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Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 85 von 147

 

Die Situation war so kurios, dass man sich sogar zu der Feststellung durchgerungen hat, dass ja in der Vorbereitung der Förderakten der Stadtrat eigentlich gar nichts macht, denn den geht das dort gar nichts an - Klammer auf -, denn der hätte ja eine politische Verantwortung - Klammer zu -. In den doch sehr mannigfaltigen Diskussionen sind dann weitere Kuriositäten zutage getreten: So sagte etwa StRin Kaup-Hasler, dass sie da keine Akteneinsicht habe, weil das wirklich eine Frage der Prüfung sei, die ausschließlich in der MA 7 erfolgt. Sie sagt, dass es sie überhaupt nichts angehe, was im Vorfeld der Förderentwicklung bei der Vorlage des Aktes an den Gemeinderat oder an den Ausschuss passiert, dass sie keine Akteneinsicht habe. - Das ist natürlich Humbug, meine Damen und Herren!

 

Ihre eigene Magistratsabteilungsleiterin hat dann ausgesagt, dass die Stadträtin grundsätzlich klarerweise Akteneinsicht hat, weil sie die Akten ja auch vidiert, also ihren Hatschek darauf gibt. Die Frau Stadträtin hat also natürlich in vollem Ausmaß Akteneinsicht. Sie konnte sich halt dann nicht mehr daran erinnern.

 

Die Frau Stadträtin ist jetzt leider nicht mehr da. Ich darf ihr aber den § 105 unserer Wiener Stadtverfassung in Erinnerung bringen. Dort steht nämlich, wer der Magistrat ist: Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, seinen amtsführenden Stadträten, dem Magistratsdirektor und den entsprechenden Mitarbeitern. Die Frau Stadträtin ist also der Magistrat, ob sie es jetzt will oder nicht, ob sie ihre Akteneinsicht wahrnimmt oder nicht: Sie ist jedenfalls verantwortlich.

 

Wir konnten auch herausarbeiten, dass es offensichtlich eine große Hemmung gibt, sich das als Stadtrat anzuschauen. Und kurios war es dann auch, als StR Hanke genau das Gegenteil von dem gesagt hat, was sein oberster Beamter in der MA 5 ausgesagt hat. Der MA 5-Chef hat gesagt: „Nein, da gibt es kein Weisungsrecht.“ Und StR Hanke sagte: „Natürlich bin ich involviert, wir alle kennen ja den Ablauf, wir wissen, wie Anträge gestellt werden.“ Und dann weiter: „Ich bekomme einen Vorschlag seitens der MA 5, der von mir dann im Falle, dass auch ich das so sehe, in den Ausschuss weitergeleitet wird, dass der Ausschuss die Möglichkeit hat, mit mir als auch mit den Akten in intensiven Austausch zu kommen und danach auf Gemeindeebene beschlossen wird.“

 

Das sind vollkommen gegenteilige Aussagen! Der Herr Vorsitzende, der jetzt da ist, hat festgestellt, dass das Verhalten des Magistrats „einem Informationsstandard entspricht, der in Pjöngjang üblich ist“. - Das war wohl einer der wesentlichen Sager in dieser Kommission, und ich kann das nur sehr unterstreichen, meine Damen und Herren!

 

Kollege Sladeček hat dann in der allerletzten Sitzung etwas gesagt, was sehr wichtig war. - Ich darf zitieren: „Mir ist ganz sauer aufgestoßen, dass der Geprüfte selbst beurteilt, was geprüft werden darf.“ - Das haben wir heute auch schon gehört. Der Magistrat hat uns also selber vorgelegt, was er sich eingebildet hat und was nicht. Das kann es ja wohl nicht sein!

 

Das heißt: Es ist dringendst eine Reform der Bestimmungen der Untersuchungskommission vonnöten. Darauf haben sich alle geeinigt. Wir reden ja schon länger davon. Schauen wir einmal, was dann wirklich dabei herauskommt.

 

Die zweite Erkenntnis betrifft die Akteneinsicht: Jetzt kommen wir schon zur Förderabwicklung an sich. Die Akteneinsicht für den einzelnen Gemeinderat beziehungsweise das Ausschussmitglied ist sehr minimal. Wir haben zwar gehört, dass funktionell der Magistrat für den Ausschuss tätig ist. Aber der einzelne Gemeinderat darf nicht schauen, was im Akt steht. - Das ist geradezu absurd! Das ist eine demokratiepolitische Geisterfahrt. Ich betitle es noch einmal so.

 

Wir haben zum Beispiel weder in der Untersuchungskommission noch im Vorfeld bei der Beurteilung der Akten im Ausschuss gesehen, welche Anträge der Verein Modern Society, vormals Karl Lueger-Institut, gestellt hat. Auch da kam es wieder zu einer kuriosen Situation, die Kollege Ellensohn auch hinterfragt hat: Der Zeuge von Modern Society hat sich gerechtfertigt, indem er gesagt hat: „Darüber kann ich keine Auskunft geben, denn das war eine Projektförderung, und dieses Projekt war nicht dabei.“ Andererseits hat uns Herr Mag. Griebler mitgeteilt, dass das eine Basisförderung und alles davon abgedeckt gewesen sei.

 

Wir wissen es nicht, weil wir es weder vorher noch nachher gesehen haben! Was sehen wir? - Wir sehen das sogenannte Geschäftsstück. Beim Verein Dr. Karl Lueger-Institut, beim Verein Wiener Volksheime oder Modern Society ist das genau das, was wir im Ausschuss sehen, meine Damen und Herren, und das ist lächerlich! Das darf ich hier noch einmal betonen. Wenn sich dieses Gremium Gemeinderat ernst nimmt, dann müssen wir dringendst unsere Geschäftsordnung anpassen und ändern, damit wir endlich volles Akteneinsichtsrecht in alle Förderanträge haben!

 

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht mehr sehr viel Zeit. Eine weitere Erkenntnis betrifft die relativ ungenierte Verwendung von Fördermitteln für parteipolitische Zwecke. Herr Kollege Margulies! Das muss man Sie schon fragen: Haben Sie da nicht hingeschaut, oder haben Sie absichtlich weggeschaut? Auch das haben wir eingehend diskutiert.

 

Ich nenne jetzt nur zwei Beispiele: Bei Modern Society war regelmäßig ein ÖVPler Obmann, nämlich der ÖVP-Chef. Und sie haben dann mit 20.000 EUR aus der Förderung des Magistrats oder der Stadt Wien einen Stand beim Stadtfest gemacht, und bei diesem Stadtfest ist dann Kollege Gerstl von der ÖVP herumgelaufen und hat die Leute bespaßt. - Also wenn das keine parteipolitische Verwendung ist, dann weiß ich‘s nicht!

 

Im Hinblick darauf ist die Aussage der Frau StRin Kaup-Hasler kurios, das muss ich schon sagen. - Ich zitiere sie korrekt: „Selbstverständlich fördern wir keine Parteiveranstaltung, sondern ausschließlich kulturelle Veranstaltungen.“ - Frau Stadträtin! Ich weiß nicht, ob Sie sich das angeschaut haben! Aber auf den Abrechnungen des Wiener Kulturservice, die wir auch neu gesehen haben, sind regelmäßig Feste angeführt, die sich

 

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