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Landtag, 17. Sitzung vom 27.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 66

 

nicht an einer Rechtsinterpretation liegen, um dann in dem Augenblick, in dem wirklich eine Notsituation vorliegt, erst eine Entscheidung treffen zu müssen, ob jetzt der Bund zuständig ist oder die Länder zuständig sind.

 

Ich freue mich daher über Ihre Aussage, dass Sie guten Mutes – wenn ich das so richtig verstanden habe – am Montag zur Landeshauptmännerkonferenz fahren. Nach meinen Informationen ist geplant, einen Kostenteilungsschlüssel im Verhältnis 60 : 40 zwischen Bund und Ländern festzulegen, wobei, glaube ich, das wirklich Wesentliche ist, dass dann alle hilfs- und schutzbedürftigen Fremden in dieser Regelung beinhaltet sind.

 

Daher frage ich Sie in diesem Zusammenhang, da Sie ja als Bürgermeister von Wien ein politisch besonders gewichtiger Landeshauptmann sind: Für wie wahrscheinlich sehen Sie es an, dass Sie einen Beitrag leisten können, tatsächlich zu einer solchen Artikel-15a-Vereinbarung zu kommen?

 

Präsident Johann Hatzl: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter!

 

Gott sei Dank wird der Einfluss in der Landeshauptleutekonferenz nicht auf der Waage gemessen, denn da könnte schon sein, dass ich dann gewinne bei diesem Wettbewerb, das ist möglich (Heiterkeit bei den GRÜNEN), Gott sei Dank gilt das Gewicht der Argumente.

 

Aber ich verhehle nicht, dass ich durchaus die Möglichkeit sehe, diese Grundversorgung auf der Basis einer Artikel-15a-Vereinbarung sicherzustellen. Aber ich wiederhole mich: Es muss zum einem gewährleistet sein – und es freut mich zu hören, dass Sie das auch begrüßen –, dass tatsächlich alle Hilfsbedürftigen, alle Flüchtlinge entsprechend erfasst sind dabei, dann wird am Ende des Tages auch einer 60 : 40-Lösung nicht wirklich etwas entgegenstehen, aber Sie werden verstehen, dass ich mich in einer Fragestunde am Donnerstag nicht festlege, was möglicherweise das Verhandlungsergebnis am Montag sein kann. Dazu sind Sie ja auch von Ihrem Zivilberuf her zu gewieft, um das nicht zu verstehen und zu akzeptieren.

 

Es werden sicherlich auch noch einige andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die dann schon ins Detail gehen und die möglicherweise erst einer Detaildiskussion bedürfen. Die Frage der Deckelung zum Beispiel, wie sie aufgeworfen wurde, scheint mir auch eine wichtige Frage zu sein. Mit Deckelungen haben bisher jedenfalls, was die Bundesebene betrifft, die Länder und auch die Gemeinden keine tollen Erfahrungen gemacht, weil dann am Ende des Tages bei den Gemeinden und auch bei den Ländern der Mehrverbrauch übrig bleibt.

 

Niemand von uns weiß, wie sich heute insbesondere in Asien, aber auch in Afrika die Situation entwickelt und welche Flüchtlingswellen dies auslöst. Wer sich ein bisschen mit der Sache vertraut macht, wer sich ein bisschen anschaut, wie sich die Nationalitäten der Flüchtlinge verändern, findet ja darin immer wieder auch ein Spiegelbild der Weltsituation.

 

Nachdem aus ganz guten Gründen – würde ich jetzt persönlich einmal sagen – Österreich aus dem Scheinwerferlicht der Weltgeschichte verschwunden ist und sich eher im Schlagschatten befindet – das ist gelegentlich ein ganz guter Platz, wenn man lange genug, historisch gesehen, im Scheinwerferlicht gestanden hat, und dies nicht immer ruhmreich –, dann ist natürlich auch der Einfluss von uns auf diese Entwicklung ein sehr geringer. Wir leben nur, wie alle Länder an der Noch-Ostgrenze der Europäischen Union, mit den unangenehmen Folgen dieser Erscheinungen. Und da denke ich ganz ehrlich, dass der Streit, den wir da führen, eigentlich ein ziemlich unwürdiger ist.

 

Österreich hat eine andere Tradition. Österreich hat die Tradition der Ungarnkrise, wo wir geholfen haben, der Krise von 1968, wo wir geholfen haben. Wir haben eine Unzahl von vor der sowjetischen Diktatur und ihrem Antisemitismus geflüchteten Juden hier in Österreich aufgenommen, wir haben im Bosnien-Krieg geholfen und in vielen anderen Konflikten. Wir haben hier eine Tradition der Hilfeleistung, derer wir uns nicht zu schämen brauchen. Und dass wir jetzt wegen ein paar hundert Flüchtlingen eigentlich ein unwürdiges Schauspiel und ein unwürdiges Theater abliefern, das ist etwas, wo ich mir denke, das ist schon schandbar. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Johann Hatzl: Herr Abg Dr GÜNTHER.

 

Abg Dr Helmut GÜNTHER (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Landeshauptmann!

 

Sie haben jetzt Ihre Wortmeldung auch dazu verwendet, von den unbegleiteten Minderjährigen zu einer Kritik am neuen Asylgesetz weiterzuführen. Ich möchte das noch einmal zurückführen auf den Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, weil das ja nicht nur ein Problem der Stadt Wien, der österreichischen Bundesländer im Zusammenspiel mit der Bundesregierung ist, sondern durchaus auch ein gesamteuropäisches Problem. Sie gelten auch dort im Ausschuss der Regionen als gewichtige Persönlichkeit und Vertreter Österreichs und sicher wird auch dort Ihr Wort gehört.

 

Wie sehen Sie dieses Problem, das sich innerhalb der nächsten sechs Monate auf insgesamt 25 Länder ausdehnt, als gesamteuropäisches Problem? Denn die Tätigkeit der Schlepperbanden wird stärker. Das merken wir. Die Destinationen, aus denen die Minderjährigen und auch die anderen Flüchtlinge herkommen, sind immer weiter weg, die Grenzen sind nicht wirklich gesichert und geschützt, und darum ist es ein europäisches Problem, das wir hier vor uns haben. Wie sehen Sie das in diesem europäischen Zusammenhang?

 

Präsident Johann Hatzl: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Also es ist zunächst einmal natürlich ein Problem, das mit dem Stichwort Schengen zu beschreiben ist. Zweifelsfrei werden wir unsere gemäß den Schengen-Verpflichtungen übernommenen Grenzsicherungen so lange aufrechtzuerhalten haben, bis die neuen Mitgliedsländer in der Europäischen Union in der Tat die Schengen-Aufgaben erfüllen können, sohin dem Schengen-Vertrag beitreten und dann unsere

 

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