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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 49

 

Michael Häupl ist wohl anderes zu erwarten!

 

Wir haben hier schon sehr hochkarätige Diskussionen geführt, und der Hinweis auf historische Literatur und der Hinweis auf den Zeitabschnitt, den man mit den Schüssen von Sarajewo am 28. Juni 1914 beginnen und mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 enden lässt ... (Zwischenruf von Abg Dr Kurt Stürzenbecher. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, jetzt sollte man keine Zwischenrufe machen, sondern ein bisschen nachdenken! Sie sind alle gewählte ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Man sollte sich darüber einmal ein bisschen informieren und einiges nachlesen! Da könnte man einiges lernen!

 

Man könnte zum Beispiel lernen, wenn man bei Hans-Peter Schwarz, einem großen deutschen Zeithistoriker, nachliest, dass die Tragödie des Jahres 1914 darin bestand, dass „Ruinierer“ – so seine Wortwahl – in Europa regiert haben. Daher sollten wir meiner Meinung nach heute danach trachten, dass Staatsmänner agieren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1989 hatten wir Staatsmänner, etwa einen François Mitterrand, einen Helmut Kohl, eine Margaret Thatcher oder einen Michail Gorbatschow. Und solche Staatsmänner brauchen wir heute mehr denn je, denn dann wird es uns leichter gelingen, dafür zu sorgen, dass dieses Europa mehr ist als nur eine Soll-und-Haben-Rechnung, wie das Benedikt XVI. vor seiner Wahl zum Papst so treffend formuliert hat. (Abg Mag Thomas Reindl: Jetzt muss der arme Papst auch noch herhalten!)

 

Wir brauchen mehr als das, was jetzt kleinkarierte Populisten hier herausholen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht letztlich darum, dass wir in unserer Zeit Verantwortung übernehmen. Wir dürfen nicht Zwischenrufe aus Nervosität heraus machen, sondern wir müssen einen angemessenen Beitrag in dem Bewusstsein leisten, dass wir Teil des größten und erfolgreichsten Friedensprojektes der Geschichte sind.

 

„Wien wird sich deshalb auch in Zukunft am Bau unseres gemeinsamen Hauses Europa zum Wohle der in unserer Stadt lebenden Menschen, aber auch zum Wohl aller Europäerinnen und Europäer mit aller Kraft beteiligen.“ – Das hat der Landeshauptmann von Wien, Michael Häupl, am 28. März dieses Jahres gesagt, und zwar in einer Diskussion, die auf sehr hohem Niveau geführt und bei der klargestellt wurde, dass dieses Friedensprojekt Europa für Wien sehr wichtig ist und dass wir Europa weiterentwickeln sollen.

 

Daher erwarten wir uns jetzt vom Landeshauptmann von Wien klare Worte, eine Abgrenzung von einer Politik des Brieferlschreibens, des Leserbriefschreibens und des billigen Populismus. Wir erwarten uns, dass wir dorthin zurückkehren, wo die Landeshauptmänner in Villach im Jahre 1987 begonnen haben, und zwar unter Einschluss der SPÖ-Landeshauptmänner, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erwarten uns, dass von dieser Stelle aus in diesem Haus ein klares Signal für ein gemeinsames Friedensprojekt Europa gegeben wird und dass der Populismus ein Ende hat! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Johann Hatzl: Als nächster Redner gelangt Herr Abg DDr Schock zu Wort. Ich mache aufmerksam, dass nunmehr 30 Minuten für DDr Schock und für die nächsten zwei Redner zur Verfügung stehen.

 

Abg DDr Eduard Schock (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Tschirf!

 

Sie haben auf der einen Seite Staatsmänner erwähnt, und Sie haben auf der anderen Seite Wolfgang Schüssel erwähnt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dazu muss man als Freiheitlicher – weil bei uns die Erinnerung noch sehr jung ist – auch einen Beitrag leisten.

 

Wolfgang Schüssel war jener Politiker – ich sage jetzt bewusst nicht „Staatsmann“ –, der dreimal in seiner Karriere ohne Not vorgezogene Nationalratswahlen ausgelöst hat. Erinnern wir uns: Im Jahr 1995 mit dem Schüssel-Dietz-Kurs, im Jahr 2002 und jetzt im Jahr 2008 als Mastermind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wolfgang Schüssel war dreimal jener Politiker, der Parteikalkül vor Staatsinteressen gestellt hat! (Beifall bei der FPÖ. – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Zurück zur SPÖ: Die SPÖ ist im Wahlkampf, und es gibt natürlich immer wieder Wahlversprechen, die dann gebrochen werden, und es gibt Wahlschwindel. Ich stelle Ihnen jetzt nur eine Frage: Wer glaubt Ihnen heute wirklich noch? Glauben Sie selbst, dass Ihnen diesen Schwenk jemand abnimmt?

 

Erinnern wir uns an die Volksabstimmung im Jahr 1994. Damals haben Sie versprochen, dass alles billiger und besser wird. Ich erinnere an die Zeit vor der Volksabstimmung. Sie haben versprochen: Die Transitlawine können wir verhindern! – Nichts ist geschehen! Sie haben gesagt: Wir werden mitbestimmen können! – Das ist eine Schimäre! Wir können nicht mitbestimmen! Sie haben versprochen: Das anonyme Sparbuch bleibt. – Die Anonymität ist, wie wir alle wissen, weg! Sie haben gesagt: Die Neutralität bleibt. – Das schaut jetzt so aus, dass unsere Soldaten im Interesse Frankreichs im Tschad im Einsatz sind. Außerdem wurde uns versprochen, dass der Schilling bleibt. – Seit 1. Jänner 2002 gibt es ihn nicht mehr. Und der Ederer-Tausender schaut so aus, dass alles, was früher 100 Schilling gekostet hat, jetzt 10 EUR, also 140 Schilling kostet, und der Ederer-Tausender fehlt heute in Wirklichkeit den Menschen im Börsel.

 

Meine Damen und Herren! Im Hinblick darauf ist es ja kein Wunder, dass die Menschen an diese Europäische Union nicht mehr glauben! Und es werden von Tag zu Tag auch innerhalb der SPÖ die innerparteilichen Kritiker dieses Kurses immer mehr. Es sind schon Namen genannt worden, und es lassen sich noch viele Zitate hinzufügen, etwa Worte des früheren Abgeordneten Walter Guggenberger oder des neuen Obmanns in Niederösterreich der SPÖ, Sepp Leitner. Auch aus Graz kommt Kritik vom Klubobmann der SPÖ, Karl-Heinz Herper. Claudia Schmied distanziert sich und sagt, dass es nicht ihre Aufgabe sei, diese Vorgangsweise zu thematisieren. Franz Gschwentner, der Tiroler SPÖ-Chef, sagt: „Ich bin

 

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