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Landtag, 22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 94 von 104

 

Pensionsmodell. Wir wollen ein einheitliches allgemeines Pensionsmodell, in dem jeder Beitragseuro dasselbe wert ist. Das erwarten wir uns auch von der Pensionsharmonisierung des Bundes. Ich glaube nur nicht daran. Das, was man jetzt von den Plänen der Pensionsharmonisierung hört, geht in die andere Richtung, nämlich dass es weiter Sonderrechte für Gewerbetreibende, für Bauern und Bäuerinnen geben soll und es wieder die ASVG-Versicherten sind, die hier die Benachteiligten sind. Sie wollen eine Schwächung des staatlichen Pensionssystems, sie wollen – und auch die Abfertigung neu war eigentlich ein Schritt in diese Richtung – eine Schwächung der staatlichen Pension und einen Ausbau der zweiten und dritten Säule in der Pensionsvorsorge, die eine wesentlich schlechtere Absicherung ist und wesentlich weniger Sicherheit bietet für die Menschen in diesem Land, für die Menschen im Alter.

 

Wir stehen für diese Deformierung, für diesen Abbau des öffentlichen Pensionswesens nicht zur Verfügung, und auch deshalb lehnen wir diese Wiener Pensionsreform heute ab. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg Gerstl.

 

Abg Mag Wolfgang Gerstl (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

In den letzten 30 Jahren ist die Lebenserwartung um 8,3 Jahre gestiegen. Der Anteil der über Hundertjährigen verdreifacht sich. Die Anzahl der Geburten hat sich vom Anfang der sechziger Jahre bis heute auf rund die Hälfte reduziert. Gleichzeitig verdoppelt sich die Anzahl der älteren Mitbürger über 60 Jahre auf fast 3 Millionen Mitbürger. Weiters hat sich die Arbeitszeitdauer um sechs Jahre verringert. Das heißt, derzeit gehen bereits 97 Prozent aller arbeitenden Menschen vor dem 65. Lebensjahr in Pension. Die Ausbildungsdauer hat sich um drei Jahre verlängert, und wir sind alle im Durchschnitt um zwölf Jahre länger in Pension.

 

Und da sagst du, liebe Frau Kollegin Vana, es gibt keinen Grund zu handeln? Es liegt nichts vor, um irgendeine Änderung zu machen? Tut mir Leid, da hast du offensichtlich viele Entwicklungen verschlafen, oder du willst sie nicht sehen. Und beides ist in diesem Fall nicht in Ordnung. (Abg Mag Rüdiger Maresch: Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an!)

 

Meine Damen und Herren! Diese Strukturen erfordern Änderungen, diese Strukturen haben den Bund auch veranlasst, nicht nur jetzt, sondern schon in den vergangenen Jahren Änderungen zu machen. Dass das notwendig ist, haben zahlreiche Experten in den achtziger und neunziger Jahren bereits zum Ausdruck gebracht. Doch da – das sag' ich auch ganz offen dazu – ist es uns nicht leichtgefallen, diese notwendigen Änderungen vielleicht schon in den neunziger Jahren durchzuführen, weil es uns auch nicht immer gelungen ist, den damaligen Koalitionspartner dafür zu gewinnen. Aber die Machtprobe, die in der SPÖ damals zwischen Vranitzky und Gewerkschaft geherrscht hat, war für viele nicht durchdringbar, und das hat dazu geführt, dass es notwendig geworden ist, in der Zeit danach die Reformen noch wichtiger zu nehmen und noch rascher durchzuführen.

 

Meine Damen und Herren! Dass das nun dazu führt, dass auch auf Wiener Ebene eine Pensionsreform durchgeführt wird, ist ein positives Zeichen, aber es ist eben nicht mehr als ein positives Zeichen, denn sie erfüllt bei weitem nicht die Voraussetzungen, die notwendig wären, um auch in Zukunft die Pensionen zu sichern, auch wenn die Stadt Wien eine reiche Stadt ist. Aber wenn es der Wiener SPÖ und vor allem der Bundes-SPÖ wirklich ein Anliegen ist, die Pensionen insgesamt zu harmonisieren, dann hätten Sie jetzt auf den Art 21 der Bundesverfassung mehr Rücksicht genommen und versucht, sich dem Pensionssystem des Bundes anzunähern. (Abg Franz Ekkamp: Die gibt es ja noch gar nicht, die Harmonisierung!) Doch so hat die SPÖ nur noch mehr Ungleichheit hineingebracht, nur noch mehr Unterschiede in das Pensionssystem hineingebracht und im Grunde hier ganz bewusst eine Pensionsregelung vorgelegt, die offensichtlich für Disharmonisierung und nicht für Harmonisierung ist. Und damit haben Sie sich auch gegen Ihren eigenen Parteiobmann auf Bundesebene ausgesprochen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren, schon in der Pensionsreform 2000 wurde das Pensionsantrittsalter auf 61,5 Jahre angehoben, die Stadt Wien hat es nicht nachvollzogen. Die Pensionsreform 2003 hat eine Durchrechnung auf 40 Jahre bis 2028 auf Bundesebene gebracht. Sie hebt das Pensionsantrittsalter auf 65 Jahre bis zum Jahr 2017 an, sie bringt Abschläge von 2,36 Prozent pro Jahr für jedes einzelne vorzeitig angetretene Pensionsjahr, sie bringt Zuschläge von 2,2 Prozent für jedes Jahr, das länger gearbeitet wird, sie verringert die Durchrechnung um Zeiten der Kindererziehung auf maximal 36 Monate pro Kind und nimmt damit auch auf ganz wichtige kommende Generationen Rücksicht.

 

Die Unterschiede in der Wiener Pensionsreform liegen nun konkret darin, dass der Bund alle Beamten, die nach dem 1.10.1940 geboren sind, in die Reform mit einbezieht, das Land Wien aber erst alle Beamten, die nach dem 1.1.1950 geboren sind. Das heißt, 10°Jahre werden hier nicht berücksichtigt. Weiters wird es – und das war ein großer Kritikpunkt auf Bundesebene, und ich kann mich auch noch erinnern, dass auch Bundesparteiobmann Gusenbauer dies sehr, sehr oft in der Öffentlichkeit kritisiert hat – in der Stadt Wien bei so genannten Organisationsänderungen weiterhin amtswegige Frühpensionierungen ab dem 55. Lebensjahr geben, und zwar ohne Abschlag und mit Zurechnung. Und das war, glaube ich, einer der größten Schwierigkeitspunkte in den vergangenen Jahren, nämlich Frühpensionierungen abzuschaffen und damit das Pensionssystem für die Zukunft zu sichern.

 

Weiters wird im Land Wien eine Frühpensionierung auf Antrag bei Erreichung einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 45 Jahren möglich sein. Ebenso wird eine Frühpensionierung auf Antrag ab dem 60. Lebensjahr gegen einen erhöhten Abschlag möglich sein.

 

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