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Landtag, 13. Sitzung vom 07.03.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 57

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Frau Kollegin Jerusalem, ich habe fast bezweifelt, ob wir denselben Bericht haben, nachdem sie da so über alle Maßen gelobt haben. Also offenbar ist das die selektive Wahrnehmung, weil ich sehe da sehr vieles anders.

 

Dieser vorliegende Bericht für das Jahr 2002 ist im Grunde genommen eine Fortschreibung der Berichte der letzten Jahre. Der Inhalt ist eher dürftig. Selbstverständlichkeiten werden angeführt, gegenüber der Gemeinde Wien und ihren Einrichtungen ist er sehr zahnlos. Aber die Kritik an der Bundesregierung, die ist da, aber sie ist unsachlich und falsch. (Beifall bei der ÖVP.)  

 

Ich bedaure das sehr, weil ich die Institution der Jugendanwaltschaft für eine sehr wichtige halte (Abg Johann Driemer: Das glaube ich!) und in den anderen Bundesländern ist es auch anders. Hier wird wirklich parteilich für die Kinder und Jugendlichen agiert und nicht so wie in Wien parteipolitisch motiviert.

 

Ihr ideologisches Denkmuster zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht. Eines, was mir besonders aufgefallen ist - und die Frau Kollegin Jerusalem hat es offenbar nicht so empfunden -, ist, mir fehlt bei diesem Bericht grundsätzlich überhaupt die Rolle der Eltern. Und, meine Damen und Herren, Kinder lieben ihre Eltern, die Eltern lieben ihre Kinder, und Kinder brauchen auch für eine gedeihliche Entwicklung die Liebe, die Zuneigung und die Fürsorge der Eltern. Dieser Grundsatz fehlt mir bei all ihren Überlegungen. Auf die Eltern wird in ihrer Ideologie vergessen.

 

Jetzt komme ich zu einigen Themen. Auf den Seiten 19, 20, 21, 22 führen Sie die vielen Scheidungen und Trennungen an. Das ist ja wirklich dramatisch. Im Vorjahr sind in Österreich 21 000 Scheidungen erfolgt, 20 000 Kinder sind davon betroffen. In Wien betrug die Scheidungsrate 59 Prozent. Hier sind jene Eltern nicht eingerechnet, die sich zwar nicht scheiden ließen, aber getrennt haben. Natürlich ist es so, dass die Jugendanwaltschaft mit diesen Problemen sehr stark konfrontiert wird, über die Obsorge, über Besuchsrecht, und so weiter.

 

Ich habe auch als ehemalige Volksanwältin in vielen Kontaktaufnahmen damit zu tun gehabt und ich weiß, welche Schicksale hinter jedem Fall stehen: Daher war auch der Schritt, der im Vorjahr von der Bundesregierung erfolgt ist, eben die gemeinsame Obsorge, ein richtiger Schritt, gegen den Sie aber unsachlich und polemisch aufgetreten sind.

 

Gerade wenn Eltern sich scheiden lassen, brauchen die Kinder besonders ihre Liebe. Daraus leitet sich auch ab, dass Kinder ein Recht auf eine kontinuierliche Beziehung haben, und zwar zu beiden Elternteilen, auch nach einer Scheidung. (Abg Mag Sonja Wehsely: ... Streitigkeiten! - Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Frau Kollegin Wehsely, das Gesetz gibt es ja schon. Ich habe mich erkundigt (Abg Mag Sonja Wehsely: Ich auch!): bisher alles nur positiv, es gibt überhaupt keine negativen Entwicklungen! (Abg Barbara Novak: Was haben Sie für eine Quelle?) Darüber hinaus meine ich, wir sind ja nicht allein auf der Welt. Sie wissen ganz genau, dass Österreich das Schlusslicht war, das letzte EU-Land, in dem es keine gemeinsame Obsorge gegeben hat. (Abg Mag Sonja Wehsely: Es gibt die Abkühlphase nach der Scheidung ...!) Daher bin ich zutiefst davon überzeugt, dass diese gemeinsame Obsorge die Belastungen der Kinder minimiert. (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Ich sehe einen weiteren Vorteil, Frau Kollegin Wehsely, ich sehe auch einen Vorteil für Männer. Sehr oft werden die Männer bei einer Scheidung nur zu Zahlern degradiert. (Abg Godwin Schuster: Genau erwischt! Die Männer haben Vorteile! Sie haben es genau erwischt! - Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich kann Ihnen sagen, da habe ich sicher mehr Erfahrung als Sie, sechs Jahre Volksanwaltschaft haben gerade in dem Bereich sehr vieles bei mir bewirkt. (Abg Godwin Schuster: Ich habe es persönlich erlebt, Frau Korosec! - Abg Gerhard Pfeiffer: Primitives Feindbild!) Wissen Sie, wie viele Väter wirklich nur zu Zahlern degradiert werden? (Zwischenruf der Abg Mag Sonja Wehsely.) - Daher ist eine gemeinsame Obsorge zum Wohl der Kinder. Aber Sie waren dagegen! (Abg Godwin Schuster: ... persönliche Erfahrung!)

 

Aber es ist ganz typisch, es zeigt mir ja so typisch, wie parteiisch die Jugendanwaltschaft vorgeht: Sie sind dagegen, und die Jugendanwaltschaft ist in braver Ausführung selbstverständlich auch dagegen, weil es einfach so sein muss. (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Aber kommen wir zum nächsten Problem, das wird Sie genauso aufregen. Der nächste Bereich ist der Jugendgerichtshof, auf den Seiten 49 und 50. Auch hier haben Sie wieder nicht, wie es Ihre Aufgabe wäre, parteilich für die Jugendlichen agiert, sondern parteipolitische Argumente gebracht und die Verlegung des Wiener Jugendgerichtshofes striktest abgelehnt. (Abg Mag Andreas Schieder: Sie verwechseln das mit der Volksanwaltschaft!)

 

Wie sind denn die Fakten? - Der Jugendgerichtshof besteht aus elf Richtern auf Landesebene und fünf Richtern auf Bezirksebene. Er ist damit praktisch das kleinste Gericht. (Abg Mag Sonja Wehsely: Und das rechtfertigt es?) Sicherlich hat er historische Bedeutung gehabt, keine Frage, das hat sich aber in den letzten Jahren mit der zunehmenden Modernisierung der Jugendgerichtsbarkeit weitestgehend geändert.

 

Ich erinnere an die Diskussion im Vorjahr, als im Zusammenhang mit dem Jugendgerichtsgesetz und bei der Neuordnung des Kindschaftsrechtes auch eine Herabsetzung der Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre erfolgt ist. Damit waren Sie ja einverstanden. Dass das aber natürlich auch Auswirkungen auf die Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechtes haben wird, das hat Sie schon besonders empört. Jetzt frage ich Sie: Was ist daran empörend? Ich finde es richtig, dass Heranwachsende eine gewisse Toleranz bei der Strafdrohung und bei der Strafhöhe haben. Es gibt die sprichwörtlichen Jugendtorheiten, das wissen wir alle. Diese müssen aber auch irgendwann aufhören, denn nichts im Leben ist eine

 

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