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Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 101

 

zent aller Arbeitslosen haben dieses Geld nicht erhalten. Das Ganze ist nicht niederschwellig, und das ist eine Verhöhnung der Menschen und absolut indiskutabel!

 

Sie haben großzügig gesagt, dass die Familien pro Kind 360 EUR erhalten haben. Auch das ist eine Verhöhnung, denn wir wissen, welche Kosten zu Schulanfang entstehen, und wir wissen heute nach einer Situation, in der die Ausbildung drei Monate lang zu Hause erfolgt ist, wie viele Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern dieselben Chancen zu bieten, wie es vielleicht andere können. Wenn man zum Beispiel weiß, wie viel Nachhilfe kostet, dann wird klar, dass 360 EUR ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Das ist ein Witz, das ist gar nichts, das verpufft ganz einfach und ist weg.

 

Wir haben jetzt schon massive Bildungsverlierer, die schon heute Nachteile haben beziehungsweise in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt ganz massive Nachteile haben werden. Auch das sollte man nicht außer Acht lassen, daher halte ich solche Aktionen für zynisch. Ich habe in letzter Zeit einige Zuschriften von verzweifelten Leuten erhalten, die mir mitgeteilt haben, dass sie, weil sie arbeitslos geworden sind und sich das Leben nicht mehr leisten können, um finanzielle Hilfe in besonderen Lebenslagen bei der MA 40 angesucht haben.

 

Dazu sage ich: Leute! Was da draußen bei der MA 40 abgeht, das ist unter jeder Kuh beziehungsweise unter jeder Kritik! Das geht wirklich unter die Haut. So wird zum Beispiel jemandem gesagt: Nehmen Sie sich halt eine kleinere Wohnung! Allerdings muss man dabei wissen, dass die kleinere Wohnung, die angeboten wird, um 140 EUR mehr kostet. Der Ansuchende kann sich schon jetzt seine Wohnung nicht leisten. Wie soll er sich dann die kleinere, teurere Wohnung leisten können? Wenn er das allerdings ablehnt, dann heißt es: Ihr Ansuchen ist abgelehnt, Sie bekommen keine Unterstützung beziehungsweise Einmalzahlungen für Hilfe in besonderen Lebenslagen, denn Sie haben unser Angebot nicht angenommen.

 

Oder es wird jemandem, der arbeitslos geworden ist und sich seine Miete nicht leisten kann, gesagt: Dann verkaufen Sie halt Ihr Auto. Wenn er dann sagt, dass er das für einen eventuellen Job braucht, heißt es: Sie haben eh keinen Job, da können sie ja jetzt das Auto verkaufen. - Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Das ist zynisch, das ist unsensibel! (Zwischenruf.) Doch, das ist es, denn ich habe die Zuschriften ja von den betroffenen Leuten bekommen, und ich habe keinen Grund, das nicht zu glauben! Es mag schon sein, dass die Bearbeiter zum Teil von den vielen Anträgen überfordert sind, aber so unsensibel und kaltherzig kann man in dieser Stadt doch wirklich nicht vorgehen!

 

Viele Menschen haben keine Aussicht darauf, einen neuen Job zu bekommen, weil sie schon über 50 sind. Sie werden zum Teil auch nicht mehr umgeschult, weil man sich oft lieber einen Jüngeren nimmt. Auch das passiert. Wenn eine Dame eine Pflegeausbildung machen will und sie schon fast 50 ist, dann wird eine Junge häufig vorgezogen. Auch das ist leider Realität. Und die aktuellen Kurzarbeitsregelungen werden halt leider auch nicht dazu beitragen, dass die Situation in der Gastronomie entspannter wird, weil viele die 30 Prozent Arbeitsleistung nicht zusammenbringen werden.

 

Daher ist es jetzt notwendig, schnell, wirksam und vor allem unbürokratisch bei Umsatzausfällen zu helfen, damit die Jobs erhalten bleiben und die Existenz der Unternehmen gesichert ist. Das, was wir heute beschließen, nämlich diese Dotierung des WAFF, ist ein kleiner Puzzlestein beziehungsweise wirklich ein ganz kleiner Punkt im Katalog der Maßnahmen, die die Stadt tätigen muss, um den Standort Wien attraktiv zu gestalten, die Wirtschaft am Laufen zu halten und die Kaufkraft der Wiener Bevölkerung zu erhalten.

 

Es muss aber auch Maßnahmen geben, die nicht nur kurzfristig und auf kurze Zeit beschränkt sind, sondern es muss dauerhafte und nachhaltige Maßnahmen geben, und diese müssen mit Augenmaß zielgerichtet gesetzt werden. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht: Wenn man jetzt überall permanent eine Forderung nach der anderen an die Unternehmungen stellt und sagt, auch das und jenes müssen wir bei vollem Lohnausgleich haben, dann muss man halt auch darauf achten, dass man gerade in der jetzigen sensiblen Zeit die Unternehmen nicht noch mehr belastet, als sie eh schon belastet sind, damit unsere Arbeitsplätze gesichert sind, denn das ist auch für den Standort eine wichtige Zukunftsvoraussetzung.

 

Gastronomie, Freizeit- und Event-Wirtschaft, et cetera, aber auch der Kulturbereich liegen auf dem Boden. Kongresse wurden abgesagt, Weihnachtsmärkte stehen vor dem Aus, die Ballsaison ist zu einem großen Teil jetzt schon gecancelt worden, und das, was jetzt noch nicht gecancelt wird, wird voraussichtlich in Zukunft gecancelt werden. Der Hotelbereich liegt wirklich darnieder. Ich habe es schon gesagt: Die Kurzarbeitsregelung mit 30 Prozent der Arbeitsleistung wird definitiv oft nicht möglich sein. Das heißt, viele Betriebe überlegen sich, ob sie zusperren sollen. Es gibt aber auch genug Betriebe, in denen man sagt: Wir müssen ja in Wien keinen Standort haben, wir siedeln einfach ab, entweder in ein anderes Bundesland oder vielleicht gleich in ein anderes EU-Land, wo die Gegebenheiten einfach besser sind, wo wir mehr Geld und vielleicht andere Förderungen bekommen, wo die Lohnkosten etwas niedriger sind und wo das gesamte Rundherum attraktiver ist.

 

Das zu verhindern, ist die Stadt Wien echt massiv gefordert. In diesem Zusammenhang ist es uns auch wichtig, dass man nicht nur finanzielle Zusagen macht, sondern diese finanzielle Zusage definitiv an eine fixe Standortfixierung und an eine Arbeitsplatzsicherung koppelt. Es muss eine Verknüpfung mit Beteiligungen geben. Man darf dabei nicht so vorgehen wie bei der Bundesregierung, wo einmal da lustig gezahlt wird und dann vielleicht bei den Austrian Airlines Arbeitsplätze gesichert werden und denen viel Geld gezahlt wird. Auf diese Weise sichern wir uns nämlich nichts! Es gibt keinen Vertrag, es wird nicht darauf geachtet, den Standort zu fixieren und Arbeitsplätze abzusichern. Das kann es nicht sein!

 

Die Arbeitsplatzvernichtung trifft natürlich sehr viel 50plus, sie trifft auf der anderen Seite aber auch viele

 

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