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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 73

 

StR Karl Mahrer|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte GemeinderätInnen, Gemeinderäte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher!

 

Der Grund der Aktuellen Stunde für die SPÖ ist, so glaube ich doch, auch der bevorstehende 1. Mai, der Tag der Arbeit. Gestatten Sie mir, diesen 1. Mai und den Tag der Arbeit ein wenig unkonventionell ein bisschen mit meinen persönlichen Erinnerungen an die Entwicklung des 1. Mai und der SPÖ in den letzten Jahrzehnten ganz kurz zu skizzieren. Ich erinnere mich zuerst einmal an die späten 60er Jahren - erinnern Sie sich noch? Einige von Ihnen? Bruno Pittermann ist damals mit einem großen Marschblock der SPÖ durch die Burggasse gezogen, ich habe dort, in der Burggasse, gewohnt, ich habe das beobachtet, viel Begeisterung, viele Flaggen, viele Menschen, viele Themen. In den 70er Jahren habe ich das Gleiche im Götz-Bau erlebt, Sie kennen ihn, Ecke Laxenburger Straße/Gudrunstraße, vollbeflaggtes Haus, viel Begeisterung, viele Menschen am Marsch in Richtung Rathausplatz, viele Flaggen und natürlich vielen Themen.

 

In den 90er Jahren habe ich dann als Polizeioffizier in vielen Bezirken die Marschkolonnen der SPÖ verabschiedet, das war damals so üblich, und die SPÖ ist aus den Bezirken Richtung Innenstadt marschiert. Nur, in den 90er Jahren waren es schon weniger Menschen, es war weniger Begeisterung, es waren weniger Themen, und die Menschen sind meistens auch gar nicht mehr marschiert, sondern mit dem Autobus oder mit dem eigenen Fahrzeug zum Rathausplatz gekommen. Und in den letzten Jahren, meine Damen und Herren, habe ich dann immer weniger Themen gesehen. Das einzige Thema, das mir vom Rathausplatz am 1. Mai wirklich in Erinnerung ist, ist die menschlich eigentlich sehr berührende, aber doch ziemlich schlimme Demontage Ihres Bundesparteivorsitzenden Werner Faymann während der 1. Mai-Kundgebung 2016. Meine Damen und Herren, das ist insgesamt eigentlich eine traurige Bilanz des 1. Mai und der Entwicklung der SPÖ seit den 60er und 70er Jahren.

 

Es ist aber auch durchaus Zeit, sachlich Bilanz zu ziehen. Christian Meidlinger, du weißt, ich schätze dich sehr und ich schätze auch eure Bemühungen um die Arbeitssituation in Wien, aber es ist ganz einfach so, dass es viele Bemühungen sind, die in die falsche Richtung gehen und viele Bemühungen, die nicht stattfinden. Die Zahlen geben uns da leider recht: Während wir in ganz Österreich derzeit mit einer Arbeitslosigkeit von im Schnitt 7,2 Prozent arbeiten, sind es in Wien 12,1 Prozent. Das, meine Damen und Herren, ist nicht der erfolgreiche Wiener Weg.

 

Ein besonderes Problem, Christian Meidlinger hat es angesprochen, ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Wo sind die Konzepte? Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind länger als ein Jahr ohne Job, besonders dramatisch ist die Situation bei der Jugendarbeitslosigkeit, GR Harald Zierfuß wird darauf noch eingehen. Meine Damen und Herren, nur zwei von zehn Pflichtschülern in Wien, nur zwei von zehn!, erreichen aktuell die vorgegebenen Bildungsziele. Das ist nicht nur dramatisch für den Arbeitsmarkt, das ist auch dramatisch für 8.985 junge Menschen in Wien, die am 1. März 2022 keine Arbeit hatten.

 

Wien, meine Damen und Herren, bedient sich zweier Arbeitsmarkteinrichtungen, des AMS und des WAFF, also zusätzlich ein großer Aufwand, trotzdem ist Wien das Schlusslicht in Österreich. Das, meine Damen und Herren, ist auch das Gegenteil des erfolgreichen Wiener Weges, den Sie immer wieder propagieren.

 

Wien, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das einzige Bundesland, in dem Arbeitsplätze in Form der Dienstgeberabgabe noch immer besteuert werden, Wien hat im Gegensatz zu 500 Städten und Gemeinden noch immer keine einzige Tourismuszone. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles ist das Gegenteil eines erfolgreichen Wiener Weges.

 

Sie haben heute auch schon das Thema Mindestsicherung angesprochen: Die Mehrheit der österreichischen Mindestsicherungsbezieher, nämlich 60 Prozent, leben in unserer Stadt. Die Stadtregierung hat schon lange die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Ausführungsgesetze zu den Grundsatzbestimmungen in Wien in Kraft zu setzen, negiert. Die Verpflichtung wurde einfach negiert, das ist nicht nur rechtlich bedenklich, meine Damen und Herren, auch das ist das Gegenteil eines erfolgreichen Wiener Weges.

 

Grundsätzlich und zum Abschluss vielleicht als Gedankenanregung für den 1. Mai: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe dazu, wir sollten uns dessen wieder viel mehr bewusst sein: Arbeit ist nicht Leid, Arbeit kann und soll Erfüllung geben. Wir, als Volkspartei, unterstützen alle Menschen, wir fördern alle Menschen, die arbeiten wollen und, das ist mir besonders wichtig, wir unterstützen auch die Menschen, die nicht arbeiten können. Dieses System geht aber nur dann auf, wenn es genug Menschen gibt, die das Recht auf Arbeit auch als Verpflichtung für die Gesellschaft sehen. Die beste Sozialpolitik, meine Damen und Herren, ist aus meiner Sicht eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk (unterbrechend): Herr Stadtrat, auch Ihre Redezeit ist abgelaufen, bitte den Schlusssatz formulieren.

 

StR Karl Mahrer (fortsetzend): Ich sage, dazu braucht es ein klares Bekenntnis von uns allen. Unser Weg ist vorgezeichnet, ich habe ihn an einigen Beispielen genannt, es reichen keine Überschriften mehr, es reichen keine Märsche auf den Rathausplatz, es ist notwendig, gemeinsam zusammenzuarbeiten. Ich glaube, Ideen haben wir genug, die SPÖ ist aufgefordert, diese Ideen auch anzunehmen.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Seidl. Ich erteile es. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

11.07.02

GR Wolfgang Seidl (FPÖ)|: Danke, Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

Ja, auch ich bin der Meinung, dass dieses Thema wahrscheinlich dem nun bald folgenden 1. Mai geschuldet ist, trotzdem halte ich es natürlich für sehr spannend, wenn die SPÖ-Wien die Joboffensive der Stadt Wien abfeiert. Sieht man sich allerdings die Zahlen an, schaut das schon ein wenig anders aus, man muss natürlich

 

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