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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 64

 

zu Recht als Bürger zweiter Klasse sehen.

 

Ich beginne jetzt einmal mit den ÖBB. Meine Damen und Herren, wer von Ihnen aus dem Wiener Umland täglich nach Wien hineinpendelt, wird, wenn er nicht weiter reflektiert, zum hemmungslosen Privatisierer werden müssen. Die Qualitäten, die die ÖBB als Monopolbetrieb liefern - denn dort gibt es ja nichts anders; oh ja, es gibt etwas anderes, den privaten Autoverkehr -, die Art, wie die ÖBB im Wiener Umland agieren, mit all den Schwächen eines Monopolisten, der noch dazu signalisiert: Eigentlich interessiert uns das nicht wirklich!, das führt dazu, dass viele sagen: Warum sollen wir hier um ein öffentliches Eigentum kämpfen? - Es fielen mir jetzt viele Betreiber ein, die ums selbe Geld, das dort der öffentliche Verkehr kostet, diesen weitaus attraktiver leisten könnten, als ihn die ÖBB abwickeln. Hier wird - auch in der Propaganda - ein Rückhalt für öffentliche Leistungen zu Grabe getragen.

 

Es gibt auch in Wien diese Fälle. Ich möchte jetzt bewusst die Wiener Linien differenziert behandeln und sie nicht mit den ÖBB im Nahverkehr vergleichen. Dort, wo die ÖBB in Konkurrenz stehen, zum Beispiel im Schwerverkehr, agieren sie völlig anders, sonst wären sie schon überhaupt weg. Aber oft hat man das Gefühl, man ist nur ein Fahrgast.

 

Ich schaue mir nun auch die Wiener Linien an, die im technischen Bereich ohne Zweifel zur Weltspitze zählen, aber auch was die Investitionen betrifft, was das neue Wagenmaterial betrifft et cetera. Dort, wo es um Kommunikation, um Kunden geht, da schlägt sich schon nieder, dass sie nicht wirklich gewohnt sind, im Wettbewerb zu agieren, und auch kommunikativ sind sie nicht. Ich schaue mir an, wie Zeitungen, wie Autohersteller um neue Kunden kämpfen, und ich schaue mir an, wie die Wiener Linien das tun, wie ein Jahresnetzkartenbesitzer einmal im Jahr apostrophiert wird. Aber wird hier im Wettbewerb agiert - Ja oder Nein? - Das sehe ich zu wenig.

 

Jetzt bringe ich bewusst, weil es mich selber betrifft - es mag wie eine Sottise klingen -, ein Erlebnis aus den Wiener Bädern - jüngst erlebt, letzte Woche. Das passiert dir in keinem Privatbad. Ich sage das noch einmal bewusst, nicht um einen Einzelfall herauszugreifen, sondern um zu zeigen, dass gerade hier in Wien Nachholbedarf hinsichtlich Kundenorientierung notwendiger öffentlicher Leistung besteht, sonst verlieren sie die Legitimation und es gibt einen öffentlichen Druck, es unter dem Schlagwort "billiger" privat zu machen.

 

Christoph Chorherr denkt sich: Mach was für deine Gesundheit! Geh am Abend schwimmen! Man schaut nach im Internet. Was findet man dort? Toll! Auf wien.at findet man die Öffnungszeiten. Bis 19 Uhr. Man denkt sich, aha, das geht sich aus. Also, treffe ich mich mit einem Freund um 18 Uhr und gehe noch geschwind schwimmen. Ich nenne jetzt das Bad nicht, damit es dort kein Gemetzel unter den Verantwortlichen gibt. Ich treffe mich also um 18 Uhr. Da wurde mir gesagt: Wollen Sie wirklich jetzt noch schwimmen? Sie wissen eh, um halb sieben sperren wir zu. Sage ich: Entschuldigung, es steht 19 Uhr im Internet. Antwort: Na ja, das ist der Badeschluss, aber um halb sieben müssen Sie wieder draußen sein. Ich versuche ihr zu erklären: Ich dusche mich, meine Föhnzeit braucht nicht so wahnsinnig lange (Heiterkeit.), das geht ruckzuck. Ich verspreche hoch und heilig, ich bin um sieben draußen. - Nein! Sie können jetzt noch eine Viertelstunde ins Wasser gehen, dann müssen Sie heraus. Okay, ich gehe hinein und denke mir: Wann kommt mein Kollege? Auf einmal kommt der Badewaschl, winkt mir zu und sagt mir, der Kollege ist 5 Minuten nach 18 Uhr gekommen, aber 5 Minuten nach 18 Uhr kommst du nicht mehr ins Bad hinein. Um halb sieben müssen alle draußen sein, daher lässt man um 18 Uhr niemand mehr hinein. - Das zum Thema Kundenfreundlichkeit öffentlicher Einrichtungen!

 

Ich denke, ich werde dem neuen Leiter der Wiener Bäder auch über meine persönlichen Erlebnisse berichten, und bin einmal mehr motiviert, mir mehr noch die Wiener Bäder anzuschauen. Ich werde anregen, dass man das ins Internet schreibt und erwachsenen Menschen zutraut, dass sie sich, wenn um 19 Uhr Schluss ist, ihre Zeit selber einteilen können und dass man sie nicht für Volltilos erklärt, wie ich das zu spüren bekommen habe.

 

Vor dem Hintergrund und der Notwendigkeit, jedes Jahr - ich weiß die Zahl jetzt nicht auswendig - 500, 600 Millionen S aus öffentlichen Mitteln zuzuschießen, geht es um ein anderes Verhältnis öffentlicher Dienste zu ihren Kunden. Das ist in einer gewissen Weise meine Hauptmessage, die ich da rüberbringen will.

 

Wenn häufig so agiert wird wie bei Teilen der ÖBB, wie manchmal bei den öffentlichen Linien, wie in Sozialämtern, wo man sich nicht von Gleich zu Gleich, sondern quasi als Mensch minderer Klasse fühlt, dann stellt man auch die Sinnhaftigkeit öffentlicher Leistungen in Frage. Diesbezüglich gibt es in Wien einen großen Nachholbedarf, öffentliche Leistungen entsprechend attraktiv für die Kunden hinüberzubringen.

 

Ein ganz letzter Satz. Weil ich in vielem, Herr Landeshauptmann, Ihren Ausführungen Recht gebe, verstehe ich nicht ganz Ihr inzwischen schon von einigen zitiertes Interview. Ich habe auch gestaunt - ich habe es mir noch einmal kurz angeschaut -, wie Sie in einem Presseinterview gesagt haben, es gibt den US-amerikanischen Weg und es gibt den europäischen Weg und der US-amerikanische ist Ihnen lieber. Die Konsequenz des grundsätzlichen US-amerikanischen Wirtschaftswegs ist eine, die - das brauche ich Ihnen jetzt nicht im Detail zu erzählen - zu mehr Ungleichheiten führt. Dieser Weg führt vielleicht zu Spitzenleistungen einiger weniger, er ist aber sicher kein solidarischer, der auch auf Ausgleich beruht.

 

Wenn Sie diese Rede in irgendeinem Bundesstaat halten, werden Sie dort nie als Gouverneur gewählt, nicht einmal in Alabama oder in Nebraska. Damit will ich nichts gegen Nebraska gesagt haben. (Lhptm Dr Michael Häupl: In New York!) Auch nicht in New York. (Lhptm Dr Michael Häupl: Ich kandidiere nicht!) Häupl gegen Hillary Clinton, das wäre irgendwie interessant. Aber ob Sie mit

 

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