«  1  »

 

Landtag, 13. Sitzung vom 24.10.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 34

 

Fristsetzungsanträge gibt, nach denen bestimmte Gesetze zu behandeln sind, sondern dass man das, wenn es einem nicht passt, von Seiten der Mehrheit auf den Sankt Nimmerleinstag schieben kann. Auch ist es so, dass es in den Ausschüssen nicht die Abgeordneten sind, die bestimmen, was sich abspielt, sondern im Gemeinderat ist das der jeweilige amtsführende Stadtrat.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist kein modernes Demokratieverständnis! Das werden Sie in keinem anderen Landtag in Österreich finden, und das werden Sie auch nicht im Nationalrat finden, geschweige denn im Deutschen Bundestag oder in anderen Parlamenten in Europa.

 

Oder, man schaue sich nur das Wahlrecht an: Die SPÖ hat von den Stimmen, wenn man die Zahl aller Wahlberechtigten hernimmt, 29 Prozent; sie hat 49 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen – und damit 55 Prozent der Mandate, 64 Prozent der Mandate in den Gemeinderatsausschüssen, 75 Prozent der Vorsitzenden des Gemeinderates und 100 Prozent der Vorsitzenden der Gemeinderatsausschüsse, bis auf den Kontrollausschuss. Man wird kein zweites Parlament finden, in dem das so ist, dass sämtliche Ausschussvorsitzenden und Ausschussvorsitzenden-Stellvertreter mit Ausnahme des Kontrollausschusses von einer Partei gestellt sind. Das ist nicht das Demokratieverständnis, das das Jahr 2007 kennt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Dass es Ansätze zu einer Änderung geben kann, haben wir in den viereinhalb Jahren unserer Regierungszeit bewiesen, in denen eben die Untersuchungskommissionen als ein erster Schritt geschaffen worden sind. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Beschlossen wurden sie aber mit der absoluten Mehrheit der SPÖ!) - Lieber Kollege Stürzenbecher! Wir kennen alle die Geschichte. Wir wissen, dass das damals insbesondere von VBgm Görg hier durchgesetzt wurde, und es wäre ein klarer Bruch einer Vereinbarung gewesen, wenn sich die SPÖ danach nicht mehr daran erinnern hätte können. Das hätte sicher der SPÖ nicht gut getan. Jedenfalls: Der Grund dafür, dass es diese Untersuchungskommissionen gibt, liegt in unserer Koalitionszeit. Und, Kollege Stürzenbecher, ich glaube, es wird niemand hier in diesem Haus glauben, vor allem auch nicht die SPÖ-Gemeinderäte und SPÖ-Landtagsabgeordneten, dass die SPÖ freiwillig gesagt hätte: Ja, wir wollen endlich Untersuchungskommissionen! - Da war die Notwendigkeit durch unsere Koalitionsbeteiligung gegeben. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wie gesagt, wir sollten über viele Themen hier diskutieren. Und es gab ja vor mehr als 15 Jahren unter dem damaligen Bgm Zilk auch ein „Forum Stadtverfassung". Vieles ist heute noch nachzulesen, an das man anschließen sollte, etwa wenn es um die Frage geht, warum wirklich der Bürgermeister sämtliche Beschlüsse sistieren kann, Bezirksvorsteher entheben kann, Notkompetenzrechte hat und Ähnliches. Hinsichtlich der Tatsache, dass es noch immer für die mittelbare Bundesverwaltung kein Anfrage- und Antwortrecht gibt, bitte ich, auf der Landeshauptmännerebene den Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg beziehungsweise auf der Ebene der Parlamente den Herrn Landtagspräsidenten zu befragen und sich diesbezüglich die Information über die entsprechende Praxis aus Vorarlberg zu besorgen.

 

Das Gegenteil ist der Fall: Durch Ausgliederungen werden die Rechte insbesondere des Gemeinderates - weil ja, wie ich schon vorhin ausgeführt habe, der Landtag für finanzielle Angelegenheiten nicht zuständig ist - gekürzt, werden viele Dinge einfach an den Abgeordneten des Hauses vorbeigespielt, insbesondere was die Fonds betrifft. Hier wird der Gemeinderat immer mehr maximal zu jenem Gremium, das Pauschalbeträge abzunicken hat, und das wäre es. In Wirklichkeit ist es unser aller Aufgabe – die Aufgabe von jedem und jeder Einzelnen -, sich mit den Themen, gerade den finanziellen Themen, auseinanderzusetzen und eben nicht nur Erfüllungsgehilfe der Mehrheit zu sein.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie gesagt, wir brauchen in den Ausschüssen mehr Kontrolle. Wir könnten uns vorstellen, dass hier auch die Öffentlichkeit eine andere Rolle spielt. Beim Kontrollausschuss: Bitte, warum nicht? Ein Blick in den amerikanischen Kongress zeigt, dass es hier eine sehr gute Tradition der Öffentlichkeit gibt. Das schadet nicht. Da wäre vieles klarer und offener.

 

Kontrollamt: Hier wäre es notwendig, einen Landesrechnungshof zu schaffen, wo eben der Kontrollamtsdirektor an der Spitze als Präsident dieses Landesrechnungshofes die Dienst- und Fachaufsicht hat - und nicht, dass das ein Teil des Magistrats ist, wie das derzeit der Fall ist. Themen wie die Bestellung des Kontrollamtsdirektors werden von meinen Kollegen noch weiter ausgeführt. Aber wir glauben, dass hier die Rechte dieses Kontrollamtsdirektors, die Unabhängigkeit deutlich zu stärken sind, sowohl, was die Bestellung als auch, was die Abberufbarkeit betrifft.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch das Thema der kontrollierenden Stadträte ist eines, das von der Mehrheit dieses Hauses mit mehr Ernsthaftigkeit angegangen werden sollte. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum nichtamtsführende Stadträte beispielsweise nicht das Kontrollamt einschalten dürfen, um entsprechende Überprüfungen durchführen zu lassen, warum für die nichtamtsführenden Stadträte nicht ein umfassendes und direktes Akteneinsichtsrecht besteht und warum sie nicht mehr Rechte in den Plenarsitzungen haben: Amtsführende Stadträte können sich jederzeit zum Wort melden, die nichtamtsführenden Stadträte haben weniger Rechte als die Gemeinderäte.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr Kontrolle tut allen gut, tut in Wirklichkeit auch der Mehrheit gut. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jeder, der meint, dass absolute Mehrheiten immer nur so sein können, dass alles abgewürgt ist, dem empfehle ich einen Blick in den Freistaat Bayern: Zweidrittelmehrheit der CSU. Vor wenigen Jahren wurde hier eine neue Geschäftsordnung beschlossen. Bitte sich anzuschauen, wie hier das Fragerecht ausgebaut wurde, wie hier Möglichkeiten für die Opposition geschaffen

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular