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Gemeinderat, 46. Sitzung vom 29.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 32

 

Was meinen diese drei Rettungsringe? Welche Maßnahmen schlagen wir vor? Erstens zu den Verbesserungen in der Pflege: Wir brauchen endlich eine bessere Finanzierung für eine substanzielle Personalaufstockung und bessere Bezahlung in der Pflege. Wir brauchen eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung für die Pflege. Das verstehe ich wirklich nicht: Wir wissen von den Pflegerinnen und Pflegern, mit wie viel Herzblut sie diesen Job machen. Alle sagen das Gleiche: Das ist mit diesem Arbeitszeitmodell nicht durchzuhalten. Ich verstehe nicht, warum wir es nicht schon längst geschafft haben, einfach einmal ein Pilotprojekt zu machen. Wenn wir es schon nicht flächendeckend ausrollen, warum trauen wir uns dann nicht einmal, Pilotprojekte zu machen und zu schauen, wie denn die Arbeitszufriedenheit ist? Warum erproben wir nicht eine Viertagewoche? Warum erproben wir nicht einen Sechsstundentag in der Pflege? Das kann ich einfach nicht verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Was wir aber auch brauchen, ist eine Rückkehrprämie für Pflegekräfte. Manche verabschieden sich und sagen: Ich kann nicht mehr. Warum reichen wir ihnen nicht jetzt die Hand mit einer attraktiven Prämie und sagen: Kommt wieder zurück! Kommt vielleicht in ein attraktiveres Arbeitszeitmodell zurück!

 

Der erste Rettungsring: Bessere Bedingungen in der Pflege. Zweiter Rettungsring: Verbesserung der Arbeitsbedingungen aller Ärztinnen und Ärzte. Wiederum heißt eine Verbesserung der Arbeitsbedingung: Verlässliche Dienstpläne und ausreichend Zeit für die PatientInnen. Wir haben heute von dieser Übergabe gehört, für die man in Wirklichkeit eine Viertelstunde Zeit hat. Das ist eigentlich unglaublich. Man kann sich nicht vorstellen, wie man in einer Viertelstunde viele Patientinnen und Patienten übergibt, sodass sie weiterhin gut versorgt werden. Wir sagen auch immer wieder: Flexible Arbeitszeiten, aber auch eine Strukturreform, ein Abbau von Bürokratie. Ich glaube aber, wir müssen den Fokus wirklich auf die Zeit legen, die Ärztinnen und Ärzte mit PatientInnen verbringen, und möglichst wenig Bürokratie innerhalb des Spitalsbereichs zu haben.

 

Natürlich geht es aber auch um die Frage von Führungskultur und Fehlerkultur. Wir haben viele Gespräche miteinander geführt. Die ÄrztInnen sind bei uns am Tisch gesessen. Das zieht sich so ein bisschen durch. Wie wird ein Krankenhaus geführt? Was wird da zugelassen? Wie werden alle gehört? Wie werden gemeinsame Entscheidungen getroffen? Wir brauchen auch eine Rückkehrprämie für die vielen ÄrztInnen, die den Hut draufgehaut haben und gesagt haben: Ich kann unter diesen Bedingungen nicht mehr. Reichen wir auch den Ärztinnen und Ärzten, die sich aus dem System verabschiedet haben, die Hand und holen wir sie zurück!

 

Natürlich geht es auch um eine 24-Stunden-Kinderbetreuung in den Spitälern - auch das ist ein Riesenthema und hat viel mit Vereinbarkeit zu tun -, um eine Aufstockung bei der Prävention zur Gesundheitsförderung und insgesamt um eine bessere medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich. Da schließe ich mich auch dem Dank an Sozialminister Johannes Rauch an, der mit der Gesundheitsreform die ganz richtigen Prioritäten gesetzt hat, was einerseits den noch schnelleren Ausbau der Primärversorgungszentren und andererseits auch die Grundreform des Gesundheitswesens insgesamt betrifft. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Der dritte Rettungsring betrifft die strukturellen Verbesserungen. Was bedeutet das im Detail? Der WIGEV und die Spitäler brauchen dringend eine moderne Führungs- und Fehlerkultur, wie ich schon gesagt habe. Wir haben einfach gesehen - das Personal in den Spitälern bestätigt uns das -: Es gibt keinen guten Umgang mit Kritik. Es gibt keinen guten Umgang mit Verbesserungsvorschlägen. Es gibt kein System, das all diese guten Vorschläge, die auch von unten kommen, tatsächlich hört und dann entsprechende politische Maßnahmen setzt.

 

Ich habe schon gesagt, dass es um den Ausbau von Primärversorgungszentren geht. Es geht aber auch um innovative Projekte wie das Community Nursing. Das ist so ein gutes, innovatives und wichtiges Projekt. Wir müssen das noch mehr ausbauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

 

Natürlich geht es auch um das Thema Digitalisierung. Das ist ein ganz wichtiger Baustein, um tatsächlich Versorgungssicherheit garantieren zu können - Stichwort E-Health, und so weiter. Da braucht es weiter mutige strukturelle Verbesserungen. Last but not least - wir werden nicht müde, das zu betonen - brauchen wir in Wien auch eine multiprofessionelle und interdisziplinäre Long-Covid-Ambulanz, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Werfen wir also abschließend noch einmal einen Blick darauf: Worum geht es? Was ist wichtig? Was ist entscheidend? Wir rufen nicht nur SOS Gesundheitssystem, sondern wir werfen auch drei Rettungsringe aus: Erstens einen Rettungsring für alle, die unter den miserablen Bedingungen in der Pflege leiden, zweitens einen Rettungsring für alle Ärztinnen und Ärzte, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Dienste einhalten sollen, wie sie sich um Patientinnen und Patienten kümmern sollen und wie sie mit Dauerstress und Dauerbelastung umgehen sollen, drittens einen Rettungsring für alle, die in diesem kaputten Gesundheitssystem dringend strukturelle nachhaltige Verbesserungen brauchen, damit sie ihren Job auch weiterhin gut machen können.

 

Die Menschen in dieser Stadt, die Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal, die PatientInnen und Angehörigen, haben es nicht verdient, dass die Stadtregierung hier noch länger wegschaut und weghört, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was macht das mit den Menschen, wenn sie zu Patienten werden und wochenlang oder monatelang auf eine notwendige Behandlung und Operation warten müssen, wenn sie sich mit Krebsdiagnosen alleine gelassen fühlen, weil nicht genug Zeit ist, um diese Diagnosen mit ihnen zu besprechen? Was macht es mit den Angehörigen, wenn sie mitansehen müssen, wie ihre Liebsten nicht die notwendige Versorgung bekommen?

 

Das Personal pfeift aus dem letzten Loch, und die Menschen in dieser Stadt verlieren das Vertrauen in das Wiener Gesundheitssystem. Das dürfen wir einfach nicht

 

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