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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.02.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 64

 

des gesetzmäßigen Wirkungsbereichs. Der Begriff Wirkungsbereich bezeichnet den gesamten Aufgabenbereich eines Organs.

 

Dass sich die Amtshilfe im Wirkungsbereich der beteiligten Organe halten muss, bedeutet daher, dass ein Konnex zu den eigenen Aufgaben vorhanden sein muss. Das ersuchte Organ, hier der Magistrat, hat ein einlangendes Amtshilfeersuchen sowohl dahin gehend zu prüfen, ob das ersuchende Organ zur Stellung des Ersuchens berechtigt ist, als auch zu hinterfragen, ob dieses Ersuchen zulässig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist das ersuchte Organ zur Verweigerung der Amtshilfe nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.

 

An diese bundes-verfassungsgesetzlichen Vorgaben ist im gegenständlichen Fall selbstverständlich auch der Magistrat der Stadt Wien gebunden. Würde ich, wie Sie es in der Frage in den Raum stellen, eine Weisung zur Bereitstellung von Unterlagen an die Untersuchungskommission erteilen, so hätte dies gravierende Auswirkungen, sofern die Voraussetzungen im Einzelfall dafür nicht vorliegen. Hier könnte in Persönlichkeitsrechte eingegriffen werden und eine Verletzung des Briefgeheimnisses beziehungsweise des Telekommunikationsgesetzes daraus resultieren. Solche Eingriffe in bundesgesetzlich verankerte Rechte können nur mittels einer richterlichen Anordnung erfolgen.

 

Im Hinblick auf den gesetzmäßigen Wirkungsbereich ist ferner zu berücksichtigen, dass Untersuchungskommissionen nur dann eingesetzt werden können, wenn es darum geht, die Verwaltungsführung der Organe der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu überprüfen. Im Vordergrund steht dabei die politische Verantwortlichkeit der Organe. Konkretisiert wird der Untersuchungsgegenstand im Einzelfall durch den im Einsetzungsantrag behaupteten Missstand, der innerhalb der zuvor beschriebenen Grenzen liegen muss. Die Tätigkeit der Untersuchungskommission ist daher rechtlich darauf beschränkt, dass sie innerhalb dieses Rahmens stattfindet.

 

Was im Einzelfall konkret Gegenstand der Untersuchung ist, ist dem Einsetzungsantrag sowie der Entscheidung des Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates betreffend eine allfällige Unzulässigkeit zu entnehmen.

 

Auf dieser Basis wurde die aktuelle Untersuchungskommission, bekanntlich in der Sitzung am 24. November 2022, im Umfang des Antrages mit Ausnahme der unzulässigen Punkte I. Punkt 5 und III. Punkt 10 bis 12 eingesetzt. Insofern hat der Magistrat der Stadt Wien als im gegebenen Zusammenhang im Rahmen der Amtshilfe ersuchte Stelle bei jedem Ersuchen der Untersuchungskommission um Vorlage von Unterlagen zu prüfen, ob jene beantragten Unterlagen und Dokumente, von denen in der gegenständlichen Anfrage die Rede ist, vom gesetzmäßigen Wirkungsbereich des ersuchenden Organs Untersuchungskommission umfasst sind - widrigenfalls der Magistrat diese nicht übermitteln darf.

 

Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Amtshilfe jedenfalls auch Verschwiegenheitspflichten zu beachten sind. So könnte mit der Übermittlung von Unterlagen die Bekanntgabe grundrechtlich geschützter personenbezogener Daten, eine Verletzung der Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes oder die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verbunden sein. Ist dies der Fall, dürfen die davon betroffenen Unterlagen beziehungsweise Unterlagenteile ebenfalls nicht beziehungsweise allenfalls nur geschwärzt übermittelt werden.

 

Auf Grund der Komplexität der Rechtslage hat daher der Magistrat in jedem einzelnen Fall, somit bei jedem Beweisersuchen der Untersuchungskommission, eine Prüfung vorzunehmen. Diese betrifft einerseits die oben skizzierten rechtlichen Rahmenbedingungen und andererseits die Frage, ob der Übermittlung der angeforderten Unterlagen allenfalls Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen.

 

Die in der Anfrage angesprochene generelle Anweisung an den Magistrat, alle Unterlagen, die die Untersuchungskommission anfordert, vorzulegen, würde dem in keinster Weise entsprechen und nach Ansicht der hiesigen Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten gegen die Verfassung verstoßen und könnte eventuell in letzter Konsequenz auch eine strafbare Rechtsverletzung darstellen.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Danke, Herr Bürgermeister. Die 1. Zusatzfrage wird von Herrn GR Mag. Juraczka gestellt. Bitte.

 

9.24.57

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Vielen Dank für Ihre Beantwortung. Wir alle wissen, es gibt die Möglichkeit, eine derartige Frage rechtlich oder politisch zu beantworten, wobei eine politische Beantwortung natürlich eine viel weitreichendere und mehrere Facetten ausleuchtende Antwort gewesen wäre. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sie rechtlich beantworten.

 

Ich kann Ihnen aber versichern - und das festzustellen, ist mir an dieser Stelle auch ein ganz wichtiges Momentum in meinen zwei Minuten, die ich jetzt für die Fragestellung habe -, dass es uns wirklich darum geht, dass wir alles unternehmen, damit eine derartige Situation wie im Sommer letzten Jahres, als der landeseigene Energieversorger wenige Tage davor stand, Kunden kündigen zu müssen, nicht mehr eintritt - für Wien, für das Unternehmen, aber vor allem auch für die Kundinnen und Kunden. Und alle Mitglieder der Untersuchungskommission haben seit der letzten Sitzung eine Frage, die ich ganz bewusst schon jetzt stellen möchte, weil es mir gar nicht darum geht, irgendwie auf die Ladung von Zeugen unter Wahrheitspflicht oder dergleichen zu warten, sondern weil ich raschestmögliche Aufklärung erhoffe und eigentlich auch von der Landesregierung erwarte.

 

Daher meine Frage im Konkreten: Sie haben im September 2022, als wir uns erstmals hier im Gemeinderat mit diesem Thema beschäftigt haben, den Gemeinderat davon in Kenntnis gesetzt, dass Sie erstmals am 15. Juli über die Zahlungsnotwendigkeiten oder über den Finanzbedarf der Wien Energie Informationen erhalten haben. Ihr Magistratsdirektor hat uns, allen Mitgliedern der Untersuchungskommission, vor wenigen Tagen erklärt, Sie hätten schon viel früher, nämlich am 8. Juli, davon Kenntnis erhalten - was im Zuge dessen, wie man dann weiter mit

 

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