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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 25.04.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 103

 

Die antragstellenden Gemeinderäte und Gemeinderätinnen teilen die Auffassung des Herrn Bundespräsidenten. Das ist für uns Grund und Anlass genug, diesen Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus im Haus einzubringen. Meine Damen und Herren, gerade auch in der Pandemie - das muss ich Ihnen hier nicht sagen, es war mehrfach Thema - hat es eine Fülle an antisemitischen Vorfällen gegeben. Da reden wir nicht von Vergangenem, von sogenannten alten Nazis, sondern wir reden von einer immer noch in der Gesellschaft vorhandenen Tendenz antisemitischer Haltungen und Stimmungen, von neuem und altem Antisemitismus, in welcher Erscheinungsform auch immer.

 

Ich darf Ihnen berichten, dass wir uns in der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Antisemitismus, in der ja alle Parteien vertreten sind, entschieden haben, uns verstärkt diesem Thema zu widmen. Das hat auf Grund der Pandemie nicht die Dynamik entwickelt, wie wir uns das ursprünglich vorgenommen haben. Ich darf Ihnen aber berichten und ich verspreche es Ihnen auch, dass wir das jedenfalls im nächsten und übernächsten Jahr zu einem wirklichen Schwerpunkt unserer Tätigkeit machen werden - auch mit dem Schwerpunkt der Aufklärung und der Hinwendung zur jüngeren Generation -, damit nicht aus Desorientierung, falscher Indoktrinierung, Verzweiflung, Angst und Not antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft eintreten.

 

Der Philosoph Theodor W. Adorno hat einmal gesagt: „Antisemitism is the rumour about the jews.“ Diese Gerüchte gibt es nach wie vor. Ich sage Ihnen unsere Einschätzung - das ist nicht nur meine, das sind die Einschätzungen der Arbeitsgruppe -: Diese Gerüchte nehmen zu. Unsere Aufgabe - und damit meine ich jedes einzelne Mitglied dieses Hauses, alle Menschen, die im politischen Prozess sind -: Alle Menschen, die in irgendeiner Art und Weise für die Würde des Menschen eintreten, sind verpflichtet, dem entgegenzutreten.

 

Der große Rabbiner Sir Jonathan Sacks hat einmal gesagt: „Antisemitism is the dislike of the unlike.“ Das ist eine sehr schöne, natürlich nicht erschöpfende, aber sehr schöne Beschreibung, was Antisemitismus ist. Das ist es, was wir bekämpfen müssen. Dazu haben wir diesen Antrag eingebracht: Der Wiener Gemeinderat wird sich stets dafür einsetzen, dass jegliche Form von antisemitischen, faschistischen Aktivitäten - in welcher Form auch immer - in Wien keinen Platz haben. Jegliche Form von Antisemitismus - ob in neuen oder alten Erscheinungsformen - wird auf unseren entschlossenen Widerstand treffen.

 

Den Antrag bringen wir, die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte Rompolt, Weber, Emmerling, Kunrath, Kickert, Hungerländer, Juraczka, Krauss, Matiasek und ich, ein. Ich ersuche Sie um die Unterstützung dieses Antrags. - Danke schön, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, GRÜNEN und NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Falls über den Antrag abgestimmt werden soll, darf ich auch bitten, ihn dem Vorsitzenden zu übermitteln. (GR Peter Florianschütz, MA MLS: Ja, sollten wir schon machen!)

 

Für das Protokoll darf ich bekannt geben, dass GR Stark von 16 bis 18 Uhr verhindert ist und daher nicht an der Sitzung teilnehmen wird. Zu Wort gemeldet ist GR Kunrath. Ich erteile es ihm.

 

15.43.40

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Herr Vorsitzender! Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hallo vor dem Livestream! Dieser entsprechende Tagesordnungspunkt hat etwas sehr Wichtiges, nämlich die Förderung von ukrainischen WissenschaftlerInnen in Wien, von Menschen, die flüchten mussten und geflüchtet sind, weil es in ihrer Heimat keine Chance mehr gibt, wissenschaftlich zu arbeiten, weil sie von einem Aggressor bedroht werden, weil sie getötet, verletzt und Sonstiges werden, was tragisch ist und was dramatisch ist. Wir alle müssen mit äußerster Kraft dagegen kämpfen, dass dieser Aggressor endlich damit aufhört, in der Ukraine Menschen zu töten.

 

Das Töten ist nicht allein das Dramatische. Es gehen auch unglaublich viel Wissen und unglaublich viele Information verloren, wenn in der Ukraine so umgegangen wird. Ich bin sehr, sehr froh, dass eine dieser drei Stellen, die heute hier mitgefördert werden, nämlich das VWI, also das Wiener Wiesenthal-Institut, dabei ist, hier 30.000 EUR für Forschung, Dokumentation und Vermittlung zu bekommen. Denn es zeigt auch, wie wichtig gerade dieser Bereich der Arbeit ist, diese Antisemitismusarbeit, die gerade vorhin auch Kollege Florianschütz schon angesprochen hat, denn im antisemitischen Bereich zu forschen, ist - das ist mit großem Bedauern festzustellen - nach wie vor wichtig.

 

Ich habe heute nur einmal den Bericht von der Meldestelle Antisemitismus für das letzte Halbjahr mitgenommen, weil der Gesamtjahresbericht erst veröffentlicht wird. Wo passiert denn etwas, oder wie passiert denn etwas? - Wenn man sich dann den Verlauf der Zahlen der Meldungen anschaut und wenn man sich ansieht, was denn bei einzelnen Punkten passiert und welche Meldungen das denn sind, dann müssen wir noch immer feststellen, dass es im 1. Halbjahr 2022 96 Schoah-Relativierungen beziehungsweise -Leugnungen waren - ein Bereich, wo man sagen muss: Das kann doch nicht mehr sein, dass es in Österreich noch eine einzelne Person gibt, die nicht an den Holocaust glaubt.

 

Offenbar ist das aber schon so. Offenbar wird der 8. Mai, an dem wir die Befreiung in Österreich feiern - was ja historisch nicht ganz stimmt, wenn wir wissen, welcher Tag heute ist und wenn wir wissen, wie das in anderen Bereichen sonst noch weitergegangen ist ... Zumindest aber war es ein wichtiger Schritt, dass wir diesen Tag, den 8. Mai, auch entsprechend begehen. Wir werden auch heuer wieder das Fest der Freude machen. Wir werden mit Unterstützung der Stadt auch heuer wieder mit den Wiener Symphonikern und heuer erstmals ja auch mit aktuellerer Musik ein großes Fest am Heldenplatz machen können.

 

Ich freue mich, dass wir im Vorfeld dieses 8. Mai nun einen Allparteienantrag beschließen, dessen Begründung - dieses so wichtige Zitat, das Kollege Florianschütz vorhin auch vorgelesen hat - von der Angelobung von Van der Bellen gewesen ist. Es braucht solche Zitate offenbar noch immer. Das ist das Tragische und das Traurige, das wir hier erleben.

 

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