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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 27.11.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 100

 

Wenn Sie jedoch nicht stolz sein können auf die Arbeit, die die Stadt Wien hier leistet, dann liegt das vielleicht daran, dass Sie die Arbeit der Stadt Wien in diesem Bereich nicht kennen, vielleicht nicht verstehen beziehungsweise nicht richtig verstehen. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Man kann eine andere Meinung haben, auch wenn Sie sich das nicht vorstellen können!)

 

Deswegen habe ich auch eine kleine Übersetzungshilfe mitgebracht, nämlich den sogenannten Migrationskompass. Ich habe davon ein Exemplar für Sie mitgebracht. Keine Sorge: Das ist nichts Links-linkes oder Grünes, sondern das ist eine Unterlage des Instituts für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien! (GR Mag. Wolfgang Jung: Also doch links-links!)

 

Wenn das für Sie Link-links ist, dann weiß ich nicht, wohin Sie sich gesellschaftlich positionieren möchten beziehungsweise machen Sie es ganz deutlich damit! (Zwischenrufe bei der FPÖ. - GRin Mag. (FH) Tanja Wehsely: Wir wissen es eh!) Ja, wir wissen es eh, aber ich möchte es hier nicht gleich schon vorweg sagen.

 

Dieser Migrationskompass greift von A bis Z - von A wie Angst bis Z wie Zuversicht - Schlüsselbegriffe aus der Diskussion um Flucht und Migration auf, bringt sie näher und macht sie verständlich. Ich habe nämlich im Laufe des Jahres bemerkt, dass Ihnen manche Begriffe und Konzepte einfach nicht geläufig sind. Manchmal sind das Fremdwörter, und diese sind Ihnen eben fremd, wie zum Beispiel der Begriff „Safe space“: Das ist aber nicht das, was Kickl jetzt mit den Waffenverbotszonen meint oder macht, das heißt anders, nämlich „Arbitrary frisking“.

 

Sie finden hier auch erklärt, was „Othering“ bedeutet: Das ist das Phänomen, immer wieder zu behaupten, dass Menschen nicht dazugehören, weil sie nicht so sind, wie Sie selbst, oder weil sie nicht so ausschauen, wie Sie selbst, weil sie zum Beispiel ein Kopftuch tragen oder eine andere Hautfarbe haben. Und dann wird ihnen auch noch abgesprochen, die gleichen Rechte zu haben oder gleich viel wert zu sein.

 

Das ist dann aber schon Rechtspopulismus, und auch diesen finden Sie in diesem Migrationskompass als Begriff, ebenso die benachbarten Begriffspaare Rassismus und Antisemitismus.

 

Es finden sich darin aber auch Begriffe, die Sie vielleicht einfach nicht in Ihrem Sprachgebraucht haben: Anerkennung, Geschlechtergerechtigkeit, Integration. - Ich kann diese Unterlage wirklich allen empfehlen, vielleicht trägt deren Lektüre auch zum besseren Verständnis dieser Integrationsdebatte und unserer Integrationsarbeit in der Stadt Wien bei!

 

Ich möchte jetzt, wie gesagt, ein Beispiel aufgreifen und ein Projekt vorstellen, und zwar ein EU-gefördertes Projekt, das wir in Wien in einer bereichsübergreifenden Partnerschaft umsetzen, nämlich das Projekt CORE, Center of Refugee Empowerment. Zu Deutsch handelt es sich dabei um das Haus der Flüchtlingsintegration, das ich selbst vor einiger Zeit besuchen durfte.

 

Das Projekt CORE ist ein Gemeinschaftsprojekt der MA 17, des Fonds Soziales Wien, des WAFF, der Wirtschaftsagentur Wien und des Europabüros des Stadtschulrates für Wien. Und Center of Refugee Empowerment ist gar nicht übertrieben als Name für diesen Ort, der tatsächlich ein Integrationsort ist. Mit Räumlichkeiten im 15. Bezirk bietet CORE nicht nur tatsächlich Platz zum Zusammenkommen, sondern auch eine organisatorische Infrastruktur, damit Organisationen, Vereine, zivilgesellschaftliche Initiativen, aber vor allen Geflüchtete selbst Projekte umsetzen können, selbst Integrationsangebote entwickeln und stattfinden lassen können. Es ist dies eine Hilfe zur Selbsthilfe und die Unterstützung von Partizipation und von Selbstorganisation mit der Vermittlung von Werkzeugen, damit Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können.

 

Abseits dieser Möglichkeiten findet auch eine Reihe von Veranstaltungen statt, und diese bieten Gelegenheit, sich mit verschiedenen, oft auch schwer greifbaren Aspekten des sehr großen Bereichs Integration auseinanderzusetzen. - Zwei davon möchte ich besonders hervorheben.

 

Latifa Nabizada wurde 1970 in Kabul geboren. Sie las im Oktober im CORE-Zentrum aus ihrem Buch „Greif nach den Sternen, Schwester! Mein Kampf gegen die Taliban“ vor. Das Buch ist 2014 auf Deutsch erschienen, und die Autorin erzählt darin ihre Lebensgeschichte.

 

Mit 17 Jahren bewarb sich Latifa Nabizada gemeinsam mit ihrer Schwester als Pilotin bei der Militärakademie. Sie waren damals die ersten Frauen und, als sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatten, auch die ersten Pilotinnen, die bei der afghanischen Airforce geflogen sind. Allem Widerstand zum Trotz wurden sie Hubschrauberpilotinnen, und sie flogen vor allem Hilfsmissionen gegen die Taliban im Bürgerkrieg.

 

Frau Nabizada wechselte später ins Verteidigungsministerium und wurde dort tatsächlich Direktorin der Abteilung für Menschenrechte und Genderfragen. Sie hat sich für die Rechte von Frauen eingesetzt und musste deswegen schließlich ihr Land verlassen. Im Dezember 2015 kam sie mit ihrer Tochter nach Österreich, im Juli 2017 erhielten sie hier Asyl, und die Tochter wächst hier als Wienerin mit Migrationsbiographie auf. Diese starken Frauen sind Vorbilder, Kämpferinnen für Frauenrechte, und sie sind Wienerinnen, und seien wir mit ihnen stolz darauf! (Beifall bei GRÜNEN und spö.)

 

Ich möchte jetzt noch eine weitere Veranstaltung hervorheben, nämlich die Veranstaltung, bei der die OECD-Studie „Wiens Integration im internationalen Vergleich“ beziehungsweise der österreichische oder lokale Teil der internationalen Studie präsentiert wurde. Es ist nämlich auch gut und wichtig, immer über den eigenen Tellerrand zu blicken und sich die Frage zu stellen: Wo und wie gelingt Integration?

 

Das ist im Rahmen dieses Forschungsprojekts der OECD geschehen. Bei dieser Studie hat man sich in einem zweijährigen Forschungsprojekt Integrationspolitiken und Integrationsmaßnahmen in verschiedenen Städten angesehen, darunter Städte wie Amsterdam, Athen, Barcelona, Glasgow, Göteborg, Paris, Rom und eben auch Wien.

 

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