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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 114

 

ist. Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Damen und Herren, wir brauchen Zukunftsvisionen in der Politik, aber das Leben der Menschen ist im Jetzt und Hier. Seit zwei Jahren prägt sie die Arbeitslosigkeit. Ich bin der Auffassung, dass wir über vorhandene Probleme reden und dafür Lösungen finden sollten, denn die Lage für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist momentan todernst. Hier und jetzt müssen wir Probleme lösen, die vorhanden sind. Laut AMS-Monatsbericht für den Dezember 2021 sind 10.000 junge Menschen unter 25 Jahren in Wien arbeitslos. Allein von November auf Dezember hat sich diese Zahl um 1.000 vergrößert und jeder Einzelne von ihnen hat ein Schicksal. Das sind keine reinen Zahlen auf irgendwelchen Graphiken vom AMS, sondern jeder Einzelne von ihnen ist ein junger Mensch, der Geld benötigt, der überleben möchte und Perspektiven braucht. Auf dem Lehrstellenmarkt sieht es leider, wie seit Monaten von mir hier auch vorgetragen, nicht anders aus. Auf 3.300 Lehrstellensuchende kommen in Wien nur 470 offene Stellen. Somit bekommen nur 14 Prozent aller Suchenden überhaupt eine Lehrstelle, anders gesagt, 86 Prozent gehen mit leeren Händen nach Hause. Ich möchte Sie in diesem Kontext auch an die inklusiven Lehrstellen erinnern, die wir hier bereits auch thematisiert haben und die durch eine Anfragebeantwortung von StR Hanke beantwortet wurde. 0,4 Prozent von 1.060 Lehrlingen, das sind in absoluten Zahlen 5 Menschen, haben eine Behinderung und das kann auch keine Zukunftsmusik für diese Stadt sein. Unter Rot-Grün wurde das Servicecenter U25 gemeinsam mit dem AMS gegründet, eine richtige und wichtige Maßnahme im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit in Wien. Erst vor wenigen Tagen hab‘ ich dann durch die NEOS gesehen, dass jetzt ein Schwerpunkt auf Women-Empowerment gelegt wurde und er ist auch unsererseits sehr zu begrüßen. Für den Lehrstellenmarkt haben wir bereits im Sommer 13 Millionen EUR zur Seite gelegt in Form eines Lehrlingspakets, von dem nicht nur Lehrlinge, sondern auch UnternehmerInnen profitieren werden.

 

Ja, meine Damen und Herren, das sind wichtige Maßnahmen. Aber in Zeiten der Krise müssen wir visionär denken und das meine ich nicht nur für die Zeit nach Corona, sondern auch für die jetzige Zeit. In meinem Freundeskreis beispielsweise haben sehr viele vor Corona verschiedenste Jobs gehabt, sei es im Büro, sei es in der Gastro, sei es in Marketingunternehmen oder eben in der Oper. Jetzt arbeiten 80 Prozent von ihnen entweder bei Testboxen oder Gurgelboxen, weil das das Einzige ist, was man derzeit aktiv auch bekommt, wenn man sich bewirbt. Verstehen Sie mich nicht falsch, in Zeiten der Pandemie und in Zeiten der Krise sind diese Tätigkeiten wichtig und gesellschaftlich von Bedeutung. Aber das kann auch keine Lösung auf dem Arbeitsmarkt für junge Menschen sein. Denken wir daher visionär! Bieten wir jungen Menschen auch während der Krise Chancen auf dem Arbeitsmarkt an! Versuchen wir vielleicht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen! Bekämpfen wir die Jugendarbeitslosigkeit und die Klimakrise durch neue Green Jobs oder wie in Salzburg und Oberösterreich bereits Realität durch Klimalehrlinge, denn nur durch Innovation und Zusammenhalt werden wir diese Krise meistern, nicht nur die Krise der Jugendarbeitslosigkeit, sondern auch die Klimakrise. Meine Kollegin Pühringer wird dann darauf noch genauer eingehen. Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Zierfuß, Sie sind am Wort.

 

10.49.56

GR Harald Zierfuß (ÖVP)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Es ist ein enorm wichtiges Thema, die Zukunftschancen von jungen Menschen in unserer Stadt.

 

Ich hab‘ mich im Vorfeld der Debatte darüber gefreut, dass die NEOS, also die Stadtregierung, dieses Thema heute zur Aktuellen Stunde machen. Jetzt werte ich es als ein Hoppala, dass der Erstredner nicht rechtzeitig da war, dass es in den Regierungsreihen aber relativ leer ausschaut. Und wenn ich jetzt richtig schaue, dass weder der Jugendstadtrat noch der Wirtschaftsstadtrat da sind, dann ist das schon ein recht deutliches Zeichen, dass das Thema scheinbar doch nicht so wichtig ist.

 

Ich glaube, es ist nämlich enorm wichtig, dass in dem Bereich hier nachhaltig auch von der Wiener Stadtregierung etwas gemacht wird und nicht immer nur ... Wir werden ja heute noch einige Debatten zum Bereich Jugend und Bildung im Allgemeinen und auch Zukunftschancen von Jungen führen, dass man dann nicht immer nur die Verantwortung in Richtung Bundesregierung abschiebt, weil eines ist klar, das hilft keinem einzigen jungen Menschen in dieser Stadt, immer nur die Verantwortung abzuschieben. Jetzt möchte ich vielleicht zu Beginn ein bisschen näher darauf eingehen, was denn überhaupt die Probleme sind, und ein paar Fakten aufzählen. Wir haben in Wien einen enorm hohen NEET-Anteil, also jugendliche Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die weder in Ausbildung sind, nicht in der Schule sind, noch in Anstellung sind. Das sind in Wien 10 Prozent der 15- bis 24-Jährigen. Das heißt also, dass 10 Prozent der jungen Menschen dieser Stadt de facto schon mit 15 Jahren aus dem System hinausfallen. Um das auch vergleichsweise in anderen Städten dann in eine Relation zu setzen: Was heißt das denn eigentlich? In Prag sind es 3 Prozent, in Stuttgart 6 Prozent, in Hamburg, große Integrationsprobleme, 8 Prozent, Köln 5 Prozent, Berlin 8, Budapest 6, Zürich 7, ich könnte die Liste lange weiterführen. Deutlich ist aber, dass Wien mit rund 10 Prozent in dem Bereich im traurigen Spitzenfeld liegt und vor allem im deutschsprachigen Raum den höchsten Anteil von allen größeren Städten hat. Das heißt natürlich für junge Menschen, dass sie deutlich weniger Chancen hier in dieser Stadt haben. Da geht es natürlich auch um große Sprach- und Integrationsprobleme. Das merken wir im Bildungsbereich. Bei den Bildungsstandards, ich hab‘s jetzt hier vorne schon häufig gesagt und die Zahl wird heute 2 Mal fallen, erreichen in den Wiener Mittelschulen 80 Prozent nicht oder nur teilweise die Bildungsstandards im Lesen und im Rechnen. Jetzt ist relativ klar, wenn jemand nicht g‘scheit lesen kann, nicht g‘scheit rechnen kann, dann hat er erhebliche Probleme am Arbeitsmarkt und viel geringere

 

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