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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 19.12.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 95

 

dauert so lange, wenn man jedes Mal abgelehnt wird, und das ist ein gewaltiger Unterschied.

 

Ich verstehe Ihre Logik nicht, wenn Sie sagen, wir sollen Asylwerber in den Arbeitsmarkt bringen, während die größte Gruppe von Mindestsicherungsbeziehern Asylberechtigte sind. Erklären Sie mir doch, warum wir nicht zuerst die Asylberechtigten und die subsidiär Schutzberechtigten in den Arbeitsmarkt bringen, nämlich diejenigen Leute, die hier bleiben dürfen, die schon einen Aufenthaltstitel haben, und erst dann schauen, was wir mit Asylwerbern machen! Das ist völlig unlogisch! Warum sollten Asylwerber eher in den Arbeitsmarkt gebracht werden als Asylberechtigte? Das ist völlig unlogisch! Das kann mir kein Mensch erklären!

 

Dazu kommt die Herausforderung, dass 70 Prozent der Personen, die jetzt Asylanträge stellen, Analphabeten sind. Sie können nicht arbeiten. Sie müssen alphabetisiert werden. Sie müssen die Sprache lernen. Und erst ab dem Zeitpunkt, da sie ein positiv beschiedenes Asylverfahren haben, können sie arbeiten. Es ist aber doch irrwitzig und völlig ideologisch motiviert, wenn man sagt, man muss einen Asylwerber, bei dem die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er ein Analphabet ist, in den Arbeitsmarkt bringen, während wir zig Tausende Asylberechtigte in der Mindestsicherung haben. Das ist unlogisch, Kollegin Bakos! Bitte denken Sie einmal darüber nach! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie haben auch den Integrationsrat angesprochen. Wir haben das schon mehrfach diskutiert. Ich habe damals gesagt: Es ist ein Wahrheitsministerium, das Sie sich da schaffen. Es ist leider ein Wahrheitsministerium, das sich im Wiederkauen übt, denn es kommen immer die gleichen Themen, also sowohl Arbeitsmarkteintritt als auch Staatsbürgerschaft. Das hatten wir und hatten wir und hatten wir. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir uns zukunftsweisenden Themen und neuen Herausforderungen zuwenden, etwa dem Mann-Frau-Verhältnis oder der Frage, wie man mit einer gezielten Männerintegration umgeht. Ich bringe das in meinem heutigen Antrag, dass eine Disbalance zwischen Männern und Frauen aus den Fluchtherkunftsländern besteht. Das ist eine große Herausforderung.

 

Eine große Herausforderung ist auch die geographische Verteilung. Ja. Diese Wohnsitzauflage ist durchaus etwas, was man in einem breiteren Kontext diskutieren kann. Wir sehen - ich habe es schon öfter angesprochen - die Binnenmigrationsbewegungen von Drittstaatsangehörigen, ganz besonders von syrischen und afghanischen Staatsangehörigen, von ganz Österreich nach Wien. Das sehen wir, und darauf kann man mit einer Wohnsitzauflage reagieren, indem man sagt, der Bund soll da etwas machen. Man kann aber auch schauen, was wir im eigenen Tätigkeitsbereich machen können. Das ist ein Thema, das wir mit StR Hacker schon länger diskutieren. Es geht beispielsweise darum, wenn ein Asylberechtigter, der in der Grundversorgung ist und hier einen Antrag auf Grundversorgung stellt, in die Datenbank zu schauen, ob er nicht zufällig einem anderen Bundesland zugeteilt ist. Und wenn dieser - Hausnummer - Kärnten zugeteilt ist, dann bekommt er halt in Wien keine Grundversorgung. Auch so könnte das Problem gelöst werden.

 

Das betrifft nicht nur die Asylwerber, sondern wir sehen die Wanderungsbewegung auch bei Asylberechtigten, und das zu regulieren, ist noch einmal deutlich schwieriger, weil man sie nicht mit einer Wohnsitzauflage an einen Ort binden kann. Man könnte aber die Zusatzleistungen des Wiener Sozialsystems unterbinden. Man könnte beispielsweise nicht sofort ab Tag 1 der Asylberechtigung, da man den Bescheid hat, die Mindestsicherung auszahlen, sondern wie alle anderen Bundesländer weiterhin die Grundversorgung für vier Monate auszahlen. Oder man könnte subsidiär Schutzberechtigten eben nur die Grundversorgung und nicht die Mindestsicherung auszahlen. Diesbezüglich hat Wien eindeutig und völlig fraglos zusätzliche Pull-Faktoren.

 

Ich sehe das absolut so wie Sie. Das ist ein Problem, das wir in vielfacher Hinsicht lösen müssen, in integrationspolitischer Hinsicht, in Wiener Hinsicht und auch im Hinblick auf den Arbeitsmarkt. Es ist natürlich sinnvoller, wenn zusätzliche Arbeitskräfte in ländlichen Gegenden leben, wo sie gebraucht werden, und sich nicht alles auf Wien konzentriert. Da gibt es mehrere Lösungsmöglichkeiten, und ich glaube, da kann man durchaus auch die Wiener Kompetenz betrachten und nicht nur die Kompetenz der Bundesebene.

 

Und zum Abschluss, Kollegin Bakos, Sie haben gesagt, die ÖVP hat schon wieder irgendetwas Schreckliches gesagt und wird von der FPÖ getrieben. Das ist halt leider nicht richtig. Wovon wir getrieben werden, sind die Tatsachen, wovon wir getrieben werden, ist das, was wir jeden Tag in der Zeitung lesen und was wir auf den Wiener Straßen sehen. Das ist der Grund, warum wir die Forderungen, die wir seit Jahr und Tag stellen, noch einmal vehementer stellen und noch einmal vertiefen müssen. Ich glaube, zumindest dieser Diagnose schließen Sie sich an, dass es so nicht weitergehen kann, dass sich etwas ändern muss. Es läuft nicht gut. Was bis jetzt passiert ist, war nicht zu 100 Prozent erfolglos, aber zu einem Großteil erfolglos, und Sie müssen auf diese Fluchtwelle, die seit 2015 gekommen ist, endlich mit Integrationspolitik reagieren und nicht einfach so weitermachen, wie Sie es die Jahrzehnte davor gemacht haben. Das wäre hoch an der Zeit. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, die Debatte ist geschlossen.

 

Ich darf nur noch alle Damen und Herren des Gemeinderates darauf hinweisen, dass nach unserer Geschäftsordnung die Anrede an den Gemeinderat und nicht an einzelne Mitglieder zu richten ist.

 

Der Herr Berichterstatter hat das Schlusswort. Er verzichtet.16.01.10 Wir kommen daher zur Abstimmung, die wir getrennt durchführen.

 

Postnummer 8, bitte um ein Zeichen. Das ist angenommen von SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN, gegen FPÖ mehrstimmig angenommen.

 

Postnummer 9, bitte um ein Zeichen. - Zustimmung bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN, gegen ÖVP und FPÖ mehrstimmig angenommen.

 

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