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Gemeinderat, 13. Sitzung vom 22.09.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 118

 

Diskussionsbedarf dazu gibt. Aber es gibt heute doch einen Antrag der Grünen, es gibt eine durchaus vernünftige Wortmeldung der Freiheitlichen und es gibt viel Aufregung innerhalb der ÖVP, wie wir auch aus einem Artikel der „Kronen Zeitung“ erfahren haben. Daher bitte ich, mir heute doch auch die Gelegenheit zu geben, hier ein paar Dinge aufzuklären.

 

Worum geht es in diesem Poststück? - Es geht um den 1992 eingeführten Familienzuschuss, das sind ungefähr 70.000 EUR im Jahr, die ab nächstem Jahr in das Krisengeld der Kinder- und Jugendhilfe eingegliedert werden. Warum wird das gemacht? - Der Familienzuschuss wurde 1992 eingeführt, als das damalige Karenzgeld nur für ein Jahr ausbezahlt wurde und man einkommensschwache Familien unterstützen wollte, bei denen die Eltern länger als dieses erste Jahr zu Hause bleiben wollten. Diese Thematik hat sich vor allem durch das 2002 eingeführte Kinderbetreuungsgeld stark relativiert. Auch durch die Leistungen der Wiener Mindestsicherung und den Gratiskindergarten, der mittlerweile eingeführt ist, hat sich die Situation für Wiener Familien stark verändert. Das hat zum Ergebnis geführt, Kollege Berger hat es schon angesprochen, dass 2020 nur mehr 37 Familien diesen Zuschuss bezogen haben. Im Jahr 2000 waren das immerhin noch weit über 3.000 Familien. Wenn sich also zeigt, dass eine Maßnahme in der betroffenen Bevölkerungsgruppe nicht mehr ausreichend in Anspruch genommen wird, macht es aus verwaltungstechnischer Sicht, aus Effizienzsicht absolut Sinn, solche Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und Alternativen zu überlegen. Und das tun wir, indem wir dieses Budget in das Krisengeld eingliedern, das es heute schon gibt, um eben in Notsituationen von Kindern zu überbrücken. Mit diesem Notgeld kann die Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen ihrer Betreuung unbürokratisch finanzielle Notsituationen lösen. Was kann das sein? - Da geht es um akute Notsituationen für Familien, die eben keinen Anspruch auf Wiener Mindestsicherung haben. Da kann es um Schulmaterialien gehen, da kann es um die nötige Ausstattung beim Beginn eines Lehrverhältnisses gehen, da kann es um Erstausstattung von Säuglingen gehen, um ein Gitterbett, um einen Zwillingskinderwagen, et cetera.

 

Es geht in diesem Poststück also eigentlich um die Umschichtung von einem sehr überschaubaren Budgetbetrag einer überholten Hilfeleistung für Familien in ein anderes Instrument der Krisenhilfe für Wiener Familien. Soweit, so unspektakulär eigentlich. Ja, wäre da nicht die neue Volkspartei Wien, die selbst bei diesem Poststück nichts Besseres zu tun hat, als die ärmsten Familien und Kinder in unserer Stadt für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen und ihr mittlerweile Lieblingsthema damit aufzuladen, nämlich das sogenannte Ausländerthema, Menschen, die eben nicht in Österreich geboren sind. Vom Krisengeld der MA 11 könnten theoretisch ja auch Familien profitieren, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Und ja, das ist richtig. Das war bis jetzt nämlich auch immer schon so, das Einzige, was sich hier jetzt ändert, ist, dass diese 300.000 EUR um 70.000 EUR aufgestockt werden.

 

Und das veranlasst Sie zu Empörung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP? Also mich wundert ja mittlerweile nur mehr wenig, wir wissen mittlerweile, dass Ihnen fast jedes Mittel recht ist, um Neid in unserer Gesellschaft zu schüren und Wählerstimmen von rechts außen abzuholen. Aber dass Sie selbst diese wirklich geringfügige Änderung für Ihren billigen Populismus nutzen, das macht mich beinahe sprachlos. Ich meine, hier sitzen lauter gut situierte Menschen, die sich als christlich-sozial bezeichnen, die kein Problem haben, sich auf Wallfahrt in Mariazell zu inszenieren, und dann machen Sie so eine Politik? Also ich finde das dermaßen zynisch und ich finde, Sie sollten sich schämen.

 

Zum Schluss noch ein paar Worte zum grünen Antrag, den wir nicht mittragen werden, weil er nämlich Falsches unterstellt. Das kann passieren, daher möchte ich es ganz kurz aufklären. Es ist nämlich nicht so, dass das Krisengeld vor allem von Familien bezogen werden kann, die schon in Mindestsicherung sind, sondern es ist genau das Gegenteil der Fall. Dieser Zuschuss kann nur von Menschen bezogen werden, die nicht Mindestsicherung beziehen. Daher ist das in dem Poststück von den Grünen eben scheinbar falsch verstanden worden und hiermit hoffentlich auch klargestellt.

 

Sie haben auch das Thema Alimente, das durchaus wichtig ist, in Ihrem Antrag angesprochen, daher nur noch auch da kurz der Hinweis, dass in einem solchen Fall, wenn Alimente sozusagen ausständig sind, dann die Wiener Kinder- und Jugendhilfe durch gerichtliche Geltendmachung von Unterhalt oder durch Beantragung von einem Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz unterstützt. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Berner. Sie sind am Wort.

 

13.31.36

GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE)|: Guten Tag!

 

Ich muss auch gleich etwas richtigstellen: Das Karenzgeld wurde nie nur ein Jahr ausbezahlt, es gab immer Modelle, bei denen bei unterschiedlicher Länge unterschiedliche Höhen von Karenzgeld ausbezahlt worden sind. Mir ist aber nicht bekannt, dass es eine Zeit gab, in der nur ein Jahr Karenzgeld ausbezahlt worden ist. Aber das ist ein Nebenaspekt.

 

Vorweg möchte ich etwas anderes sagen: Es darf bei Armut nie um Staatsangehörigkeit gehen, es darf nicht darum gehen, in welcher Staatsangehörigkeit man ist, wenn jemand in Not geraten ist. Wir wollen grundsätzlich nicht die Armen bekämpfen, sondern die Armut. Ich hoffe, dass wir darin einig sind und unter diesem Aspekt ist auch mein Wortbeitrag zu sehen.

 

Was tut man, wenn reservierte Gelder nicht ausreichend abgeholt werden? - Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Eine Möglichkeit wäre, eine Analyse zu machen, und eine andere wäre, sie abzuschaffen. Man könnte sich also zum Beispiel Fragen stellen: Wie ist die soziale Situation? Ist es zufällig insgesamt leichter geworden und brauchen deshalb weniger Leute Familienzuschuss? Man könnte fragen: Sind die Betroffenen in den Sozialstellen ausreichend darüber informiert worden, dass es diesen Zuschuss gibt? Haben die überhaupt gewusst,

 

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