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Gemeinderat, 13. Sitzung vom 22.09.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 118

 

von wirklicher, tatsächlicher humanitärer Hilfe zu reden, ist ja fast peinlich.

 

Wir haben auch in Lesbos gesehen, was Sie unter Hilfe vor Ort verstehen. Wie Kollege Weber schon gesagt hat, die Zelte, die von Ihnen so hochgejubelt wurden - ich meine, sorry to say, aber von den 400 Zelten haben Sie es gerade geschafft, 25 aufzustellen. Und die Heizstrahler hat Kollege Weber wahrscheinlich vergessen. Es hat ja noch 200 Heizstrahler gegeben, aber leider hat unsere Menschenrechtspartei ÖVP nicht mitkalkuliert, dass es in den Flüchtlingslagern kein Strom gibt, also waren somit auch die Heizstrahler wirklich nicht nützlich.

 

Jetzt kommen wir auch zu dem Argument, wir machen ja eh so viel und wir sind ja die Spitzenreiter in ganz Europa. Ich meine, Entschuldigung, wenn ich hier die Statistik vom ÖIF nehme, die ja ÖVP-nahe ist, dann kann ich argumentieren, wie ich will. Und in Europa eine Statistik zu vergleichen, ist ja fast ... (Zwischenruf) - Ich wusste nicht, dass die FPÖ jetzt als Rechtsvertretung und auch in Vertretung für die ÖVP redet, aber die Gesinnung ist ja ungefähr die gleiche, was Menschenrechtspolitik belangt, das haben wir mittlerweile schon gecheckt. Das Argument, wir machen eh so viel, stimmt ja gar nicht, denn Österreich liegt, was Entwicklungshilfen und humanitäre Hilfe betrifft, seit Jahren unter dem OECD-Durchschnitt.

 

Stichwort, die Zahl der Afghaninnen und der Afghanen, die wir sozusagen in Österreich haben: Man kann jetzt mit der Statistik wieder spielen oder nicht. Wer ist da überhaupt erfasst? Sind da wirklich die Asylwerber und Asylwerberinnen im Asylverfahren gemeint, oder sind da die Menschen gemeint, die schon einen positiven Asylbescheid oder auch negativen Asylbescheid bekommen haben? Nach welchem Prinzip geht man überhaupt vor? Denn in Deutschland geht das anders. Ich meine, wenn ich einen Vergleich mit den Deutschen mache, dann kann ich sicher sagen, na, wir haben die höchste Zahl an afghanischen Asylwerberinnen und Asylwerbern, weil in Deutschland das Geburtslandsprinzip herrscht. Okay, ich lasse Ihnen einfach die Zahl, die sie halt präsentieren, so im Raum stehen, damit jeder dann selber nachschauen kann, inwiefern Sie recht haben.

 

So, und jetzt kommen ich zu der anderen Partei, zu der FPÖ, die warten schon alle sehr gespannt auf meine Argumente -, die FPÖ, die bei Krisen und Kriegen immer wegschaut und sich dann enorm aufregt, wenn dann die Geflüchteten vor den Toren Europas stehen, und die sich dann auf einmal als die schützenden Personen für ganz Europa darstellen. Ich meine, Entschuldigung, wenn Sie hier über geflüchtete Menschen reden wollen, wenn Sie hier wirklich tatsächlich über politische Verantwortung in Bezug auf Krisen und Kriege reden wollen, dann müssen Sie schon eine Vorarbeit machen, und die Vorarbeit dazu heißt Friedenspolitik. Und Ihre Gesinnung ist weit entfernt von Friedenspolitik, das kann ich jetzt schon sagen.

 

Langsam geht es uns auf die Nerven, dass Sie immer wieder mit dem Argument kommen, na ja, es kommen ja so viele Männer zu uns und sie lassen ihre Familien und Frauen sozusagen in Afghanistan. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, warum es so wenige Asylanträge von Frauen gibt? Haben Sie sich einmal damit auseinandergesetzt? - Ich glaube nicht. Wenn nicht, kann ich Ihnen ein paar Gründe nennen, warum es so ist.

 

Für die Frauen, auch wenn sie flüchten wollen, gibt es keine geschützten Fluchtwege. Die Frauen, wenn sie sich überhaupt überlegen, zu fliehen, schaffen das nicht, weil sie unterwegs auf der Fluchtroute vergewaltigt werden, misshandelt werden, ausgebeutet werden, teilweise in den Flüchtlingslagern drinnen. Und sie können nicht flüchten, weil sie verdammt nochmal kein Geld haben. Sie haben kein Geld, um mit ihren Kindern aus dieser Hölle herauszureisen.

 

Und zu Ihrem Antrag will ich nicht einmal weiterreden. Was steht da drin? - Ich meine, da stehen Sachen wie Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden. Ich meine, sorry, was sind das für totalitäre Staatsphantasien? Wo seid ihr bitte? Wir lassen unsere Errungenschaften sicher nicht von euch irgendwie zurückdrängen.

 

Jetzt gehen wir zu den weiteren Parteien, zur SPÖ und den NEOS, den Regierungsparteien. Es ist aber nicht so hart wie bei den anderen, denn auf menschenrechtlicher Ebene in Bezug auf diese Thematik sind wir froh, dass wir zumindest Verbündete haben. Jetzt haben wir gesagt, es ist enorm wichtig, die Frauen und Mädchen in Afghanistan zu schützen, aber gleichzeitig ist auch wichtig, geflüchtete Frauen und Mädchen in Österreich, in Wien zu unterstützen. Das bedeutet, sie brauchen bedarfsgerechte Unterstützung in Bezug auf Behördengänge. Das kann jetzt bei der Anmeldung für Deutschkurs sein, das kann jetzt eine Anmeldung für den Kindergarten sein, et cetera. Ich habe diesen Antrag einmal gestellt, er wurde leider abgelehnt. Er wurde mit dem Argument abgelehnt, wir hätten ja eh genug Angebote und Ressourcen, die eben diesen Bereich dann abdecken.

 

Na ja, meine Recherchen schauen anders aus. Die Angebote in Wien sind leider rudimentär, und es wird trotzdem drauf beharrt, dass es eh schon viele Angebote gibt. Jetzt seien wir einmal ein bisschen realistisch, das stimmt so gar nicht.

 

Ihr erinnert euch sicher an den tragischen Fall der somalischen Frauen, an die zwei Frauen, die ermordet worden sind. Eine Frau wurde deswegen ermordet, weil sie der anderen Frau in Bezug auf die Behördengänge geholfen hat, weil sie ihr geholfen hat, damit sie selbstbestimmt ihr Leben gestalten kann, et cetera. Und genau dieser Antrag beläuft sich ja auf diesen Gedanken. Diese Frauen sollen nicht auf andere private Menschen, auf andere Freiwillige angewiesen sein, die ihnen sozusagen bei den Behördengängen helfen, sondern da braucht es eine finanzielle Unterstützung der Stadt, damit die Frauen eine unabhängige und auch eine professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen können und sich damit auch gut integrieren können, sich damit auch mehr trauen und selbstbestimmt leben können, et cetera. Und das ist schaffbar. Wir reden jetzt wirklich von einer kleinen Personengruppe, und eine Stadt wie Wien kann sich das schon leisten, glaube ich.

 

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