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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 11.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 101

 

verbundene Existenzängste sind als weitere Risikofaktoren dazugekommen.

 

Oft heißt es ja, wenn Frauen in Beziehungen mit gewalttätigen Partnern sind, sollen sie halt einfach gehen, aber viele dieser Frauen versuchen, aus ihrer Situation herauszukommen, viele werden von ihren Ehemännern, Partnern, Vätern, anderen männlichen Angehörigen kontrolliert und isoliert, haben Angst, sich jemandem anzuvertrauen. Viele von ihnen haben keine Verwandten, keine Bekannten, an die sie sich wenden könnten. Viele haben keine Ressourcen, um zu gehen und wissen auch gar nicht, wer sie aufnehmen könnte. Das bedeutet für viele betroffene Frauen und Mädchen, dass sie Angst vor einer Flucht und vor einem Auszug haben.

 

Wien, und darauf kann man wirklich sehr stolz sein, hat bereits ein sehr gut funktionierendes Gewaltschutznetz, wir haben aber gesagt, das reicht uns nicht, wir müssen weitere Schritte gehen, daher planen wir die Errichtung eines eigenen Frauenhauses für junge Frauen und Mädchen. Wir gehen auch noch einmal einen Schritt weiter, wir errichten nämlich ein mobiles Forensikteam, das unabhängig von der polizeilichen Anzeige tätig werden kann. Warum ist das wichtig? - Frauen haben oftmals Angst, eine Anzeige zu erstatten, da sie Angst vor den Konsequenzen haben und sich unsicher sind, ob sie das wirklich wollen. Die Versorgung soll da rund um die Uhr möglich sein, die Forensik wird auch eng mit den Gewaltschutzeinrichtungen arbeiten - gemeinsam mit den Wiener Frauenhäusern, mit dem 24-Stunden-Frauennotruf - und wird körperliche Untersuchungen durchführen, wird Verletzungen schriftlich und fotografisch festhalten, Beweismittel und Spuren sichern, für den Fall der Fälle.

 

In Wien ist jedenfalls Frauenpolitik Gleichstellungspolitik und Querschnittspolitik, das sieht man auch im Budget. Es ist wahnsinnig wichtig, dass das nicht nur auf einen bestimmten Bereich abgeschoben wird und dann passt uns das schon.

 

Das Thema der Gleichstellung, Gleichstellung am Arbeitsmarkt, bei den Verdienstmöglichkeiten, bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege, et cetera, das ist vor allen Dingen ein Thema, das uns Frauen betrifft, aber nicht nur uns was angeht. Es ist ein gesellschaftliches Thema, um das sich alle kümmern müssen. Es sind vor allen Dingen Frauen, die auf Grund ihrer Betreuungspflichten in Teilzeit sind, das sind in Wien - ich habe es mir aufgeschrieben - knapp 52 Prozent, sehr viele, aber im Bundesschnitt sind es sogar noch mehr, nämlich 48 Prozent. Was bedeutet das? - Das bedeutet weniger Einkommen, damit einhergehend eine niedrigere Pension und als letzte Station die Altersarmut.

 

Wir fangen da bei der Stadt Wien an, und ich finde das sehr wichtig, wir sehen uns ganz genau an, was die Ursachen der ungleichen Verteilung von Teilzeitarbeit, Karenzzeiten, Telearbeit sind und evaluieren das.

 

Aber nicht nur das, wir schauen uns die Ursachen ganz genau an und setzen dann Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 

Ein anderes Thema ist die Lohnschere, auch das kennen wir. Ein gerechter Lohn, das habe ich jetzt, glaube ich, eh schon einigermaßen darstellen können, warum das wichtig ist: Um selbstständig leben zu können, um selbstbestimmt leben zu können und um dann vielleicht auch eine faire Pension zu haben. Auch das ist noch ziemlich ausbaufähig, so ehrlich muss man sein. In Wien verdienen Männer 58,5 Prozent mehr als Frauen. Wenn wir uns ausschließlich die ganzjährig Vollzeitbeschäftigten anschauen, dann beträgt der Einkommensvorteil der Männer 16 Prozent beziehungsweise der Einkommensnachteil der Frauen 13,7 Prozent. In Wien ist diese Lohnschere allerdings unter allen Bundesländern am geringsten. Das heißt nicht, dass wir uns darauf ausruhen, aber es ist in unserem Bewusstsein, und das ist wichtig. Auch da setzen wir an, setzen Maßnahmen, um eben diese Lohnschere auch weiter zu schließen und Frauen und Männern am Arbeitsmarkt gleiche Chancen zu garantieren, denn das ist Gleichstellungspolitik.

 

Ich bin wirklich sehr stolz, weil wir wirklich sehr viel Konkretes vereinbart haben, um nur kurz das Frauengesundheitszentrum anzusprechen, das wir mit eigenem medizinischen Fachpersonal errichten wollen. Warum ist das wichtig? - Da geht’s vor allen Dingen um - Kollegin Ngosso ist jetzt nicht da, aber die würde mir sicher zustimmen - die Gendermedizinkompetenz. Eine Sache, die immer wieder vernachlässigt wird, welche Auswirkungen das auf Frauen haben kann, nämlich genderspezifische Unterschiede der Symptomatik von Krankheiten überhaupt ins Bewusstsein zu holen und auch entsprechende Behandlungen zu finden. Kostenlos K.-o.-Tropfen, also bei Verdacht auf Verabreichung von K.-o.-Tropfen, dies auch überprüfen zu lassen, all das haben wir vereinbart. Das sind wahnsinnig große Fortschritte zu vergangenen Zeiten.

 

Zuletzt möchte ich sagen, Gleichstellungspolitik beharrlich und ohne Rückschläge weiter zu verfolgen, das ist unser Ziel. Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass ein konservativer Backlash, wie er vielleicht auf Bundesebene derzeit passiert, wollte ich nur dazusagen, mit uns ganz sicher nicht in Frage kommt.

 

Wir sind stark, selbstbewusst, sichtbar und laut, und das werden wir auch in den nächsten fünf Jahren bleiben. - Danke sehr.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist GRin Spielmann. Die selbstgewählte Redezeit ist acht Minuten, ich erteile das Wort.

 

13.23.30

GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE)|: Ja, sehr geehrte Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Geschätzte GemeinderatskollegInnen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

 

Ja, da das heute meine erste Rede als neue Abgeordnete ist, möchte ich die Gelegenheit für ein paar persönliche, aber dennoch politische Worte nutzen, bevor ich auf unsere Anträge eingehe. Es erfüllt mich mit enormem Stolz, heute hier als eine der Mitinitiatorinnen des zweiten Frauenvolksbegehrens vor Ihnen stehen zu dürfen. Vor ziemlich genau vier Jahren schlossen wir - Feministinnen aus unterschiedlichen Richtungen - uns zusammen und sagten dem antifeministischen Backlash den Kampf an. Wir taten das aus einem Grund: Weil sich

 

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