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Gemeinderat, 43. Sitzung vom 18.10.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 95 von 122

 

Michael Strebl und Peter Weinelt von der Wien Energie und den Wiener Stadtwerken bezeichnen das in der Untersuchungskommission als Schlüsselereignis für die erste Notkompetenz, und das ist wichtig, um eben zu sehen, was ist eigentlich im Vorfeld passiert und wann ist es passiert, weil heute hier ja immer so die Rede war, es wäre alle mögliche Zeit gewesen, um alle Gremien einzuberufen, alle zu informieren, in aller Ruhe darüber nachzudenken, was der nächste Schritt ist. Strebl und Weinelt sagen, es war eine energiewirtschaftliche Bombe, die da am 13. Juli geplatzt ist. Es war einmalig und es war epochal. Es gab wirklich große Befürchtungen, dass sich über das kommende Wochenende die Situation weiter zuspitzen und verschärfen könnte. Und da möchte ich gerne ein Zitat bringen, das im Wortprotokoll zu finden ist und auch im Abschlussbericht, wie der Peter Weinelt geschildert hat, was das bedeuten würde auch für die Wien Energie und für die Wiener Stadtwerke, nämlich dass es dann einfach keine Spielräume gibt, wenn man nicht schnell handelt. Er sagt wörtlich: „Sie bekommen die Rechnung zwischen 9 und 9.30 Uhr am Vormittag und müssen bis 14 Uhr den Cash-Eingang bei der Clearing-Bank haben. Das können Sie sich jetzt vorstellen wie eine Guillotine: Es gibt nicht 14.01 Uhr, es gibt 14 Uhr - dann sind sie vom Markt genommen.“

 

Das war also der Hintergrund der Tatsache, dass die Wiener Stadtwerke an die Stadt Wien herangetreten sind, auch heute schon ein paar Mal gefallen: Der fehlende und nicht in Sicht seiende Schutzschirm, weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Es ging also um die Absicherung eines Liquiditätsbedarfs, der möglicherweise schon nach dem Wochenende am Montag hätte schlagend werden können. So kam die erste Notkompetenz zustande und zwar in ganz klaren Abläufen. Ich bedauere ja, dass viele heute gesagt haben, es gibt keine Erkenntnisgewinne aus der Untersuchungskommission. Mir ist es, ehrlich gesagt, nicht so gegangen. Ich habe nicht nur über die Energiewirtschaft viel gelernt, sondern eben auch über die Abläufe in der Stadt. Vorbereitet wurde der Antrag von der MA 5. Auch da hat man so zwischen den Zeilen gehört, quasi weitergewunken, abgesegnet. Auch das ist nicht wahr, das haben wir in der Untersuchungskommission ausführlich gehört, dass es wesentliche Korrekturen gab im Hinblick auf den Rohentwurf, zum Beispiel, was die Höhe des Kreditrahmens betrifft, nicht die ursprünglich beantragten 2 Milliarden, sondern 700 Millionen würden zur Verfügung gestellt, was die Konditionen für den Kredit betrifft, aber auch, was die Schuld- und Klagloshaltung der Stadt Wien betrifft. Das hat sich ja in der Untersuchungskommission mitunter angehört, als wäre das überhaupt der größte Skandal. Die Wahrheit ist, dass die Stadt sich sozusagen klaglos gehalten hat, was ja nur in unser aller Interesse sein kann.

 

Die MA 5 war es schließlich auch, die die Entscheidung getroffen hat, den Antrag als Notkompetenz nach § 92 Stadtverfassung vorzubereiten. Dazu möchte ich gerne die Kollegin Karoline Süka zitieren, eine Mitarbeiterin der MA 5, die damals auch die Urlaubsvertretung für den Abteilungsleiter innehatte, die sagt: „Aus den Unterlangen und der Darstellung hat sich ergeben, dass die Dringlichkeit sehr hoch ist, das heißt, für mich war rasch klar, dass die schnellstmögliche Variante erforderlich ist. Das ist in diesem Fall eine Notkompetenz, die der Bürgermeister ausübt. Für mich war es undenkbar, dass noch rechtzeitig ein Kollegialorgan zusammentreten kann. Es hat besonders die Gefahr bestanden, dass schon nach dem Wochenende so eine Margin-Zahlung fällig wird.“ Also noch einmal zur Erinnerung: Der Fristenlauf war am 13. Juli, da hat die Gazprom angekündigt, vielleicht geht die Pipeline gar nicht mehr in Betrieb, am 15. Juli, zwei Tage später, wurde die Notkompetenz unterzeichnet. Wir reden da nicht von Wochen, nicht von Monaten, sondern von zwei Tagen, in denen dieser Antrag vorbereitet und letztlich unterzeichnet wurde. Der normale Gremienweg hätte Wochen gedauert, auch das haben wir zur Genüge gehört. Auch die Notkompetenz des Stadtsenates hätte zumindest einige Tage gedauert. Also traf die MA 5 kollektiv die Entscheidung, eine Notkompetenz des Bürgermeisters vorzuschlagen.

 

Marko Miloradovic, Mitarbeiter im Büro des Finanzstadtrates und Bereichsleiter Strategische Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, hat in der Untersuchungskommission das so auf den Punkt gebracht: „Die Frage der Notkompetenz war letztlich verbunden mit: Wie schnell muss man eine Liquiditätsreserve aufbauen?“ Und heute wissen wir, es ging um übers Wochenende, es ging um drei Tage später, wovon zwei im Wochenende lagen. Der Antrag wurde also innerhalb von wenigen Tagen von allen zuständigen Stellen gewissenhaft und kritisch geprüft. Auch da haben wir heute gehört, durchgewunken, niemand hat sich interessiert, eigentlich hat sich niemand angeschaut, was da drinnensteht.

 

Das Gegenteil ist der Fall. Es waren viele MitarbeiterInnen von unterschiedlichen Stellen involviert in diese Prüfung, von der MA 5, von der MA 6, vom Büro des Finanzstadtrates, der Stadtrat selbst, von der MD-R, vom Magistratsdirektor, der hat noch einmal den Verfassungsdienst damit befasst, und schließlich der Präsidialchef und der Bürgermeister selbst. Auch im Büro des Bürgermeisters hat es eine gewissenhafte Prüfung gegeben, nämlich einerseits im Hinblick, ob der Antrag ordnungsgemäß und verfassungsgemäß zustande gekommen ist, zweitens die Beurteilung der Dringlichkeit und drittens des Kreditrahmens selbst. Das wurde schließlich final als schlüssig und sinnvoll bewertet und dann unterschrieben. Also ich würde sagen, das ist das Gegenteil von dieser ganzen Vorgehensweise, was der Kollege Ellensohn mit Notkompetenzknopf-Spielen bezeichnet hat, oder der Kollege Taborsky mit Märchen, die da hier erzählt werden. Oder, ich hab‘ auch vorher vernommen, es gibt da irgendwie Beschwerden von mangelnder Verantwortung und Entscheidungsfreudigkeit und „leadership“. Ich würde sagen, genau das ist „leadership“, in einer so dringlichen Situation wichtige und notwendige Entscheidungen auch zu treffen.

 

Heute rückblickend kann man sagen: Okay, die Wien Energie hat den Kredit erst Ende August gebraucht, da wäre sich vieles ausgegangen bis dahin. Aber das ist halt die Weisheit von heute und nicht von damals. Zum Schluss ging es um die Versorgungssicherheit von zwei

 

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