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Landtag, 8. Sitzung vom 26.01.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 59

 

Abg Mag Alev Korun (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf der Gästegalerie!

 

Es ist erstaunlich, aber auch erfreulich, dass es bei der Rede von Herrn Klubobmann Schock einen erfreulichen Punkt gegeben hat, meiner Meinung nach einen einzigen erfreulichen Punkt, wo er nämlich die muslimischen Kinder in unserer Stadt als - Zitat – „unsere Wiener Kinder" bezeichnet hat. Das finde ich einen erfreulichen Schritt, dass Sie endlich nicht mehr rassistisch von „echten Wienern" und „nicht echten Wienern" sprechen, sondern dass Sie und vielleicht auch Ihre Fraktion hoffentlich endlich erkannt haben, dass es sich bei den muslimischen Kindern in dieser Stadt tatsächlich um „unsere Wiener Kinder" handelt! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Die Anmerkung meiner Vorrednerin, der Abg Matiasek: „Wir bekennen uns zu multikulturellen Verbindungen.", war die zweite große Überraschung des Tages für mich. Auch das wäre erfreulich. Ich hoffe, dass wir von diesem neuen Ton, diesem neuen Geist in der FPÖ in nächster Zeit mehr mitbekommen können.

 

Aber genug mit dem Spaß, es ist sehr wohl ein ernstes Thema. Wir könnten es uns jetzt im Prinzip auch sehr leicht machen und sagen, das Thema Extremismus und Muslime und Musliminnen wäre dann ernst zu nehmen, wenn diese Thematik von einer Partei aufgegriffen werden würde, die nicht seit Jahrzehnten Probleme mit der Abgrenzung zum Extremismus und zum Nationalsozialismus hat, wenn diese Kritik und diese Thematisierung nicht von einer Partei kommen würde, deren langjähriger Parteiobmann und Vorsitzender von der so genannten „ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches" gesprochen hat, wenn diese Thematisierung nicht von einer Partei kommen würde, von der ein Repräsentant von „Meine Ehre heißt Treue." gesprochen hat und im Nachhinein behauptet hat, er hätte nicht gewusst, dass das ein SS-Spruch war, und wenn das Ganze nicht von einer Partei kommen würde, deren aktueller Bundesparteiobmann nicht ausschließen kann, mit dem Hitler-Gruß abgebildet worden zu sein, denn er hat offensichtlich Sorge, dass in den nächsten Tagen und Wochen ebensolche Fotos, die ihn mit dem Hitler-Gruß zeigen, an die Öffentlichkeit dringen könnten. (Abg David Lasar: Zum Thema!) Das sind sehr wohl sehr ernst zu nehmende extremistische Tendenzen, mit denen die FPÖ, jetzt sehr diplomatisch gesprochen, seit Jahren und Jahrzehnten kämpft, und ganz konkrete Schwierigkeiten, die die FPÖ hat, um sich von einem gefährlichen antidemokratischen und staatsfeindlichen Extremismus, von Rechtsradikalismus, abzugrenzen.

 

Aber wir machen es uns nicht so leicht, denn wir sind nicht die FPÖ. Wir pauschalieren Menschen nicht nach ihrer Herkunft oder nach ihrer politischen Gesinnung, wie Sie das sagen würden, um zu sagen, alles, was von einem Menschen kommt, der ein Muslim oder ein Freiheitlicher ist, ist nur Blödsinn. Wir machen es uns nicht so einfach, weil wir die Gesetze und die demokratische Grundordnung dieser Gesellschaft ernst nehmen, weil wir der Meinung sind, dass diese demokratische Grundordnung eben für alle, die in dieser Gesellschaft leben oder die sich in dieser Gesellschaft aufhalten, gelten sollte, also für Menschen, die sich Freiheitliche oder Nationale nennen, genauso wie für Muslime, aber auch für Menschen, die zum Beispiel in der Opus Dei aktiv sind. Denn entweder gibt es Gesetze, die für alle gelten, oder Gesetze gelten nicht für alle. Für Letzteres sind wir logischerweise nicht, wie Sie sich vorstellen können.

 

Dann ist es auch selbstverständlich, dass sich auch Imame und Religionslehrer und -lehrerinnen, egal welcher Religionsrichtung, an diese Gesetze, die sich diese Gesellschaft gegeben hat und die in dieser Gesellschaft gelten, zu halten haben. Wenn sie das nicht tun, greifen eben diese Gesetze und diese gesetzlichen Bestimmungen und diese Menschen werden zur Verantwortung gezogen, unabhängig davon, ob sie Muslime, Christen, Juden, Hindus oder was auch immer oder Nichtgläubige oder areligiöse Menschen sind.

 

Für Strafanzeigen sind unabhängige Gerichte zuständig, teilweise auch der Verfassungsschutz, wo die Angelegenheiten unter Verfassungsschutz fallen. Es ist nicht Aufgabe des Wiener Gemeinderats, eine Verurteilung oder gar eine Vorverurteilung von Menschen durchzuführen, bei denen die FPÖ extremistische Tendenzen vermutet.

 

Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist für die rechtskonforme Abwicklung des Religionsunterrichts zuständig, der selbstverständlich neben religiösen Inhalten auch demokratische Werte vermitteln muss. Das sehen wir so und dazu stehen wir auch. Wir denken und glauben, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft auch dazu steht. (Abg Dr Herbert Madejski: Glauben Sie?) - Ja, das glauben wir!

 

Wie gesagt ist der Wiener Gemeinderat nicht für eine Verurteilung oder Vorverurteilung zuständig. Der Wiener Gemeinderat ist für eine politische Debatte verantwortlich und zuständig. Was wir hier diskutieren können und auch sollten, ist zum Beispiel die Frage, wie unsere Gesellschaft mit der Religionsfreiheit umgeht, wo die Grenzen der Religionsfreiheit sind, denn zweifelsohne gibt es auch Grenzen der Religionsfreiheit. Zweifelsohne ist es so, dass zum Beispiel Verhetzung oder Aufforderung zur Gewalt nicht unter Religionsfreiheit fallen.

 

Die Glaubensgemeinschaft als die einzige religiöse Vertretung der Muslime in Österreich sollte alle Glaubensrichtungen im Islam vertreten. Da möchte ich noch einmal unterstreichen, die einzige offizielle religiöse Vertretung; die Glaubensgemeinschaft ist nämlich nicht die politische Vertretung aller Muslime und Musliminnen in Österreich, sondern für religiöse Belange zuständig. Ein Sidestep hier, gerade die FPÖ, die überhaupt nichts von der politischen Beteiligung, Teilnahme und Teilhabe von Migranten und Migrantinnen, aber auch von Muslimen und Musliminnen an der österreichischen und an der Wiener Gesellschaft hält, versucht hier anzuprangern und behauptet, die Islamische Glaubensgemeinschaft würde sich sozusagen anmaßen, alle Muslime in Österreich auch politisch zu vertreten. Das tut sie meines

 

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