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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 26.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 96 von 134

 

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Es hat ja jeder von den Debattenrednern in der Kulturdebatte so seinen eigenen Zugang, denn die wenigsten von uns sind ja Künstler oder Kulturschaffende. Mein Zugang zu dieser Debatte ist natürlich ein juristischer. Ich denke mir, dass aber auch die Künstler sehr profitieren von einem solchen Zugang, von dem ich mir in diesem Bereich ein bisschen mehr wünschen würde, denn: Es geht um die freie Entfaltung der Künstler, und es geht um die Unabhängigkeit der Künstler, und je mehr dem Legalitätsprinzip und je mehr dem rechtsstaatlichen Prinzip entsprochen wird, umso mehr ist es im Sinne der Unabhängigkeit und der Freiheit der Kunst.

 

Ich glaube daher, dass insbesondere in Zeiten, in denen die Förderungen eher weniger als mehr werden, alle erforderlichen Rahmenbedingungen sehr exakt eingehalten werden sollten und dass man sich auch überlegen sollte, ob man nicht mit noch mehr Rechtsstaatlichkeit etwas für Kunst und Kultur tun kann, ohne Mittel erhöhen zu müssen.

 

Etwas, was insbesondere von meiner Fraktion, aber, wie ich glaube, auch von anderen Fraktionen sehr kritisch gesehen wird, sind die Rahmenförderungen: Förderungen in der Größenordnung von mehreren Millionen Euro, ohne dass im Vorhinein feststeht, an welche Fördernehmer oder für welche Projekte diese Förderungen gewährt werden sollen. Es wird schon eine rechtliche Argumentation aus dem Haus geben, die das für zulässig erklärt, aber so lupenrein nach der Wiener Stadtverfassung ist es wohl nicht, denn: In der Wiener Stadtverfassung steht, dass für jede Subvention über nunmehr 14.600 EUR ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich ist. Wenn mit einer Rahmenermächtigung viele Millionen beschlossen werden und die Zuweisung an die einzelnen Fördernehmer dann durch den Magistrat und nicht mehr durch den Gemeinderat erfolgt, dann, würde ich meinen, ist das zumindest problematisch.

 

Schauen Sie sich den § 88 der Wiener Stadtverfassung an. Da steht eindeutig drinnen: „Dem Gemeinderat ist vorbehalten: die Bewilligung Subventionen in der Höhe von mehr als 4 Prozent des Wertes nach lit. e." - Der Wert nach lit. e ist 363.000 EUR, und der nach lit. p dann mit 4 Prozent - aufgerundet – 14.600 EUR.

 

Eine Subventionierung auf diese Art und Weise gibt natürlich auch dem Künstler weniger Selbstständigkeit und weniger Unabhängigkeit, als wenn er sich auf einen Gemeinderatsbeschluss stützen könnte.

 

Das gilt aber insgesamt für die Ausschüttung von Subventionen und Förderungen: Wien ist das einzige Bundesland, das glaubt, ohne Kulturförderungsgesetz auskommen zu können. (Beifall von GR Mag. Manfred Juraczka und GR Dkfm. Dr. Fritz Aichinger.)

 

Jetzt bin ich der Letzte, der sagen würde, je mehr Gesetze, umso besser ist es, aber ein Gesetz schafft für den Förderungsnehmer Rechtssicherheit, es schafft Unabhängigkeit, man kann Kriterien vorgeben, man kann einen Rahmen vorgeben, man kann einen Maßstab anlegen. Denn: Auf welche Art und Weise kommen denn jetzt die Entscheidungen für Förderungen zustande? Wer empfiehlt denn jetzt die Entscheidung für den Magistrat oder für den Gemeinderat? Wie setzt sich die Jury zusammen? Welchen Beirat gibt es da? - Und je weniger die Subventionsmittel werden, umso besser und umso effizienter müssen die Mittel verteilt werden.

 

Ich würde schon ganz gerne vom Herrn Stadtrat erfahren, warum er meint, dass Wien das einzige Bundesland sein soll, das ohne ein solches Kulturförderungsgesetz auskommt. So ein Kulturförderungsgesetz würde natürlich Transparenz bedeuten und würde mehr Unabhängigkeit von möglicherweise nicht nachvollziehbaren, vielleicht gar willkürlichen Entscheidungen bieten. So ein Gesetz gibt es in Vorarlberg, in Tirol, in Salzburg, in Kärnten, in Oberösterreich, in der Steiermark, in Niederösterreich und im Burgenland - aber in Wien gibt es das nicht. In Wien gibt es lediglich ein Handbuch, einen Leitfaden, aber nichts, was der Künstler in die Hand nehmen könnte, worin er nachschauen und daraus ersehen könnte: Was sind die Kriterien? Welches Kuratorium entscheidet? Wer sitzt im Kuratorium drinnen? Auf wie lange sind die Kuratoriumsmitglieder bestellt? Ist eine Wiederbestellung möglich - ja oder nein?

 

Besonders gut gefällt mir das Kulturförderungsgesetz von Niederösterreich. (Ironische Heiterkeit bei GR Dipl.-Ing. Martin Margulies.) Nein, Herr Kollege, da steht was drinnen! (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Davon bin ich überzeugt, dass da was drinnensteht!) Da steht drinnen, dass sich vor der Entscheidung die Landesregierung zu bedienen hat (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies - erheitert -: „Die Landesregierung hat sich zu bedienen“ - das ist ein hartes Gesetz!): entweder des Sachverständigenwissens einer Einzelperson, eines Gutachtergremiums oder eines Dachverbandes eines Teilbereiches der Kultur. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Die bedienen sich halt, wie es passt!) Herr Kollege, ich wünsche mir, dass nachvollziehbar ist, wer für eine Entscheidung zuständig ist oder wer eine Entscheidung vorbereitet - und da steht drinnen, wer diese Entscheidung vorbereitet und wer mit seinem Wissen als Experte herangezogen wird.

 

Auch am steirischen Gesetz könnten wir uns ein Beispiel nehmen. Das steirische Gesetz sagt, es ist zwingend erforderlich, es hat so zu sein, dass bereits bei Förderungen ab 1.000 EUR ein Kulturkuratorium zu informieren ist, dass dieses Kulturkuratorium bei Subventionen in der Höhe zwischen 1.000 EUR und 3.500 EUR bereits ein Gutachten abgeben kann und dass es bei Förderungen ab 3.500 EUR ein solches Gutachten abzugeben hat. - Das macht natürlich einen Unterschied, ob so ein Kuratorium entscheidet oder ob die Entscheidungen irgendwo getroffen werden und man nicht weiß, von wem und auf welche Art und Weise sie getroffen werden.

 

Was noch interessant ist, ist, dass der Förderwerber Gelegenheit zur Stellungnahme hat, wenn ein negatives Gutachten beschlossen werden soll.

 

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