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Landtag, 6. Sitzung vom 06.10.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 90

 

Es ist gar keine Frechheit, sehr geehrte Frau Stadträtin! Diese Fälle habe ich an Sie auch kommuniziert beziehungsweise sie sind auch in der Zeitung gestanden. Das ist gar keine Frechheit, sondern das sind gut belegte Fälle, dass Menschen vom Sozialamt weggeschickt wurden. Wir brauchen Situationen nicht gut zu reden, wo sie leider nicht so gut ausschauen. (Beifall bei den GRÜNEN. - Zwischenbemerkung von Amtsf StRin Mag Renate Brauner.)

 

Jetzt, nach fast einem Jahr, hat die SPÖ offensichtlich begriffen, dass es doch eine Gesetzesänderung braucht, um die rechtliche Gleichstellung von Menschen, die von dieser EU-Richtlinie erfasst sind, umzusetzen. Das wundert mich zwar ein bisschen, dass es ungefähr ein Jahr dauert, bis man dazulernt und sagt, okay, die EU-Richtlinie braucht doch eine Novellierung, um umgesetzt zu werden - aber gut. (Abg Marianne Klicka: ...seit Jänner!)

 

Was Sie dabei machen, ist, dass Sie sich logischerweise selbst loben, indem Sie sagen: Ja, wir setzen jetzt diese EU-Richtlinie endlich um, und es kann niemand etwas dagegen haben. Nur, was Sie nicht dazusagen, ist, dass Sie die Verschärfungen, die auf Bundesebene inzwischen eingetreten sind - mit dem Aufenthaltsgesetz, mit dem Fremdenpolizeigesetz und so weiter -, quasi mit in das Wiener Sozialhilfegesetz übernehmen.

 

Was meine ich damit? Sie sagen mit der Novelle, dass nur jene Drittstaatsangehörigen - also aus Nicht-EU-Ländern -, die ein Daueraufenthaltsvisum haben, auch beim Sozialhilfebezug gleichgestellt werden. Dabei sagen Sie nicht dazu, dass es mit dem Fremdenrechtspaket letztes Jahr eine massive Verschärfung gegeben hat, die vorsieht, dass Menschen inzwischen ein viel höheres Einkommen nachweisen müssen, um überhaupt dieses Daueraufenthaltsrecht zu bekommen.

 

Ich gebe Ihnen ein ganz konkretes Beispiel. Vor dieser Gesetzesnovelle hat ein Ehepaar von Drittstaatsangehörigen, um ein Visum zu bekommen oder auch zu verlängern, ungefähr 700 EUR Einkommen nachweisen müssen. Nach der Gesetzesverschärfung sind es inzwischen ungefähr 1 000 EUR, die man nachweisen muss. Erst dann bekommt man dieses europäische Daueraufenthaltsvisum. Sie schreiben jetzt im Wiener Sozialhilfegesetz fest, dass nur diejenigen, die so ein Daueraufenthaltsvisum haben, bei der Sozialhilfe gleichgestellt werden. Ich sage dazu, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Leute müssen ein viel höheres Einkommen nachweisen, um überhaupt dieses Visum zu bekommen, und Sozialhilfe sollen sie nur beziehen dürfen, wenn sie dieses Visum haben.

 

Ich frage Sie: Wie stellen Sie sich das vor? Wie sollen das die Leute schaffen, wenn sie ein niedriges Einkommen haben und sozialhilfebedürftig sind und Sie ihnen dann sagen: „Ja, aber Sozialhilfe bekommst du nur, wenn du vorher ein viel höheres Einkommen nachweist?“ Das ist einfach zynisch! Und da zu sagen: „Wir setzen damit die EU-Richtlinie um", das ist der Sozialdemokratie, wie ich sie mir zumindest vorstelle, unwürdig, auch und gerade in Wien mit der langen sozialdemokratischen Tradition, würde ich sagen.

 

Zweiter Punkt: Sie schreiben in das Gesetz völlig neu hinein, dass folgende Gruppen von Drittstaatsangehörigen beim Bezug der Sozialhilfe gleichgestellt werden, aber nur - ich zitiere: "Wenn die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezugs erfolgt ist." Also wenn das der Willkür von Behörden nicht Tür und Tor öffnet, dann weiß ich nicht, was! Denn bei jeder Person, der man keine Sozialhilfe geben will, wird man in Zukunft einfach behaupten: Na ja, aber wir vermuten, dass die Einreise zum Sozialhilfebezug erfolgt ist, und deshalb werden wir keine Sozialhilfe gewähren. (Abg Godwin Schuster: Was wollen Sie? Wollen Sie, dass wir sämtliche Probleme zugleich lösen? Es kann ja nicht so sein, dass...!) Dann denken Sie bitte dazu, es bekommt diese Person nicht einmal automatisch einen schriftlichen Bescheid ausgestellt - sehr schön! (Abg Godwin Schuster, in Richtung FPÖ deutend: Das ist genau die gegenteilige Position da!)

 

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind in der Situation dieser Person. Sie sind EU-rechtlich gleichgestellt, Sie sind sozial bedürftig und stellen einen Antrag, und die Behörde sagt: Nein, wir vermuten, du bist extra nach Österreich eingereist, um Sozialhilfe zu beziehen. Wie würden Sie an der Stelle dieser Person versuchen nachzuweisen, dass das nicht der Fall ist? Ich behaupte einmal, es wird relativ schwierig sein.

 

Ich werde nicht auf alle Einzelheiten der Gesetzesvorlage, die uns vorliegt, eingehen. Aber selbst die Punkte, die ich genannt habe, und auch die Punkte, die meine Kollegin Heidi Cammerlander weiter nennen und auch im Detail erwähnen wird, zeigen, dass das leider alles andere als ein Gesetz ist, das die Armut in Wien wirklich bekämpfen kann. (Abg Godwin Schuster: Ihr Stimmverhalten würde genau das verhindern, was Sie fordern!)

 

Das Problem ist: Sie können Ihre Vorlage loben, wie Sie wollen, an der Realität ändert das nicht sehr viel. Die Armut steigt, und solange die absolut regierende SPÖ keine Konzepte findet, die Armut in Wien effizient zu bekämpfen, und auf Bundesebene angeblich für eine Grundsicherung eintritt (Abg Godwin Schuster: Ja, die Betroffenen werden es danken!), in Wien aber plötzlich wieder nicht, wird die Armutsproblematik sich nicht lösen, und wir werden uns weiterhin in den Sitzungen der kommende Monate und, ich fürchte, auch Jahre mit der steigenden Armut in Wien beschäftigen müssen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zum Wort gelangt Herr Abg Aigner.

 

Abg Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrat! Meine Damen und Herren!

 

Ein paar Worte zum vorliegenden Vorschlag für ein Wiener Sozialhilfegesetz; einerseits geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinie, zu der man natürlich schon auch inhaltlich ein wenig Stellung nehmen muss. Wenn ich meiner Vorrednerin ein bisschen gefolgt bin, dann wird hier das Bild eines völlig ausgedörrten Sozialstaates gezeichnet, der so unattraktiv ist, dass niemand hierher

 

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