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Landtag, 29. Sitzung vom 29.04.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 79

 

einfach die Reflexe, und hätte tatsächlich ich das gesagt, dann würde jetzt die Dirty-Campaigning-Abteilung der ÖVP wieder eine Doppelschicht fahren. Aber macht nichts. Also lesen Sie zunächst einmal Ihre eigenen Interviews, die Sie geben, bevor Sie sich wirklich zu Wort melden und sich lustig machen über andere.

 

Denn Kollege Amon – das muss ich schon sagen in dem Zusammenhang – hat natürlich in der konkreten Frage der Auseinandersetzung der wirtschaftspolitischen Situation, wie sie sich gegenwärtig darstellt, genau so Recht wie Heiner Geißler, der ebenfalls davon spricht, dass der Kapitalismus über Leichen geht. Aber in den fünf Minuten, die mir zur Verfügung stehen – und eine davon ist schon um –, bleibt natürlich nicht die Zeit, sich umfassend damit auseinander zu setzen. Ich möchte daher ganz kurz noch auf die Wiener Wirtschaftspolitik zurückkommen.

 

Uns ist selbstverständlich klar, dass sich die Wiener Wirtschaftspolitik nicht generell vom in Österreich herrschenden Umfeld und auch nicht vom europäischen Umfeld abkoppeln kann. Dennoch sind wahrscheinlich Fehler passiert.

 

Ich kann mich noch erinnern an eine Studie, die vor drei Jahren, glaube ich, fertig geworden ist – ich bin mir leider nicht ganz sicher, aber die Stadt Wien war in diese Studie eingebunden –, in der insbesondere zur Vorsicht bei der ausschließlichen oder sehr starken Orientierung auf den Biotech-Cluster gemahnt worden ist, unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass genau in München ein starker Biotech-Cluster im Entstehen ist und dass wir "nachwappeln", überspitzt formuliert.

 

Für die klare Entscheidung von Baxter oder die Entscheidung von Sandoz, nicht in Wien weiter oder wieder verstärkt Fuß zu fassen, kann man ebenfalls nicht allein Wien verantwortlich machen. Das ist vollkommen klar – die Firma Baxter trifft ihre eigenen Entscheidungen, Sandoz ebenfalls – und dennoch ist es bezeichnend, dass es wahrscheinlich sinnvoller gewesen wäre, schon vor Jahren verstärkt auf Innovation und Forschung zu setzen, auch jenseits von Biotech und IKT.

 

Nichtsdestoweniger möchte ich auch in diesem Zusammenhang, bevor wir uns wirklich mit den standortpolitischen Vorteilen, die rein auf der wirtschaftlichen Ebene gegeben sind, befassen, daran zurückerinnern, was Bernhard Görg in seiner Abschiedsrede gesagt hat. Das war nämlich sehr wichtig und das ist ein zentraler Bestandteil, auch wenn er sich in der wirtschaftspolitischen Positionierung der Wiener Grünen findet: Dass die Stärke von Wien als Wirtschaftsstandort sich vor allem an den weichen Standortfaktoren messen lässt, und diesen ist unseres Erachtens in den letzten Jahren ebenfalls viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden.

 

Wien hat unter anderem – auch sozusagen ob der bundespolitischen Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass Wien im Verhältnis weniger Geld zur Verfügung gestellt hat – nicht mehr daran gearbeitet, innovativ ins Sozialsystem zu investieren, Wien hat nicht mehr daran gearbeitet, Umweltmusterstadt zu bleiben oder zu werden, so wie Wien es tatsächlich über Jahre hinweg immer wieder bei jeder Stadteinfahrt plakatiert gehabt hat, und auch im Bereich der Kultur hat Wien in den vergangenen Jahren einiges versäumt, was mit dazu beigetragen hätte – gerade was diese weichen Standortfaktoren betrifft –, Wien im Vergleich zu anderen Städten tatsächlich wieder zu einer höheren Popularität zu verhelfen.

 

Darüber hinaus hat Wien es auch versäumt, im Bereich der Nahversorgung und im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen entscheidende Impulse zu setzen, und in dem Sinn ist es natürlich berechtigt, jetzt davon zu sprechen, dass es Versäumnisse in der Wiener Wirtschaftspolitik gegeben hat. Diese Versäumnisse dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine schwarz-blau-orange oder wie auch immer gefärbte Bundesregierung mit ihren Rahmengesetzgebungen mit dazu beigetragen hat, dass es Wien auch nicht leicht hat, eine innovative Wirtschaftspolitik zu gestalten. – Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR DDr Schock. Ich erteile es ihm.

 

StR DDr Eduard Schock (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Ich meine nicht so sehr wie mein Vorredner, dass irgendeine Blutspur das Problem unserer Wirtschaftspolitik in Wien ist (Abg Mag Maria Vassilakou, eine Zeitung in die Höhe haltend: Nicht die GRÜNEN! Amon! ÖVP!), oder auch wie der Herr Amon von der ÖVP, sondern ich meine, unser Problem ist die Kriechspur, auf der sich die Wirtschaftspolitik in Wien bewegt, und die Ereignisse der letzten Wochen waren ja ein beredtes Zeugnis dafür.

 

Da fährt der Herr Bürgermeister gemeinsam mit dem Finanzstadtrat oder auch mit dem Herrn Nettig von der ÖVP monatelang, ja jahrelang könnte man fast sagen, nach Amerika, verhandelt dort mit Firmen, mit der Firma Baxter zum Beispiel, kommt dann zurück, macht immer eine tolle Pressekonferenz, wie die Reisetätigkeit dieser Herren die Ansiedlungen in Wien fördern würde. Und was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass Baxter abspringt, das Ergebnis ist, dass Sandoz auswandert. Und warum, meine Damen und Herren, ist das so dramatisch? Weil diese Firmen ja das Herz unseres Biotechnologie-Clusters sein sollten.

 

Wir sollen aber natürlich nicht nur schwarz-weiß malen, denn es hat in den letzten Wochen natürlich auch positive Erfolge gegeben. Der Herr Kollege Strobl wird das sicherlich noch ausführen. Wir sollten nicht nur schwarz-weiß malen, denn Konzerne wie etwa der Papiererzeuger Mondi oder auch der Bierkonzern Heineken haben sich in Wien angesiedelt.

 

Es gibt also Erfolge und Misserfolge, und interessant ist es doch, sich zu fragen, wo die Ursachen dafür liegen. Österreich hat seit 1. Jänner dieses Jahres das international attraktivste System der Firmenbesteuerung. Es war genau das Ziel der Steuerreform, eben durch die Gruppenbesteuerung Österreich, aber vor allem Wien natürlich als Konzernstandort für internationale Konzerne attraktiv zu machen. Wenn man mit den Managern spricht,

 

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