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Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 114 von 147

 

Das ist ein konkreter Vorschlag, den wir hier im Gemeinderat einbringen. Jener im Nationalrat war noch weitergehender, aber das hat auch seine Ursachen. Es ist so, dass wir da praktisch denen helfen wollen, die wirklich unschuldig zum Handkuss gekommen sind, weil eben einige Bundesregierungsmitglieder in der Öffentlichkeit Sachen als für strafbar dargestellt haben, wofür sich die Grundlage weder im Gesetz noch in der Verordnung gefunden hat. Ich werfe es dem Polizeiorgan oder dem Gesundheitsorgan gar nicht vor (Zwischenruf.) - du wirfst Ihnen das schon vor -, denn es ist zumindest nicht ganz unplausibel, dass dann manche hergehen und nach dem, was im Fernsehen von beispielsweise dem Herrn Innenminister gehört wurde, fälschlich das Gesetz anwenden und nicht nach dem, was im Bundesgesetzblatt steht. Dadurch sind viele gestraft worden, und es sind Leute praktisch ohne Rechtsgrundlage gestraft worden. Manche oder viele haben aus finanziellen Gründen oder weil sie sozusagen das auch nicht gewohnt sind, auch kein Rechtsmittel ergriffen und haben strenge Strafen bekommen. Deshalb dieser in diesem Antrag relativ präzise auf eine gewisse Gruppe abgestellte Vorschlag für eine Amnestie, dem wirklich jeder zustimmen könnte.

 

Wir bemühen uns hier in diesem Haus - ich hoffe, mit möglichst großer Mehrheit -, dort zu helfen, wo zu helfen ist, und zwar rasch und unbürokratisch. Das ist mit dem Gastro-Gutschein jedenfalls der Fall. Ich hoffe, dass wir hier eine möglichst große Zustimmung bekommen. - Danke schön.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Ornig. Ich erteile es ihm.

 

21.38.14

GR Markus Ornig, MBA (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Ich hoffe, es ist okay, wenn ich mir ein bisserl Wasser mitnehme, aber das kann jetzt ein bisserl dauern, weil diese Gastro-Gutscheine tatsächlich eine Anhäufung an wirklich nicht zielgerichteter Wirtschaftsförderung sind, eine Anhäufung von Pleiten, Pech und Pannen, dass ich eigentlich ein ganzes Satirebuch darüber schreiben könnte. Jetzt sind wir allerdings nicht da, um Satire, sondern um anständige Politik zu machen. Ein paar Fakten aber, die tatsächlich schon satirisch sind, muss man zu dem Gastro-Gutschein einmal sagen.

 

Die Wiener Polizei hat heute ganz klar in der Presse mitgeteilt, dass sie es für den größten - sorry für den Ausdruck - Schwachsinn hält, dass ein Bürgermeister hergeht und in der Öffentlichkeit sagt: „Liebe Wienerinnen und Wiener, am Dienstag sind 40 Millionen EUR wertvolle Gastro-Gutscheine in allen Postkästen in Wien.“

 

So, jetzt bin ich vielleicht ein kleiner Gauner daheim und denke mir: Buh, da könnte ich ein Geschäft daraus machen. Und was ist passiert? - Hunderte aufgebrochene Briefkästen. Die Zusatzironie daran ist, dass ich jetzt weiß, warum die Grünen einen Reparatur-Gutschein wollen, denn irgendjemand muss die Postkästen in Wirklichkeit ja reparieren.

 

Zweiter Punkt: Mit diesen gestohlenen oder auch nicht gestohlenen Gutscheinen herrscht ein reger Handel auf „willhaben.at“. Da wird dir gesagt: Gib mir 25 EUR in Cash, ich gebe dir einen 50 EUR Gutschein dafür. - Da wird Geld gemacht, es wird mit unserem Steuergeld gehandelt. Das ist eine Frechheit! Das ist unser Geld, von jedem einzelnen Wiener und jeder einzelnen Wienerin. Im Internet wird verhandelt, was die mit unserer Kohle machen. Und das ist Ihre Wirtschaftspolitik? - Schämen Sie sich, nichts anderes! Das tun Sie ja auch, schauen Sie einmal da in die Ränge! Keiner übernimmt Verantwortung. Keiner geht raus und verteidigt das, weil Sie genau wissen, es ist ein Rohrkrepierer!

 

Die 40 Millionen EUR sind ja nicht alles! Natürlich bewerben Sie das. Alleine am heutigen Tag wurden Hundertausende von Euros ausgegeben, um die Aktion zu bewerben. Vierseitige Mutationen in Tageszeitungen. Ich war selber einmal im Medienbereich tätig, ich weiß, was das kostet. Und was drucken Sie drauf? - Ein Schnitzel, und drinnen ist dann die kleine Erklärung, wo man das überall einlösen kann. Da stehen spannende Dinge: Eine herzhafte Bretteljause, ein saftiger Braten, ein süßer Apfelstrudel, genießen Sie die gastronomische Vielfalt Wiens! Und es steht die URL, allerdings wird das nebenbei erwähnt, wo man das überall machen kann. Es sind nicht so viele, es sind nämlich nicht einmal ein Drittel der Wiener Gastronomen und Gastronominnen. Und warum? Weil es hochbürokratisch ist, weil diese sagen: Das tue ich mir ja gar nicht an. Ich muss erstens einmal das Ganze irgendwie in meiner Buchhaltung machen - das weiß noch keiner genau -, ich muss zumindest drei Jahre lang jeden Gutschein aufbehalten. Ich kann das nur einlösen, wenn Personen bei mir wahrscheinlich die volle Summe haben.

 

Jetzt weiß ich als Eisgeschäftbesitzer, als Würstelstandler, als Food Truck, als Heuriger - ach so, da geht es ja gar nicht - und als kleiner Wirt ums Eck, dass doch niemand mit einem 50 EUR Gutschein oder einem 25 EUR Gutschein da hingeht. Die gehen dort hin, wo sie sich richtig etwas gönnen. Deswegen haben diese kleinen Gastronomen zum Beispiel schon einmal aufgegeben, und deswegen kommt Ihre Förderung auch nicht dort an, wo sie hin soll.

 

Apropos, worum geht es eigentlich bei der Förderung? - Bei der Pressekonferenz haben der Herr Wirtschaftskammerpräsident und der Herr Bürgermeister gesagt: Wir haben ein Herz für die Wiener Wirte, Geld für die Wiener Wirte. - Ich höre jetzt in keiner Kommunikation mehr, dass das eine Wirtschaftshilfe ist, obwohl das aus dem Wirtschaftstopf ist. Es sagen jetzt alle: Na, das ist die Hilfe für die Wienerinnen und Wiener. Also ist es jetzt eine Wirtschaftsförderung oder ist es einfach Ihr Streubudget, mit dem Sie Brot und Spiele auf Kosten der Steuerzahler machen können, damit das Wahlergebnis im September passt? Entschuldigung, wahrscheinlich wählen wir im Oktober. Also Wirtschaftspolitik ist etwas ganz anderes, das ist eine rein populistische Gutscheinpolitik.

 

Sie werden sich auch noch wundern, was dabei rauskommen wird, wir wissen es ja von den Taxi-Gutscheinen. Sie selbst, Herr Kollege Stürzenbecher, haben sich in der letzten Sitzung da großspurig rausge

 

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