«  1  »

 

Landtag, 8. Sitzung vom 25.04.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 48

 

überall wo er hinkommt, erzählt er das, was gerade gehört werden möchte. Er kommt ins Europäische Parlament und sagt dort etwas gegen die Benes-Dekrete. Darauf gibt es einen Beschluss im Europäischen Parlament, dass das überprüft werden sollte, und er ist auf einmal im Europäischen Parlament dafür. Dann fährt er nach Prag und dort erzählt er Herrn Zeman, dass ohnedies alles in Ordnung ist mit den Benes-Dekreten. Dann kommt er nach Österreich und sagt wieder: "Nein, man muss schon reden drüber". - Und so geht es fort, ich könnte weitere Reisen aufzählen.

 

Es ist jedenfalls eine schwierige Situation, die der Herr Erweiterungskommissar verursacht. Ich glaube auch, dass seine Aufgabe ganz einfach wäre, die Erweiterung sowohl für die Europäische Union, aber auch für die Beitrittskandidaten gut vorzubereiten, denn nur mit einer guten Vorbereitung ist auch ein guter Beitritt möglich.

 

Aus dem Grund meine Frage: Sie sind auch noch in vielen europäischen Funktionen tätig, im Ausschuss der Regionen, aber Wien hat auch ein Haus in Brüssel, um auch Lobbying zu betreiben und auch weiterzugeben, was Wien und was auch die Wienerinnen und Wiener berührt. Vielleicht könnten Sie sich hier auch einsetzen, dass hier die Europäische Union auch auf der Basis des Kommissars eine Linie vertreten könnte?

 

Präsident Johann Hatzl: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Also, grundsätzlich bin ich der Auffassung - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund meines früheren Berufs -, dass nur die Schlange mit gespaltener Zunge sprechen sollte und niemand anderer. Wer meint, dass es eine vernünftige Politik ist, jedem das zu erzählen, was er gerne hört, der scheitert.

 

Da ist Verheugen wahrscheinlich nicht der Einzige, der das tut, wenn ich an ganz jüngste Interviews denke, die ich etwa gestern Abend zur Kenntnis nehmen musste. Aber das Kernproblem besteht ein bisschen auch darin ... (Zwischenruf aus der FPÖ: Arabien!) Ich freue mich, dass Sie so international sind, dass Sie auch arabische Sender sehen, das freut mich, dass Sie das tun (Heiterkeit bei der ÖVP und bei der FPÖ.), aber vielleicht haben Sie das auch im Klub angeschaut, kann schon sein.

 

Ich habe es immer schon als problematisch empfunden, dass man versucht, tatsächliche Probleme, die es in einer Diskussion um die Erweiterung gibt und die in Verhandlungen ausgeräumt werden sollten, dadurch zu umgehen, dass man eigentlich jedem das erzählt, was er hören will. Es hatte auch keinen Sinn, dass ein deutscher Bundeskanzler etwa nach Polen gefahren ist, um dort zu sagen, möglichst rasch soll Polen beitreten, und auf der anderen Seite nach Brüssel fährt, um dort zu sagen, Deutschland sei nicht bereit, auch nur eine Mark mehr zu bezahlen. Dies, wo doch jeder weiß, dass die Frage etwa der Agrarfinanzierung gerade bei Polen eine so bedeutende ist, dass sie sich nicht so ohne weiteres lösen lässt, dass man denen sagt, möglichst rasch herein und auf der anderen Seite aber sagt, keine müde Mark mehr.

 

Das ist ein Widerspruch, der unauflösbar ist, ein so genannter Antagonismus, und es hat aus meiner Sicht heraus gesehen Politik so keinen Sinn, weil man nur Hoffnungen erweckt, aber dann nicht Probleme dabei löst. Das gilt aus meiner Sicht zweifelsfrei auch für den derzeitigen Erweiterungskommissar. Ich glaube, man sollte grundsätzlich einmal, gerade bei den großen Ländern in der Europäischen Union, ein bisserl darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, den Ausleseprozess für Kommissare, die man nach Brüssel schickt, danach vorzunehmen, ob man sie im eigenen Land noch brauchen kann.

 

Präsident Johann Hatzl: Danke. - Damit ist die 1. Anfrage erledigt.

 

Die 2. Anfrage (FSP/01946/2002/0001-KSP/LM) wurde von Frau Abg Petra Bayr gestellt und ist an die amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Soziales, Information und Sport gerichtet: In den letzten Tagen sind Pläne von Justizminister Böhmdorfer bekannt geworden, den Jugendgerichtshof zu schließen. Trotz zahlreicher Proteste von Experten will Minister Böhmdorfer daran festhalten. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für Wien?

 

Frau Landeshauptmann-Stellvertreter, bitte.

 

LhptmStin Grete Laska: Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete!

 

Sie stellen eine Frage zu der wirklich beachtenswerten und bekämpfenswerten Tatsache, dass Herr Minister Böhmdorfer den Jugendgerichtshof in seiner derzeitigen Form einer Veränderung zuführen will und fragen mich, was das aus meiner Sicht für Wien bedeutet.

 

Nun, der Wiener Jugendgerichtshof in der Rüdengasse besteht seit 1928. Es ist eine Einrichtung, die nicht nur ein Gerichtshof an und für sich ist, sondern die Jugendstrafanstalt und die Jugendgerichtshilfe in einer Einheit verbindet, und wir haben dazu in den letzten Jahren noch dadurch eine günstige Konstellation von Vernetzung erreicht, dass die Zentrale der MAG ELF in die unmittelbare Nähe übersiedelt ist. Hätte es nicht schon vorher eine hervorragende Kooperation gegeben, so ist sie jetzt jedenfalls noch erleichtert worden.

 

Eines ist in dieser Causa besonders wichtig, nämlich, dass es nicht allein, wie uns ganz gern vorgeworfen wird, ein politischer Reflex ist, dass man sagt, der freiheitliche Justizminister sagt etwas und daher kommt eine Gegenreaktion, sondern alle Expertinnen und Experten in diesem sehr breiten Feld sind einer Meinung, und hier sollte tatsächlich noch einmal nachgedacht werden. Eine bewährte Einrichtung nicht nur zur Bearbeitung von Kriminalität, sondern auch zur Bekämpfung von Kriminalität soll nicht zerschlagen werden. Wir alle wissen, dass Strafdelikte bei Jugendlichen ein ganz spezielles Vorgehen verlangen.

 

Es muss hier alles getan werden, um sie auf diesem Weg der Delinquenz rechtzeitig und nachhaltig zu begleiten und für ihre zukünftige Entwicklung zu sorgen, sei das mit zusätzlicher Ausbildung oder mit anderen Maßnahmen. Und hier ist dieses Zusammenspiel so wichtig. Dazu kommt noch, dass die Prävention, in der ja Wien in sehr vielen Themenbereichen führend ist, gemeinsam

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular