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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 28.11.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 51

 

Ziel gerecht zu werden, für alle von Gewalt betroffenen Frauen einen Platz, einen sicheren Ort zur Verfügung zu stellen, ein fünftes Frauenhaus eröffnen zu müssen. Das ist eine notwendige, eine wichtige Maßnahme, und ich glaube, wir alle hätten es lieber, wir würden es nicht brauchen, aber die Realität ist eine andere. Es ist so, dass Frauen nach wie vor diese sicheren Orte mit professioneller Unterstützung brauchen.

 

In der Debatte um Gewalt kursieren meistens die öffentlichen Räume als die gefährlichsten Räume, aber Fakt ist, dass für Frauen das Zuhause nach wie vor der gefährlichste Ort ist. Der gefährlichste Ort ist das Zuhause, die häufigste Gewalt ist die Beziehungsgewalt. Darauf muss man hinschauen, und das macht nämlich auch das Reden über Gewalt oft so schwierig, weil es in dieser Beziehungsgewalt Abhängigkeit gibt, am Anfang vielleicht Liebe gab. Gewalt geht dann durch ganze Familien, und es geht um die Frage: Wer ist wo auf welcher Seite? - Also ein Thema, das sehr komplex ist und das in der Bearbeitung und Auseinandersetzung sehr viel Professionalität, auch sehr viel Wissen über die Psychodynamik, über die sozialen Strukturen erfordert, damit es möglich ist, den Betroffenen professionell zur Seite stehen zu können.

 

#MeToo möchte ich hier auch noch ansprechen, eine Bewegung, die es seit gut einem Jahr gibt und die ganz deutlich in die Öffentlichkeit gebracht hat, wie groß das Abhängigkeitsgefälle, das Machtgefälle in Arbeitskontexten ist. Ich glaube, infolge dieser Bewegung schaut die Öffentlichkeit, schauen die Betroffenen ganz neu auf einen Bereich, der bislang auch sehr tabuisiert war. Auch hier reißen die Fälle nicht ab, aber wir sehen: Was durch diese Bewegung in Gang gesetzt wurde, trägt Früchte. Die Täter werden gezwungen, zurückzutreten, ihre Führungspositionen aufzugeben. Der massive Druck in der Öffentlichkeit wirkt. Ich bewundere alle Frauen, die mutig genug sind und waren und auch sein werden, diesen Kampf, der oft kein leichter ist, öffentlich auszutragen und für ihre Rechte und für alle Rechte der Frauen, die noch kommen werden, einzutreten und dafür zu kämpfen. Wirklich großen Dank und Respekt diesen Frauen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen, das mit erschütternden Zahlen auch in die Medien gekommen ist, zum Thema Morde an Frauen. 34 Morde werden bislang verzeichnet. Frauen werden nach wie vor ermordet, weil sie Frauen sind. Das ist eine extrem hohe Zahl, eine Zahl, die in der Statistik in den letzten Jahren nach oben gegangen ist, und da muss man einfach genau hinschauen: Wie kann es sein, dass Frauen ermordet werden? Und das sind keine Taten, die überraschend passieren, sondern in den allerallermeisten Fällen gibt es eine Vorgeschichte dazu. Zu diesen Morden kommt es nicht aus heiterem Himmel. Da gibt es Androhungen, da gibt es Morddrohungen, da gibt es wiederholte Anzeigen, da sind Waffen im Spiel.

 

Alle Profis, die in diesem Bereich arbeiten, sagen, diese sogenannten Hochrisikofälle brauchen ein Setting an interdisziplinärer Zusammenarbeit, damit Frauen konkret und wirklich effizient geholfen werden kann. Es reicht oft nicht, eine Wegweisung auszusprechen, wenn man weiß, der Weggewiesene hat Waffen, hat Morddrohungen ausgesprochen und weiß, wie er seinen Opfern auflauern kann. Hier muss man also wirklich darüber nachdenken, wie diesen Gefährdern vielleicht mit einer U-Haft die Möglichkeit geraubt werden kann, ihren Worten tatsächlich Taten folgen zu lassen. Das ist auch ein Appell an jene Fraktionen, die KollegInnen in der Bundesregierung haben: Schauen Sie da genau hin! Stellen Sie sicher, dass in diesen Hochrisikofällen multiprofessionell, interdisziplinär zusammengearbeitet werden kann! Hier braucht es Ressourcen, hier braucht es Know-how, und es reicht nicht eine Stelle, denn sonst verliert man wirklich das Bild, das es braucht, um hier die Gefahreneinschätzung richtig vornehmen zu können. Denn diese 34 ermordeten Frauen sind eindeutig ein Beweis dafür, dass es hier nicht funktioniert - und es kann nicht sein, dass auf Grund von Nichthandeln diese Frauen ihr Leben lassen müssen. Also ich bitte wirklich, diese Hochrisikofälle zukünftig rasch und professionell zu bearbeiten. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

An dieser Stelle möchte ich an Bakhti erinnern - ich weiß nicht, ob Ihnen der Name etwas sagt: Das ist ein sehr mutiges afghanisches Mädchen, das im Vorjahr von ihrem Bruder ermordet wurde, ein Mädchen, das versucht hat, der Gewalt in der Familie zu entkommen. Sie ging in Krisenzentren in Graz, in Wien, sie hat Anzeige erstattet, und dann ist irgendetwas passiert, oder dazwischen ist etwas passiert: Einerseits in ihrem Umfeld - es wurde offenbar massiv Druck ausgeübt -, aber auch bei der Staatsanwaltschaft, die sie zwar eingeladen hat, die sie aber offenbar nicht darauf hingewiesen hat, dass sie sich entschlagen kann, und damit wurde die Anzeige zurückgenommen, niedergelegt. Die Folge war: Niemand hat mehr hingeschaut, sie wurde von ihrem Bruder ermordet.

 

Das meine ich mit „Hochrisikofälle“: Es gibt all diese Anzeichen, aber wenn die Institutionen nicht handeln, wenn diese Institutionen nicht das Wissen aufbauen, was Nichthandeln für Folgen haben kann, dann sind diese Mädchen, diese Frauen an ihrem Leben bedroht.

 

Die Allianz „Gewaltfrei leben“ möchte ein Denkmal für Bakhti. Ich denke, das wäre vielleicht auch eine Idee, über die wir nachdenken können: Wie können wir den Opfern dieser Gewalt, den Mutigen, die auch Gegenwehr gesetzt haben und die von uns, muss man wirklich sagen, von der Gesellschaft in gewisser Weise im Stich gelassen wurden, weil Institutionen nicht handeln konnten oder wollten, auch gedenken?

 

Ich glaube, um Gewalt an Frauen zu verhindern, braucht es, wie gesagt, ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk, braucht es umfassende Beratung, braucht es Empowerment, braucht es Ansätze, die Geschlechtsrollenstereotypen aufweichen, die gegen diese toxische Männlichkeit Angebote liefern, wie neue Männlichkeiten gedacht, gelebt, erfahren werden können. (GR Armin Blind: Was ist eine „toxische Männlichkeit“, bitte? Was soll das sein?) - Ja, ein Wort, über das Sie noch nachdenken können, über toxische Männlichkeiten. - Wichtig ist: Um Gewalt gegen Frauen zu verhindern,

 

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