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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 93

 

Budget ohne neue Schulden, der Aufbau von Rücklagen, Schuldenabbau und ein hohes Investitionsvolumen bei gleichzeitigem Erhalt des strategischen Fundaments der Stadt Wien - Bildung, Gesundheit, Soziales - sei der Stadt mit dem Rechnungsabschluss 2019 gelungen. - Soweit die Rathauspropaganda.

 

Herr Stadtrat, genau das wäre nämlich die Erwartungshaltung der Wiener und Wienerinnen für das Jahr 2019 gewesen. Und wir wissen, Papier ist geduldig, nur leider erzählen Sie im Vorwort und im Rechnungsabschluss selbst nur die halbe Wahrheit.

 

Wie komme ich dazu? - Ich möchte vom Voranschlag 2019 und den Prognosen, die dem Voranschlag 2019 zugrunde gelegen sind, ausgehen und dann den Voranschlag mit dem Rechnungsabschluss vergleichen. Wir werden dann sehen, dass es das ausgeglichene Budget beziehungsweise die schwarze Null, die heute so hochgelobt worden ist, nur am Papier gibt und nicht in der Realität. Ich bin ein bisschen verwundert gerade über die Mandatare der Oppositionsparteien NEOS und Volkspartei, die das als Vertreter angeblicher Wirtschaftsparteien offensichtlich nicht aus dem Rechnungsabschluss herauslesen konnten, woraus ich schließe, dass sie diesen wahrscheinlich gar nicht gelesen haben und sich das auch nicht angesehen haben.

 

Herr Stadtrat, ich darf Sie daher aus dem Voranschlag 2019 weiter zitieren und Ihre Prognosen, als dieser erstellt wurde, heranziehen. Ich zitiere: „Wien erlebt ein Wirtschaftswachstum, das es schon seit Jahren nicht mehr gegeben hat.“ - Richtig, ganz richtig erkannt! 2019 wuchs die Wirtschaft wie seit zehn Jahren nicht mehr. Weiters: „Die Beschäftigung ist auf einem historischen Höchstwert.“ - Wieder Volltreffer, ganz genau! Das heißt, die Voraussetzungen für die schwarze Null und die Schaffung von Rücklagen waren im Jahr 2019 so gut wie nie.

 

Aber jetzt der große Budgetschwindel - ich zitiere Sie wieder: „Der Voranschlag 2019 ist geprägt von vernünftigem Sparen, smarten Reformen und gezielten Investitionen.“ - War das Ihr Ernst? Vernünftiges Sparen? - Fehlanzeige! Gespart wurde hier wohl nur bei der Vernunft. Smarte Reformen? - Fehlanzeige! Nichts als plumpe Selbstbeweihräucherung! Gezielte Investitionen? - Fehlanzeige! Höchstens gezielte Desinformation, denn gezielte Finanzspritzen gab es nur an rote Vereine.

 

Blicken wir in den Rechnungsabschluss 2019, und der Vergleich wird uns sicher machen! Voranschlag 2019: Einnahmen 15,5 Milliarden, Ausgaben 15,6 Milliarden. Veranschlagtes Minus: 188 Millionen EUR. Der Rechnungsabschluss 2019: Einnahmen 14,2 Milliarden, Ausgaben 14,2 Milliarden, am Ende eine schwarze Null. Was sehen wir? - Eine Abweichung zwischen Voranschlag und Rechnungsabschluss von fast 1,3 Milliarden EUR weniger. Woher kommt die wundersame Abweichung? - Die Ausgliederung des KAV war geplant, wurde nicht realisiert, und es gab Umgruppierungen von Bezirksausgaben.

 

Das heißt, der Rechnungsabschluss unterscheidet sich vom Voranschlag massiv in Struktur und Inhalt. Gab es ein Nachtragsbudget? - Fehlanzeige! Das Einzige, was es gab, war eine Abweichung von 1,3 Milliarden EUR, einfach so, ohne Genehmigung durch den Gemeinderat. Ist das demokratisch? - Nein. Ist das transparent? - Nein. Entspricht das dem Regelwerk? - Nein. Was ist es dann? - Ich kann es Ihnen sagen: eine Mischung aus Präpotenz, Ignoranz und Budgetvoodoo.

 

Aber jetzt zum Einnahmenvergleich zwischen Voranschlag 2019 und dem Rechnungsabschluss 2019 - denn wir wollen hier ja eine faktenbasierte Diskussion führen -, und da nehme ich mir nur die größten Positionen vor. Bezeichnenderweise sind die größten Ertragsbestandteile alle der Hochkonjunktur zu verdanken und nicht den Wirtschaftskünsten des Herrn Stadtrats, denn er plante ja noch für das Jahr 2019 trotz der Prognosen, die ich zuvor zitiert habe, ein Defizit von 188 Millionen EUR. Das heißt, er irrte sich, was die Größenordnung der Ausgaben und Einnahmen angeht, gleich um 1,3 Milliarden EUR.

 

Und dann: Woher kommen die wesentlichen Mehreinnahmen? - Ich möchte es nur punktuell aufzeigen: Kommunalsteuer: plus 32 Millionen EUR, Ertragsanteile Bund: plus 136 Millionen EUR, Gebühren: plus 23 Millionen EUR, Einnahmen aus Verzinsungen von Darlehen: plus 40 Millionen EUR, Einnahmen aus Rückzahlungen von Darlehen: plus 63 Millionen EUR. In Summe haben wir im Vergleich Voranschlag zu Rechnungsabschluss 2019 Mehreinnahmen von rund 295 Millionen EUR. Man stelle sich vor: 295 Millionen EUR, die ausschließlich die Hochkonjunktur der rot-grünen Stadtregierung beschert hat! Und was muss die Stadt? - Sie muss sich mit einer Null zufrieden geben, einer schwarzen und einer roten Null statt einem gewaltigen Überschuss, einem Überschuss von 107 Millionen EUR, der sich aus der Differenz zwischen den veranschlagten 188 Millionen EUR und den von Ihnen verkannten Mehreinnahmen - im Vergleich Voranschlag zu Rechnungsabschluss - von 295 Millionen EUR ergibt.

 

Herr Stadtrat - Sie sind jetzt leider schon weg -, aber diese Mehreinnahmen sind kein Verdienst der Stadtregierung. Sie sind nicht auf vernünftiges Sparen und auf smartes Wirtschaften zurückzuführen, sondern ausschließlich auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Hochkonjunktur 2019. Diese Mehreinnahmen gab es nicht wegen, sondern trotz der rot-grünen Stadtregierung. Und diese Mehreinnahmen konnten Sie nicht nutzen, Sie konnten keinen Überschuss erwirtschaften, obwohl alle Zeichen darauf standen. Wenn Sie sich jetzt mit einer schwarzen Null schmücken, dann ist das kein Ruhmesblatt, sondern ein Armutszeugnis. Diese Null steht nicht für ein vernünftiges Wirtschaften, sondern für Verschwendung, Misswirtschaft und Klientelpolitik, kurzum: Versagen an allen Ecken und Enden.

 

Aber damit nicht genug. Wenn man sich den Rechnungsabschluss 2019 genau anschaut, findet sich eine Einnahmenposition „Abschreibungen von und Wertberichtigungen zu Schulden“ über 188 Millionen EUR. Wir erinnern uns, das war das veranschlagte Minus für 2019. Also eine Position „Abschreibungen von und Wertberichtigungen zu Schulden“ über 188 Millionen EUR. Das ist, wenn man sich das genau anschaut, eine Position, die

 

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