist die Bundesregierung aus dem Jahr 2000, die einiges davon mitzuverantworten hat. Aber wo ist die Vision, die man sich leisten kann, dass wir am Schluss armutssicher sind? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Was wir von Ihnen gerne hätten, ist ein Reichtums- und Armutsbericht in Wien. Es gibt einen guten Grund, warum so etwas nicht vorgelegt wird: Weil Sie die Zahlen nicht haben wollen beziehungsweise, wenn Sie sie haben, nicht veröffentlichen wollen.

 

Was wir gerne hätten, ist, dass aus der SchuldnerInnenberatung nicht nur eine reine Konkursberatung geworden ist - denn das ist sie momentan -, sondern dass sie wieder präventiv tätig sein kann. Das kann sie nicht. Wenn Sie dort hingehen, gibt es keine SchuldnerInnenberatung, sondern man erklärt Ihnen in zehn Minuten, wie Sie in Privatkonkurs gehen können. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Darüber werden sich die Mitarbeiter freuen, dass Sie sagen, in zehn Minuten wird irgendetwas erzählt! Das werden wir ihnen gerne mitteilen!)

 

Wir hätten gerne, dass dort so viele Leute, so viele Personen arbeiten, dass sie tatsächlich ihre Aufgabe auch wahrnehmen können, nämlich präventiv Menschen zu helfen, die privat in die Schuldenkrise hineinrutschen. Anderen konnte man auch helfen, wenn sie sich verschuldet hatten, nämlich den großen Banken. Was wir gerne hätten - es wurde schon mehrfach gesagt -, ist eine Grundsicherung. Dann diskutieren wir die Höhe, dann sagen wir, wo die Armutsgrenzen sind, und dann schauen wir, wo wir das Geld herbekommen. (Abg Godwin Schuster: ... nicht die Stadt Wien!)

 

Dass das Geld da ist, das sieht man ja woanders. Momentan verstehen die Leute überhaupt nicht mehr, warum kein Geld da sein soll für die Armutsbekämpfung, wenn man in dem Land gleichzeitig Privatbanken wie die Constantia rettet und diese 450 Millionen EUR bekommt, wobei dort ausschließlich sehr, sehr, sehr reiche Leute ihr Geld haben. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Das ist bekanntlich etwas, was die Stadt Wien vorangetrieben hat! Das kommt von der Stadt Wien, gell! Typisches Stadt-Wien-Thema!) Dort hat kein Einziger ein normales Konto, dort sind Privatstiftungen von Millionären und Millionärinnen. Dafür war das Geld da, und dafür ist auch eine Bundesregierung mitverantwortlich, in der die SPÖ dabei ist.

 

Mindestlöhne: Wir hätten gerne Mindestlöhne, von denen die Leute leben können. Gestern war eine Veranstaltung vor dem Haus der GPA - Ihnen nicht unbekannt -, dort waren unter den anwesenden Leuten sicher mehr Mitglieder der Sozialdemokratischen Fraktion als von den GRÜNEN. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Das glaube ich nicht!) Wie geht es den Leuten? Wissen Sie, was die machen? Die arbeiten nicht nur in dem Bereich, sondern die sind selbst in dieser Armutsfalle. (Abg Godwin Schuster: Kein einziger Hinweis, was getan werden könnte!)

 

Dort waren Leute, die sagen: Bei uns arbeiten fast alle prekär im Jugendbereich dieser Stadt, alle arbeiten 32 Stunden, 28 Stunden, 26 Stunden. Und was bekommt jemand, der in dieser Funktion arbeitet? 1 100 EUR, oder auch 900 EUR, wenn es 26 Stunden sind. Sie arbeiten in diesem Bereich und sind nicht nur mit Armut konfrontiert, sondern haben daheim selbst das Problem: AlleinerzieherInnen mit 1 100 EUR netto und zwei Kindern, in dem Bereich 32 Stunden tätig, Burn-out. Sie kennen das alles.

 

Wir hätten gerne, dass Personen in diesem Bereich auch so bezahlt werden, wie es gestern von der GPA gefordert wurde. Und ganz, ganz schnell würde gehen: Rücknahme beim Gaspreis, Kindergarten gratis und Gemeindebau-Mietenstopp! Das sind Maßnahmen, die Sie setzen können. Da brauchen Sie sich nicht herauszureden, das können Sie ganz allein mit Ihrer Mehrheit in Wien machen. Da ist niemand anderer verantwortlich, da bremst Sie auch niemand.

 

Das sind drei Punkte, die sofort helfen, und die können Sie immer noch mit 1. Jänner 2009 umsetzen, wenn Sie möchten. Die Zeit dafür haben wir. Wir werden nächsten Dienstag hier entsprechende Anträge einbringen. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg Godwin Schuster: Viel gesprochen, nichts gesagt!)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Aigner. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Die Debatte hat doch einige, sehr viele interessante Aspekte zutage gefördert, vor allem jenen, dass Armut nicht nur eine Statistik ist. Hinter Armut verbergen sich Schicksale, und Armut darf man nicht nur an der Zahl der Sozialhilfeempfänger festmachen. Die Armut reicht vielmehr in den Mittelstand hinein, und auch hier muss man Akzente setzen.

 

Ich bin daher sehr froh, dass bei der in Aussicht genommenen und verhandelten Steuerreform Sorge dafür getragen wird, dass eine Steuerreform und eine Entlastung auch für jene gemacht wird, die Steuern zahlen. Es ist nicht gleichbedeutend: Wer Steuern zahlt, dem geht es schon so gut, dass er nichts braucht. Ich halte es für wichtig, dass man einerseits die Zahl derjenigen, die keine Steuer zahlen, natürlich auch entsprechend erweitert, aber ein Eingangssteuersatz von dann 36 Prozent ist immer noch ein Hammer. Das heißt, auch an den

 

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