«  1  »

 

Gemeinderat, 7. Sitzung vom 22.04.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 25

 

wortung für die gesundheitlichen Auswirkungen in dieser Pandemie?

 

Ich hoffe, dass wir eines außer Streit stellen können: Je schneller wir diese Pandemie überwinden und je eher wir wieder zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben zurückkommen können, umso besser ist das. Und dass die Impfung dabei eine entscheidende Rolle spielt, das ist doch jedem vollkommen klar. Was Sie hier machen, ist blanker Wahnsinn! Wir als SPÖ- und NEOS-Regierung übernehmen jedenfalls in Wien Verantwortung. Und ja, wir wünschen uns natürlich auch offene Schulen. Wir haben Kinder und SchülerInnen als oberste Priorität definiert, deshalb haben wir Testkapazitäten aufgebaut, deshalb haben wir PädagogInnen in Wien frühzeitig geimpft, deshalb hat Christoph Wiederkehr auch in diesem Lockdown dafür gekämpft, dass die Schulen eine Woche früher öffnen als andere Bereiche. Ja, das ist ein Kompromiss, aber es ist ein wichtiger und es ist ein guter Kompromiss.

 

Denn selbstverständlich muss es in dieser Situation Kompromisse zwischen Gesundheit und Wirtschaft geben, zwischen Gesundheit und offenen Schulen. Wenn die Intensivstationen am Anschlag sind, kann uns das doch nicht egal sein. Ein Nichthandeln oder ein uneingeschränktes Öffnen kann hunderte, ja, gar tausende Tote bedeuten. Dass Sie in der Opposition sind, sehr geehrte Kollegen der FPÖ, bedeutet doch nicht, dass Sie keinerlei Verantwortung tragen. Ich bin jedenfalls stolz darauf, dass wir NEOS, egal, ob in Opposition oder in Regierungsverantwortungen, unsere Lösungsvorschläge immer auf klarer Evidenz aufbauen, und ich bitte Sie, sehr geehrte Kollegin der FPÖ und Kollegen der FPÖ, kommen Sie doch bitte zurück auf ein Mindestmaß an Evidenzbasiertheit und anerkennen Sie die Fakten dieser Gesundheitskrise. Das tun Sie nämlich nicht, wenn Sie die höhere Ansteckungsgefahr der Mutationen vollkommen ignorieren, wenn Sie mit falschen Zahlen bei den Intensivbetten hantieren und nicht anerkennen, wie sich die in den nächsten zwei Wochen weiterentwickeln. Helfen Sie doch bitte mit, dass wir die Pandemie schnellstmöglich überwinden, in Ihrem Rahmen. Es ist bestimmt der beste Weg, wirtschaftlich wieder erfolgreich zu sein, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, unseren Kindern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, Kultur wieder zu genießen, mit unserem Freund wieder auf ein Bier gehen zu können, wenn wir schnellstmöglich aus dieser Krise herauskommen. Ich denke, darin sollten wir uns zumindest alle einig sein. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster gelangt Herr GR Arsenovic zu Wort. Ich erteile es ihm.

 

10.43.09

GR Johann Arsenovic (GRÜNE)|: Frau Schriftführerin! Werte KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen vor den Schirmen!

 

Es ist erst wenige Wochen her, da ist eines der größten Frachtschiffe der Welt, die Ever Given, von China kommend in den Suezkanal eingebogen. Wie ihr ja alle noch gut wisst, hat sich dieses Frachtschiff, blöderweise noch dazu an der engsten Stelle des Suezkanals, verkeilt und diesen dann damit fast eine Woche lang blockiert. Diese siebentägige Blockade einer Wasserstraße hat ausgereicht, um Teile der globalen Wirtschaft in eine Krise zu stürzen. Ich weiß nicht, wie es euch ergangen ist, ich habe mir damals, als ich die Fernsehbilder gesehen und auch die Panik von manchen Industriebetrieben gespürt habe, gedacht, es ist eigentlich erschreckend, wie leicht die Weltwirtschaft ins Wanken gerät - ganz, ganz leicht, es braucht nicht viel dafür - und dass die Abhängigkeiten mittlerweile so groß sind, dass ein reibungsloses Funktionieren von einem 400 m breiten Kanal in der Wüste in Afrika abhängt.

 

Wir haben unser Wirtschaftssystem auf einem sehr, sehr sandigen Fundament gebaut. Der Bedarf nach immer billigeren und immer mehr Produkten ist scheinbar für viele die allerwichtigste Antriebsfeder. Wachstum, Wachstum, Wachstum, so hat man den Eindruck, ist das Einzige, was noch zählt. Dieses Wachstumsdogma widerspricht übrigens nicht nur dem gesunden Menschenverstand, dieses Wachstumsdogma steht auch mittlerweile fast allen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegen. Natürlich sind unsere Ressourcen nicht endlich und natürlich kann unsere Erde nicht immer noch weiter ausgebeutet werden. Übrigens genau heute ist Earth Day, der Tag der Erde, der Tag, wo wir besonders genau auf diesen Punkt, den ich jetzt gerade erwähnt habe, hinweisen sollten.

 

Ein weiterer trauriger Nebenaspekt dieses Wirtschaftsdogmas ist, dass wir mittlerweile alle von Waren abhängig sind, die irgendwo auf einem Container, irgendwo zwischen 10.000 anderen Containern am Suezkanal gestrandet sind. Es kann doch nicht sein, dass die Produktion in vielen Industriebetrieben, dass die Produktion in vielen Unternehmen stillsteht, weil man auf irgendein Teilchen aus China wartet, das gerade irgendwo auf irgendeinem riesigen Frachtschiff über die Weltmeere geschifft wird, und Themen wie soziale Absicherung der ProduzentInnen oder die Auswirkungen auf unsere Umwelt werden - eh klar - immer hintenan angestellt. Würden wir nämlich die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, die beim Transport entstehen, ehrlich verrechnen, und würden wir diese Kosten auf die Produkte draufschlagen, dann würde ein ganz anderes Bild entstehen und das Synonym von „chinesisch“ wäre nicht das Wort „billig“.

 

Viele von euch - ich hoffe, alle von euch -, die da sitzen, spüren es eh schon die längste Zeit. Und was uns die Corona-Krise, aber auch bereits davor die Finanzkrise und die ganze Zeit natürlich auch die Klimakrise schon sehr, sehr deutlich gezeigt haben, wurde jetzt durch das Unglück im Suezkanal einfach noch einmal sichtbarer gemacht: Wir brauchen eine andere, wir brauchen eine neue, wir brauchen eine stabilere Wirtschaft, Produkte lokal zu produzieren, ist unverzichtbar und meiner Meinung nach auch das Gebot der Stunde.

 

Nur eine kleinteilige, nur eine regionale, nur eine resiliente Wirtschaft ist fähig, sich den vielen, vielen Herausforderungen der vielen, vielen Krisen anzupassen. Und gerade weil Güter lokal und fair produziert werden, ist so eine Wirtschaft a la longue auch erfolgreich, und das Allerwichtigste, so eine Wirtschaft ist auch zukunftsfit.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular