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Landtag, 14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 83

 

diese grundsätzlich besser ausgebildet als die bisherigen, sie sind zum Teil technisch spezialisiert, es wird aber dennoch Probleme am Arbeitsmarkt und Verdrängungsprobleme geben.

 

Ich wiederhole daher: Mit dem herkömmlichen Instrumentarium werden diese Probleme nicht bewältigt werden können. Ein Zurücklehnen und ein Abwarten ist kein Erfolgsrezept. Wir sollten auch nicht so viel Hoffnungen – auch eine österreichische Leidenschaft – in Defensivstrategien setzen. Defensivstrategien greifen nur dort, wo nach EU-Rechtsbestand echte Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.

 

Was wir wirklich vorbehaltlos, fast begeistert begrüßen – auch wenn man mit der Begeisterung in der Politik vorsichtig sein soll –, ist das Kulturkapitel. Nicht nur deshalb, weil wir es 1967 selbst noch mühsam haben hineinreklamieren müssen, auch nicht deshalb, weil wir uns letztlich über die Diktion nicht einigen konnten, ob die Kultur Europa eine Seele verleiht, aber gerade in Zusammenhang mit Kultur und Europa wird klar, dass es andere Dimensionen als wirtschaftliche, monetäre und vielleicht auch sicherheitspolitische gibt und dass sie spürbar werden.

 

Meine Damen und Herren! "Kultur ist abhängig vom Gedächtnis und von der Tradition." – Das stammt nicht von mir, aber wenn ich einmal Erhard Busek zitiere, dann muss es einen besonderen Grund haben, und ich möchte Ihnen dieses Zitat auch nicht ersparen:

 

"Kultur ist abhängig vom Gedächtnis und der Tradition. Eine Bildungspolitik der jüngsten Vergangenheit" – es geht hier um ein SPD-regiertes deutsches Bundesland – "meinte, nur vermitteln zu müssen, wie man technisch mit dem Wissen umgeht, wo man nachschlagen muss. Wer aber die Zusammenhänge nicht kennt, kann auch mit einem Lexikon, einer Bibliothek oder mit Internet nichts anfangen. Wenn wir in die Zukunft gehen wollen, müssen wir wissen, woher wir kommen.

 

Offensichtlich ist der Mangel am heutigen Bildungssystem die Ursache dafür, dass so viele Menschen die Museen aufsuchen." – Was auch nicht schlecht ist – "Es ist die Suche nach der eigenen Geschichte, wohl auch die Angst vor der Zerstörung des kulturellen Gutes, die angesichts der technischen Möglichkeiten unserer Zeit jederzeit geschehen kann." – Und wir wissen, was gerade im Irak auf diesem Gebiet passiert ist.

 

Nach diesem Zitat komme ich wieder auf Hannes Prochaska zurück. Umso mehr freut uns aber auch, dass letztendlich die Kompromissformel von der geistig-spirituellen Tradition gefunden werden konnte, die geistig-spirituelle Tradition Europas als Begründung eines Wertekanons, meine Damen und Herren, ist doch die gesamte europäische Philosophie eine Verbindung von griechisch-hellenistischen und von biblischen, sprich jüdisch-christlichen Welt- und Wertvorstellungen.

 

Warum auch hätten wir auf diesen Minimalkonsens verzichten sollen, wenn doch selbst der Entwurf zur vorläufigen Europäischen Verfassung noch viel deutlicher sagt: "In dem Bewusstsein ihres geistigen, religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität."

 

Alles in allem, meine Damen und Herren, können wir diesen Vier-Parteien-Kompromiss – und ich freue mich auch, dass es heute ein Vier-Parteien-Kompromiss ist; ich muss mich wie der Herr Bürgermeister neben allen Partnern in der Verhandlung besonders beim Kollegen Ebinger bedanken, der wirklich konstruktiv mitgearbeitet hat und dem ich gelegentlich Unrecht getan habe (Lhptm Dr Michael Häupl: Ach, lieb! Was Europa alles bewirkt!), das kann man sagen – guten Gewissens mittragen, hat doch der lange Weg der Entstehung ebenfalls das Motto von der Einheit in der Vielfalt widergespiegelt.

 

Wenn es nun auch gelingt, meine Damen und Herren, all die Punkte darin, die keine Realisierungsbestätigung darstellen, sondern eine noch zu nutzende Potentialanalyse sind, rasch aufzugreifen, bleibt auch nicht der Beigeschmack des bloß deklamatorischen Charakters. Ich kann Ihnen versichern, dass die ÖVP als die Europapartei von der ersten Stunde an den Mut dazu hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

 

Präsident Johann Römer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Abg Mag Ebinger.

 

Abg Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Bürgermeister!

 

Ich bin jetzt ein bisserl verwirrt durch dieses übergroße Lob vom Herrn Kollegen Prochaska. (Lhptm Dr Michael Häupl: Das sind wir alle!) Jetzt wollte ich zuerst gerade auf seine langjährige Tätigkeit eingehen, nachdem er schon bei Europadeklarationen 1967 dabei war, aber ich werde das unterlassen. (Abg Mag Hilmar Kabas: Das war peinlich!) Ja.

 

Lassen Sie mich auch ein paar Worte zu der nunmehr vorliegenden Vier-Parteien-Einigung zur Europadeklaration sagen. Wir haben das in doch einigen Sitzungen lange und ausführlich diskutiert. Diese Deklaration gliedert sich in verschiedene Kapitel. Am Anfang steht jenes der demokratischen, partizipartorischen Europäischen Union, worin wir feststellen, dass im Sinne des Weißbuches "Europäisches Regieren" Landtage und lokale Institutionen durchaus eine wichtige Rolle im Dialog einnehmen sollen, worin wir feststellen – das hat Kollege Prochaska auch schon gesagt, und das ist auch für uns sehr wichtig –, dass es die Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten geben muss, damit nicht große Mitgliedstaaten über die kleinen hinweg herrschen können, wobei wir dieses im Völkerrecht wurzelnde Prinzip ausdrücklich anführen.

 

Weiters sehr wichtig für uns ist jener Absatz, in dem es heißt: "Wesentliches Element der künftigen Europäischen Verfassung muss eine klare, nachvollziehbare und sachgerechte Aufteilung der Aufgaben und Kompetenzen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sein. Für Unionsbürger und Unionsbürgerinnen muss klar erkennbar sein, welche Ebene wofür zuständig ist und wer wofür die politische Verantwortung trägt." – Das fällt unter den Begriff Subsidiarität und ist auch von uns ein sehr gewünschtes Prinzip.

 

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