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Landtag, 18. Sitzung vom 26.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 49

 

das ist sozusagen eine Grunderrungenschaft auch einer funktionierenden Zivilgesellschaft, andererseits – und da halte ich mich jetzt wahrscheinlich mehr zurück, als ich es gerne möchte – muss man schon auch aufpassen – und da befinde ich mich auf einem schmalen Grat zwischen zwei sehr oppositionellen Meinungen –, wie sehr man seitens der Politik in laufende Rechtsverfahren eingreift.

 

Damit meine ich nicht – und das möchte ich ganz klarstellen – den berechtigten politischen Impuls und auch die berechtigte politische Kritik, dass Rechtsparagraphen geändert werden, deren Sinnhaftigkeit hinterfragt wird, jegliches Mittel der parlamentarischen Demokratie ausgenützt wird, um Licht in dieses Dickicht zu werfen. Dafür haben wir Instrumente, sowohl hier, wenngleich nicht zuständig, als auch im Parlament, wo dies bereits erfolgt ist von verschiedener Seite, auch von unserer Seite, von Herrn Justizsprecher Dr Jarolim.

 

Ich persönlich würde auch sagen, dass das nach meiner Wahrnehmung die Ebene der politischen Auseinandersetzung mit einem laufenden Verfahren ist. Ich halte es auch für bedenklich, in ein laufendes Verfahren eingreifen zu wollen – das können wir nicht, das steht uns auch nicht zu –, ich halte es dafür im Gegenzug für sehr relevant, aus dem laufenden Prozess zu lernen, möglichst alles natürlich auch aufzudecken und zu hinterfragen, ans Licht zu bringen und auch die Konsequenz zu ziehen, was die Anwendung dieses § 278a angeht.

 

Ich verstehe Polemik als Mittel der politischen Auseinandersetzung, bitte aber trotzdem auch um die Vorsicht, hier nicht letztlich in weiterer Folge einem Zustand Vorschub zu leisten, dessen trauriges Jubiläum wir jetzt zum 75. Mal feiern, wenn ich an das Jahr 1934 erinnern darf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zum Wort gelangt Herr Abg Dr Tschirf.

 

Abg Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Präsident! Frau Stadträtin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Was wir vorhin erlebt haben, ist eigentlich unglaublich. Ein Stadtrat, der Kollege Ellensohn, der sicherlich nicht unintelligent ist, der daher weiß, was er sagt, vermischt hier Dinge und bringt dieses Konglomerat in eine wirklich ganz gefährliche Richtung, und das ist daher auch der Grund gewesen, warum der Kollege Ulm hinausgegangen ist.

 

Wenn der Herr Kollege Ellensohn hier davon spricht und die ÖVP beleidigt und uns vorwirft, dass wir Guantánamo haben wollen, dass wir für eine Militärjunta eintreten und ähnliche Dinge, dann mag das zu seinem Verständnis aller anderen politischen Kategorien außerhalb seiner eigenen gehören, dort, wo es aber wirklich gefährlich wird, ist, wenn er jene Grenze überschreitet, die eigentlich eine der wesentlichsten für eine Demokratie unseres Verständnisses ist.

 

Natürlich, es hat Volksdemokratien gegeben, wie die DDR. Ganz klar, wenn man sich die entsprechenden Rechtsbücher, die so genannten Rechtsbücher der DDR ansieht, da ist bewusst die Grenze zwischen den verschiedenen Gewalten durchbrochen gewesen, da war es bewusst so, dass es eine unabhängige Justiz nicht geben sollte, aber das ist nicht das Verständnis, auf das auch der Kollege Ellensohn hier angelobt worden ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wir haben ein anderes Rechtsverständnis in unserer Verfassung. Das geht eben von der Gewaltenteilung aus, und gerade im Bereich der Strafjustiz ist hier eine genaue Unterscheidung zwischen dem, was die Polizei an Aufgaben hat, was die Polizei unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft zu tun hat, was die Staatsanwaltschaft zu tun hat und was dann letztlich unabhängige Gerichte zu entscheiden haben. All das hat der Kollege Ellensohn einfach so durcheinandergeworfen, um seiner Verschwörungstheorie entsprechendes Unterfutter geben zu können.

 

Das weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück, denn das letzte Jahrhundert war ein Jahrhundert, das gekennzeichnet war durch verschiedenste Versuche totalitärer Regimes, die Grenzen zwischen den Gewalten zu zerstören. Das wollen wir nicht, und wir hoffen doch, dass das 21. Jahrhundert aus dem gelernt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die Strafprozessordnung sieht ganz klar vor – und Kollege Ulm hat das ja auch dargestellt –, unter welchen Bedingungen jemand in U-Haft genommen wird und wie das dann durch Haftprüfungen durch unabhängige richterliche Entscheidungen überprüft wird.

 

Es ist legitim, über jede Bestimmung eines Gesetzes, natürlich auch des Strafgesetzes, Überlegungen anzustellen, darüber nachzudenken, etwas zu ändern, aber, wie gesagt, im Rahmen dessen, was dem jeweiligen Gesetzgeber zukommt, aber nicht dadurch, dass man Druck auf unabhängige Richter ausübt, denn da sind wir wirklich in schlimmsten totalitären Regimes, wie wir sie im 20. Jahrhundert leider kennen lernen mussten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich würde daher den Kollegen Ellensohn wirklich dringend bitten, seine Worte noch einmal zu überlegen. Ich will ihm ein Engagement für bestimmte Anliegen nicht absprechen, aber in dieser Art und Weise begibt er sich in einen Bereich, der für unseren Rechtsstaat, für unsere Verfassung ganz schlimm war, und gerade aus der Geschichte, auf der diese Verfassung fußt, hätte er lernen sollen. Vielleicht liegt es an der vorsommerlichen Situation, dass manches Wort unbedacht ausgesprochen worden ist. Das ist meine einzige Hoffnung in diesem Zusammenhang.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aber auch einen kleinen Hinweis geben, weil offensichtlich die Gegensätze hier dann wieder zusammenkommen. Ich kann auch die Behauptung vom Kollegen Jung nicht unwidersprochen lassen, dass die Staatsanwaltschaft einfach eine jeder Weisung unterliegende Behörde wäre. (Zwischenruf von Abg Mag Wolfgang Jung.) Es kommt noch ärger dann in dem Zitat.

 

Es ist so, dass das Staatsanwaltschaftsgesetz 1986 schon ganz deutlich definiert hat, unter welchen

 

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